Ich habe gruselige Facebook-Anfragen beantwortet – und viel über Liebe gelernt
Illustration by Grace Wilson

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Ich habe gruselige Facebook-Anfragen beantwortet – und viel über Liebe gelernt

Habt ihr auch schon fragwürdige Nachrichten oder Freundschaftsanfragen von wildfremden Männern bekommen? Ich habe allen geantwortet und gefragt, ob sie wirklich nur Sex mit mir haben möchten.

Wie viele Freundschaftsanfragen bekommst du von Fremden auf Facebook? Ich komme auf ein oder zwei die Woche. Manchmal kommen sie von Leuten, die meine Artikel gelesen haben und manchmal sind es einfach nur Freunde von Freunden, die meine Kommentare unter irgendwelchen Statusmeldungen gesehen haben. Die meisten Anfragen – ungefähr 17 von 20 – stammen allerdings von Männern, die ich noch nie zuvor gesehen habe und wie eine kurze Stichprobe ergeben hat, bekommen auch die meisten meiner Freundinnen regelmäßig seltsame Freundschaftsanfragen und ungebetene Nachrichten über Facebook.

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Eine meiner Freundinnen arbeitet als professionelle Bauchtänzerin. Sie meint, dass das einfach zu ihrem Beruf dazugehört. Das erklärt allerdings nicht, warum auch eine befreundete Ärztin immer "zwei oder drei" solcher Anfragen in der Woche bekommt. Sara arbeitet in der Buchhaltung und hat mir erklärt: "Ich habe andauernd Freundschaftsanfragen von x-beliebigen Männern bekommen, bis ich es so eingestellt habe, dass mir nur noch Freunde von Freunden eine Anfrage schicken können […] aber ich bekomme immer noch seltsame Nachrichten. Einmal habe ich ein Gedicht über eine erblühende Rose gekriegt."

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Ich gehe immer davon aus, dass eigenartige Kerle Frauen wahllos Freundschaftsanfragen schicken, weil sie Sex haben wollen oder zumindest Zugang zu einem Haufen Fotos bekommen möchten, zu denen sie sich dann einen runterholen können. Was erschwerend hinzukommt, ist, dass ich eine unglaublich attraktive Freundin habe (fragt mich nicht, wie ich das gemacht habe) und es tonnenweise Fotos von uns gibt, wie wir die Arme umeinander schlingen. Vielleicht ist es also arrogant und anmaßend, wenn ich denke, dass all diese fremden Männer mit mir ausgehen oder Sex haben wollen – vielleicht stehen sie auch einfach auf meine Freundin. Um dem Ganzen auf den Grund zu gehen und herauszufinden, was sie wirklich wollen, habe ich jedem einzelnen dieser Männer geantwortet.

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Achal*

Es hat eine Weile gedauert, bis Achal – der Mann mit dem geschmackvollen Schwarz-Weiß-Foto – geantwortet hat. Dafür war seine Antwort ziemlich eindeutig: Ja.

Das Urteil: Achal will Sex.

Peter

Dann war da noch Peter, der stämmige Engländer mittleren Alters. All seine Freunde und 50 Menschen, denen er folgt, sind Frauen. Dieser Mann muss Frauen wirklich mögen! Ich habe mir überlegt, dass ich nicht ganz so direkt zu ihm bin und stattdessen mal eine ausgefeiltere Verführungstaktik einsetze.

Er bleibt etwas schüchtern und erklärt mir, dass er sich "eine echte Freundschaft" mit mir wünscht. Ich ignoriere ihn daraufhin. Am nächsten Tag bekomme ich folgende Nachrichten von ihm und habe sieben verpasste Videoanrufe.

Das Urteil: Auch Peter will Sex.

Ramzi

Ramzis Profilfoto ist ein leicht pixeliges Bild von einem Mann mit einem sehr akkurat getrimmten Bart. Er muss eine ausgeklügelte Taktik haben – immerhin sind 104 seiner 105 Freunde Frauen.

An dieser Stelle mache ich eine kurze Pause. Ich bekomme langsam aber sicher das Gefühl, dass unsere Verabredung zum Valentinstag nur Mittel zum Zweck ist und Ramzi eigentlich etwas ganz anderes von mir möchte.

Das Urteil: Heiraten wäre ihm lieber, aber zu einem Blowjob würde er auch nicht Nein sagen.

Florin

Florin scheinen meine Nachrichten etwas zu irritieren. Schließlich muss er aber doch zugeben: "Du bist süß. Ich mag deine roten Haare." Nachdem ich ihn ein paar Mal gefragt habe, ob er mit mir schlafen möchte, antwortet er:

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Das Urteil: Er möchte, dass ich seine unbekannte, aber erstaunlich gut recherchierte internationale Nachrichtenseite like.

Adnan

Dieser Mann ist mehr der visuelle Typ.

Das Urteil: Wir haben uns gerade erst kennengelernt und du schreibst mir schon, dass du mich vermisst? Adnan, das geht mir zu schnell.

Paul

Paul lebt in Birmingham und arbeitet als Klempner. Er hat mehr als 640 Freunde, darunter 42 Männer und ein John-Cena-Fanpage. Dieser Mann scheint es ernst zu meinen, aber meint er es auch ernst mit mir?

Ich frage mich, auf welche der Fragen ich zuerst antworten soll, entscheide mich dann aber einfach für ein offenes und ehrliches Nein. Nachdem wir ein paar Höflichkeiten ausgetauscht haben, frage ich ihn, ob er mit mir schlafen möchte. Er meint: "Natürlich lol."

Danach beende ich das Gespräch. Doch nachdem er mit viermal geschrieben hat: "Sophie?", bekomme ich den Eindruck, dass er das Ganze sehr viel ernster meint, als er anfangs zugeben wollte.

Das Urteil: Er hat sich zwar etwas geziert, will aber eindeutig Sex.

Tareq

Tareq ist scheinbar etwas eingeschnappt, dass es mehr als drei Wochen gedauert hat, bis ich auf seinen Zwinkersmilie reagiert habe. Er fällt aber schon nach kurzer Zeit direkt mit der Tür ins Haus und meint, ich sähe wunderschön aus. Auf diesem Kompliment nagle ich ihn natürlich sofort fest:

Das Urteil: Nach zwei Tagen bekomme ich nur noch Nachrichten von Tareq, in denen er mich entweder als Rassist bezeichnet oder mir Screenshots von meinen Profilfotos schickt und fragt, ob ich Zeit habe. Ich denke, das bedeutet, unser Date steht noch.

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Alle anderen, denen ich geschrieben habe, haben einfach nicht reagiert: ein britischer Elektriker, dessen Profilfoto zeigt, wie er sich an Weihnachten betrunken hat; ein Kerl namens Abdullah, der zwei Orangen als Profilfoto hat; ein Kerl namens "Streetmoneey"; eine Frau, die sich selbst La Tina nennt; und natürlich Marcelino, der das Bild eines kanadischen Männermodells als Profilfoto nutzt und angegeben hat, in Harvard zu arbeiten.

Graham Jones ist Psychologe und hat sich auf das menschliche Online-Verhalten spezialisiert. Er erklärt mir, dass viele dieser Profile einfach nur Fake-Accounts sind, die von Bots erstellt wurden und "unter anderem von Hackern genutzt werden, um persönliche Informationen über uns zu sammeln oder uns vollzuspamen. Sie sehen zwar aus wie von echten Menschen, sind in Wirklichkeit aber komplett fake."

Es gibt 170 Millionen solcher Accounts – das heißt, dass es sich bei einem von 80 Facebook-Profilen um einen Fake-Account handelt. Was aber ist mit den restlichen Anfragen?

"In der Regel kommen 20 Prozent aller Freundschaftsanfragen von echten potenziellen Freunden", erklärt mir Jones. "Natürlich gibt es aber auch Menschen, die jemanden zum Heiraten suchen, um ein Visa zu bekommen, dein Foto attraktiv fanden und dich deswegen kennenlernen wollen oder einfach nur wahllos mit Leuten befreundet sein wollen."

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Man muss dabei allerdings auch bedenken, dass Facebook die ganze Welt miteinander verbindet und oft können auch einfache kulturelle Unterschiede zu kleinen bis mittelschweren Missverständnissen führen. "Viele Menschen [die Fremden Freundschaftsanfragen schicken] sehen in Online-Freundschaften einfach nur Menschen, die mit ihnen chatten wollen. In vielen Kulturen ist es ganz normal, auf andere zuzugehen und sie anzusprechen. Kulturen, die da etwas reservierter sind, definieren Freundschaften dagegen oftmals ganz anders."

Was mich mein Experiment über die Liebe gelehrt hat? Nun ja, zum einen glaube ich nicht, dass einer dieser Männer in absehbarer Zeit mein Date wird. In vielen Fällen verhindern allein die geografische Distanz oder rigide Einreisebeschränkungen, dass wir uns nahe genug kommen können, um Sex zu haben. Zum anderen habe ich aber auch gelernt, dass es ziemlich viele einsame Menschen in dieser Welt gibt und ich Männern sehr viel mehr zu bieten habe als meine Fuckability – zum Beispiel ein Visum.


*Alle Namen wurden geändert und Identitäten unkenntlich gemacht.