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Wie Airbnb Sexarbeiter diskriminiert

Airbnb hat den Account einer Nutzerin gelöscht, weil sie als Domina arbeitet. Ein vollkommen legaler Weg, um Menschen zu diskriminieren, die schon oft genug an den Rand der Gesellschaft gedrängt werden.
Photo by Katarina Simovic via Stocksy

In den letzten Jahren hat Arianna Travaglini Airbnb oft genutzt, wenn sie länger verreist ist oder spontan am Wochenende wegfahren wollte. Sie sagt, dass sie fast ein Dutzend Unterkünfte über den Gastgeberdienst gebucht und niemals auch nur eine schlechte Bewertung bekommen oder irgendeine negative Erfahrung gemacht hat—bis ihr die App im letzten Monat plötzlich aus unerfindlichen Gründen den Dienst verweigerte.

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Als Travaglini, die eigentlich in San Francisco lebt, versuchte, ein Zimmer in Baltimore für die LGBT-Pride-Parade zu buchen, bekam sie keine Antworten mehr von den potenziellen Gastgebern. Sie dachte, das käme von einem Fehler in ihrem Account und versuchte es über die Sofortbuchungsfunktion der App, über die das Apartment automatisch gesichert werden kann. Als auch das nicht funktionierte, rief sie beim Kundenservice an, wo ihr gesagt wurde, dass ihr Account „aus Sicherheitsgründen" deaktiviert wurde. Wenig später erhielt sie eine Mail, in der stand, dass sie auf unbestimmte Zeit gesperrt sei.

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„Bitte habe Sie Verständnis, dass wir nicht dazu verpflichtet sind, eine Erklärung für unser Vorgehen abzugeben", hieß es in der E-Mail. Doch obwohl Airbnb ihr keine konkrete Erklärung geliefert hat, ist Travaglini davon überzeugt, dass die Sperrung ihres Account damit zusammenhängt, dass sie als Pornodarstellerin und professionelle Domina arbeitet.

„Es gibt nichts, was sie gegen mich in der Hand hätten, bis auf die Tatsache, dass ich eine Sexarbeiterin bin", sagt sie. „Jeder Vermieter, bei dem ich je war, hat mir eine ausgezeichnete Bewertung gegeben und ich hatte auch keine sonstigen Mahnungen in meinem Account oder meiner Zahlungshistorie. Ich habe bereits von solchen Vorfällen gehört—das ist so eine Art urbane Legende unter Sexarbeitern—, aber ich habe die App schon so lange genutzt, dass ich dachte, das wäre vollkommen unmöglich … bis es dann doch passiert ist."

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Obwohl Airbnb in seinen Nutzungsbedingungen nicht ausdrücklich sagt, dass die App nicht von Sexarbeitern genutzt werden darf, erklärte ein Sprecher des Unternehmens gegenüber Broadly, dass „Prostitution nicht erlaubt ist." Travaglini beharrt darauf, dass sie Airbnb niemals für ihre Arbeit als Sexarbeiterin genutzt hat. Darüber hinaus ist ihre Arbeit in den USA überwiegend legal. (In ihrem Heimatstaat Kalifornien sind sogar „sadomasochistische Handlungen mit Eseln" erlaubt, jedoch nicht in Maryland, wo sie zuletzt eine Unterkunft buchen wollte.)

Nachdem eine Handvoll Artikel erschienen war, in denen es darum ging, dass Airbnb in den USA und in anderen Ländern häufig für Prostitution genutzt wird, hat das Unternehmen den damit verbundenen Tätigkeiten durch verschiedene Maßnahmen den Kampf angesagt. Ein Vertreter von Airbnb sagte, in Zukunft würde das Unternehmen nicht nur prüfen, ob die Gastgeber und die Gäste verurteilte Verbrecher oder Sexualstraftäter seien, sondern auch andere Formen des digitalen Screenings einsetzen, um „sicherzustellen, dass die Nutzung der App den Erwartungen unserer Gastgeber wie auch unserer Gäste entspricht."

Per Gesetz darf man weder wegen seiner Hautfarbe, seiner Herkunft oder seines Geschlechts diskriminiert werden—die Beschäftigung fällt unter keine dieser Kategorien.

Er sagte auch, Airbnb nutze bestimmte Verhaltensanalysen, um Sexarbeiter zu identifizieren und stritt nicht ab, dass ein Sexarbeiter durch das Unternehmen entfernt werden kann, selbst wenn er die App nicht dazu nutzt, seine Dienstleistungen anzubieten.

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„Die Plattform darf nicht für Prostitution genutzt werden und wir überprüfen unsere Plattform permanent, um sicherzustellen, dass jeder Vorgang im Interesse der Gastgeber und der Gäste ist", sagt er. „Menschen, die Gäste aufnehmen, haben gewisse Erwartungen an das, was passieren wird und wenn wir darauf aufmerksam werden, dass diesen Erwartungen zuwidergehandelt wird, ergreifen wir die entsprechende Maßnahmen."

Travaglini ist nicht die erste Sexarbeiterin, die von Airbnb ohne weiteren Kommentar entfernt wurde. Auch Julie Simone, die ebenfalls als Domina und Pornodarstellerin arbeitet, wurde im März von der App gesperrt. Travaglini sagt, dass ihr noch weitere Sexarbeiter von ähnlichen Vorfällen erzählt haben, nachdem sie ihre Geschichte öffentlich gemacht hat.

Die Nutzungsbestimmungen von Airbnb verlangen, dass sich alle Gastgeber und Gäste „an die geltenden Gesetze und Bestimmungen vor Ort halten" und verbietet unter anderem Inhalte, die „Diskriminierung, Fanatismus, Rassismus, Hass gegen eine Person oder Gruppe oder Belästigung oder Schädigung einer Person oder Gruppe fördern oder unterstützen." Sienna Baskin, Direktorin des Rechtsdienstes des Interessenverbandes Sex Workers Project des kommunalen Justizzentrums, sagt jedoch, dass es vollkommen legal ist, Sexarbeitern eine Beschäftigung und eine Unterkunft zu verweigern.

„Eine der größten Hürden für die Sexarbeiterbewegung im Kampf um mehr Rechte ist, dass die Beschäftigungsform keine vor Diskriminierung geschützte Kategorie ist", sagt sie. „Per Gesetz darf man weder wegen seiner Hautfarbe, seiner Herkunft oder seines Geschlechts diskriminiert werden, doch die Beschäftigung fällt unter keine dieser Kategorien. Das heißt, es ist gesetzlich nicht verboten, jemanden aufgrund seiner Beschäftigung zu diskriminieren."

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Travaglini sagt, sie wüsste, dass ihr Ausschluss von der App vollkommen legal sei—doch genau damit hat sie ein Problem. Die vage formulierten Konditionen und Bedingungen des Unternehmens erlauben es Airbnb, bestimmte Gruppen willkürlich und ohne weitere Begründung zu diskriminieren.

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„[Airbnb] ist ein privates Unternehmen und sie können tun, was sie wollen", sagt Travaglini. „Das ist ein Problem, das nicht nur die von Airbnb, sondern Nutzungsbedingungen im Allgemeinen betrifft: Die mehrdeutigen Formulierungen machen es den Unternehmen möglich, Schritte zu unternehmen, die allein auf ihren eigenen moralischen Präferenzen oder religiösen Ansichten basieren—ohne irgendwelche Konsequenzen erwarten zu müssen."

Die Konsequenzen dieser Schritte bekommen wirtschaftlich schwache Nutzer oder Mitglieder von Minderheiten meist besonders schwer zu spüren, obwohl diese Menschen ursprünglich eigentlich am stärksten von der sogenannten Sharing Economy profitieren sollten. Ein 2015 erschienener Bericht der New York University charakterisierte die Peer-to-Peer-Vermietungen „als ein Mittel, durch das der Zugang zu einem höheren Lebensstandard demokratisiert wird." Wenn Nutzer, die keine besonders große Auswahl an Wohnmöglichkeiten haben, der Zugang zu Airbnb verweigert wird, gibt es einen Ort weniger, an dem sie eine Unterkunft finden können. Das Vorgehen des Unternehmens ist hingegen nur ein weiteres Beispiel dafür, dass diskriminierende Richtlinien den Zugang erschweren, sagt Travaglini.

„Sie spielen Gott, weil sie es können. Schließlich sind sie ein unglaublich reiches, privates Unternehmen", sagt sie. „Aber wer anfängt, Gott zu spielen, vergisst schnell, wo die Grenzen liegen. Wenn man mit dem Profiling erst mal angefangen hat, kann man sich schon denken, wo das alles mal endet."


Foto: Lady May Pamintuan | Flickr | CC BY-ND 2.0