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Mutterschaft

'Juno' ist immer noch einer der besten Filme über Teenie-Schwangerschaften

Als ich nach einer Vergewaltigung schwanger wurde, fühlte ich mich unendlich allein. Bis ein Film kam, der endlich zeigte: Schwangere Teenager sind keine verantwortungslosen Freaks.
Fotos mit freundlicher Genehmigung von Fox Searchlight

Der 5. Dezember 2007 war der Tag, an dem Juno offiziell in den nordamerikanische Kinos anlief, in Deutschland startete er im März des folgenden Jahres. Der 5. Dezember 2007 hätte auch der Tag sein können, an dem ich Teenie-Mutter wurde – hätte ich nicht kurz nach Beginn meiner Schwangerschaft eine Fehlgeburt erlitten. Mit 12 wurde ich von einem Bekannten vergewaltigt. Über den Vorfall habe ich schon oft öffentlich gesprochen, schließlich war er einer der Gründe dafür, dass ich zur Aktivistin wurde. Eine Sache habe ich allerdings größtenteils für mich behalten, auch wenn sie mein Leben ebenfalls stark beeinflusst hat: Durch die Vergewaltigung wurde ich schwanger und hatte eine Fehlgeburt.

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Meine Schwangerschaft selbst war komplett anders als die von Juno. Juno wurde diskriminiert, weil sie eine sichtbar schwangere Teenagerin war. Ich hingegen erlitt nach neun Wochen die Fehlgeburt und hatte niemandem von meiner Schwangerschaft erzählt. Juno entscheidet sich, das Baby zur Adoption freizugeben. Ich glaube nicht, dass ich die gleiche Entscheidung getroffen hätte. Junos Schwangerschaft war das Ergebnis von Sex mit einem Freund, meine Schwangerschaft war das Resultat einer Vergewaltigung. Trotzdem war Juno war die erste und einzige Geschichte einer Teenagerschwangerschaft, mit der ich mich identifizieren konnte.

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Während manche Kritiker Juno eine Anti-Abtreibungs-Message unterstellen, habe ich selbst den Film nicht so wahrgenommen. Geschichten über Abtreibungen sind wichtig und werden definitiv nicht so oft erzählt, wie sie es sollten. Aber von dem Moment an, in dem Juno sich dafür entscheidet, das Kind zur Welt zu bringen, konnte sich der Film auch mit den Diskriminierungen auseinandersetzen, denen sich schwangere Jugendliche ausgesetzt sehen.

Wenn Junos Ultraschalltechnikerin einen abfälligen Kommentar ablässt, erinnere ich mich an die unfreundlichen Krankenpflegerinnen in meiner Klinik. Wenn Junos Mitschüler sich auf dem Flur vor ihr wie das Meer vor Moses teilten, erinnere ich mich daran, wie verängstigt und isoliert ich mich gefühlt habe. Und wenn Junos Mitschülerin, eine erklärte Abtreibungsgegnerin, vor der Abtreibungsklinik demonstriert, erinnere ich mich daran, wie politisch meine Schwangerschaft war, ohne dass ich das wollte.

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Die schwangeren Teenager waren Fallbeispiele, keine Menschen.

Ich bin in den frühen 2000ern in Südafrika aufgewachsen, als die HIV/AIDS-Aufklärungswelle gerade ihren Höhepunkt erreicht hatte. In der Schule hatten wir das Fach „Lebensorientierung“, was im Grunde nichts anderes war als Aufklärungsunterricht. Unsere Schulbücher waren voller "Fallbeispiele" mit Kindern in unserem Alter, die vor den ganzen Problemen standen, mit denen wir uns dann im Unterricht beschäftigten. Wie gut wir in diesem Fach waren, hing davon ab, wie gut wir diesen hypothetischen Kindern helfen konnten. Eigentlich immer lief das darauf hinaus, dass sie die Finger von Sex und Drogen lassen sollten.

Viele dieser Fallbeispiele handelten von Mädchen, die schwanger geworden waren. Wie das passiert war, war natürlich auch vorgegeben – schließlich war es wichtig, dass wir schlaue Kommentare dazu abgeben, wie sie besser nicht schwanger geworden wären. Erst nach der moralisierenden Besserwisserei ging es darum, eine mögliche Lösung für ihre missliche Lage zu finden. Ihre Probleme waren aber auch das Einzige, was man über diese Mädchen erfuhr, über ihre Hobbys, Interessen oder Zukunftspläne wusste wir nichts. Die schwangeren Teenager waren Fallbeispiele, keine Menschen. Und diese verdammten Fallbeispiele verfolgten mich während und nach meiner Schwangerschaft.


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Immer, wenn ich mein Schulbuch aufschlug, sah ich die Namen der schwangeren Mädchen vor mir und stellte mir vor, wie meiner an ihrer Stelle steht. Ich war mir sicher, dass meine Mitschüler – deren Mitgefühl für schwangere Teenager durch den Unterricht bereits schwer in Mitleidenschaft gezogen worden war – mitbekamen, wie komisch ich mich verhielt. Früher oder später würden sie merken, dass ich mich in der gleichen Situation befand, wie die eindimensionalen Mädchen aus unseren Textbüchern.

Wenn es darin ein Fallbeispiel mit mir gegeben hätte, wie hätte es wohl ausgesehen? "Sian bemerkte, dass sie schwanger war, nachdem sie im Haus ihres Freundes vergewaltigt wurde. Was soll sie jetzt tun?" Nirgendwo würde stehen, dass ich eine Einser-Schülerin bin, die Bücher und Basteln liebt. Meine Schwangerschaft reduzierte mich auf ein Problem, das gelöst werden musste.

Ich stellte mir vor, welche Ratschläge meine Mitschüler mir geben würden: "Sie hätte gar nicht erst nicht ohne Erwachsene bei ihrem Freund zu Hause sein sollen." "Sie sollte ihren Eltern oder einem Lehrer davon erzählen." "Sie sollte überlegen, ob sie das Baby zur Adoption freigibt." Die elendigen Plattitüden kannte ich in- und auswendig. Ich wünschte, meine Situation wäre so konsequenzbefreit gewesen wie diese Prüfungsfragen. Und ich wünschte mir, dass ich echte Problemlösung gelernt hätte und nicht bloßes Nachplappern.

Vor allem aber wünschte ich mir, nicht allein zu sein. Bis ich Juno sah, fühlte ich mich sehr allein.

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Den Filmemachern bedeutete Juno zu viel, um sie in ein eindimensionales Problem-Klischee zu verwandeln. Den ganzen Film über vergessen wir nicht, dass sie eine echte Person mit überlebensgroßer Persönlichkeit ist: Sie ist sympathisch, schlau, versucht erwachsene und wohlüberlegte Entscheidungen zu treffen und hat einen sehr eigenen Humor. Vergiss die ganzen Reality-Shows über schwangere Teenies – Juno sprengt jedes Klischee, das es über Jugendliche in ihrer Lage gibt. Genau so wenig wird Juno an keinem Punkt auf ihre Schwangerschaft reduziert. Ihre Entscheidung, Sex zu haben, ist ebenfalls kaum Thema. Im Gegensatz zu Cheerleaderin Quinn Fabray in Glee wird Juno nicht als Jugendliche dargestellt, die ihr fast-perfektes Leben beinahe durch eine Schwangerschaft ruiniert. Juno hat ihre Probleme, aber ist kein "Problem-Teenager".

Wir sind umgeben von Klischees, die es uns einfacher machen, Teenagerschwangerschaften als ein Problem der "anderen" abzutun.

Eigensinnig und nachvollziehbar zugleich, ist ihre Einzigartigkeit eine ständige Erinnerung daran, dass schwangere Teenager an erster Stelle Menschen sind. In Juno sah ich eine enervierend frühreife Jugendliche wie mich selbst. Meine Altersgenossen und der Rest der Welt feierten Junos Schrulligkeit. Sie redeten über ihr Hamburger-Telefon oder ihre Schlagfertigkeit. Als ich sah, wie sie Juno während und nach ihrer Schwangerschaft mitfieberten, kam ich zu dem Schluss, dass auch ich es verdient hatte, gemocht und als vollständiger Mensch wahrgenommen zu werden. Obwohl ich mal ein schwangerer Teenie war.

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Eine nicht unerhebliche Schuld an der Entmenschlichung von schwangeren Teenagern hat der Umstand, dass sie in den Medien meistens oberflächlich dargestellt werden. Wir sind umgeben von Klischees wie dem "verantwortungslosen Partygirl", die es uns einfacher machen, Teenagerschwangerschaften als ein selbstverschuldetes Problem der "anderen" abzutun. Einfühlsamere Darstellungen sind selten und einige davon – wie Precious oder Maria voller Gnaden – wurden dafür kritisiert, Klischees über junge und unverheiratete Mütter aus armen Verhältnissen zu bedienen. Tatsächlich bemängeln viele an Juno, dass dieser Film über Teenagerschwangerschaften lediglich die Happy-End-Geschichte einer weißen Heterofrau aus der Mittelklasse darstellt, obwohl es auch in Deutschland gerade weniger privilegierte junge Frauen sind, die sich dafür entscheiden, trotz ihrem jungen Alter ein Kind auf die Welt zu bringen.

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Kein Film kann jemals repräsentativ für die Erfahrungen jedes schwangeren Teenager-Mädchens stehen. Juno könnte und sollte allerdings eine Trittbrettfunktion haben, um mehr dieser Geschichten mit ihren eigenen Verbindungen zu Schicht, Ethnie, Geschlecht und sexueller Identität erzählen. In einer perfekten Welt wären die Mädchen aus meinen Schulbüchern in Geschichten zum Leben erweckt worden, die so gefühlvoll erzählt sind wie die von Juno.

Bis das passiert, bleibt Juno einer der relevantesten und wichtigsten Filme über Teenager-Schwangerschaften.

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