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Die unsichtbaren Frauen der Geek-Kultur

Wer sich in Serien und Filmen für Comics oder Videospiele begeistert, ist meistens männlich. Die deutsche Webserie "Girl Cave" möchte das ändern.
Screenshot: Mach das Buch! | GIRL CAVE Folge 1

Geek-Kultur in Serien? Hierzulande dürfte vielen dazu nur Big Bang Theory einfallen. Ein Erfolgsformat, das vor allem eines tut: bestehende Stereotype zu verstärken. Wer sich für Comics, Videospiele und Science-Fiction begeistern kann, ist ein sozialer Außenseiter und – allem voran – männlich. Mit der Realität hat das freilich nicht viel zu tun. Die Webserie Girl Cave möchte ändern, wie männerdominiert Geek-Kultur nach wie vor wahrgenommen wird und zeigt die Freundinnen Julija, Caro und Zada zwischen Dorf-Tristesse, Pubertät und Fanfictions.

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Wichtig war den Verantwortlichen von Memofilm dabei, mit Menschen zusammenzuarbeiten, die selbst mit einem gewissen Nerdtum aufgewachsen sind und für die Comics nicht bei Donald Duck anfangen und bei Superman aufhören. Eine von ihnen ist Alexandra Schulz, die als Teil des Autorenteams Teile ihrer eigenen popkulturellen Vergangenheit miteingebracht hat. Wir haben mit ihr über sexistische Geek-Klischees und die Macht von Seiten wie Tumblr gesprochen.

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Broadly: Das Team hinter der Serie besteht in Teilen aus Leuten aus der Gaming- oder Fanfiction-Szene. Wie kam es dazu, dass ihr beispielsweise mit Illustratorinnen zusammengearbeitet habt? Warum war euch das so wichtig?
Alexandra Schulz: Alle in unserem Team – Felix, Memo, Johanna, Christian, Till, ich, und all die anderen wunderbaren Menschen – haben Berührungspunkte mit den Themen, die in Girl Cave vorkommen: ein gewisses Außenseitertum, bei einigen auch das Aufwachsen in der Provinz und vor allem auch, dass man sich allein oder mit Freunden diesen Nerd-Kosmos schafft, der den Alltag etwas magischer macht.

Fanart ist so ein wichtiger Aspekt von Geektum, gerade auch in weiblich geprägten Nerd-Bereichen. Außerdem hat die Serie durch das Tagebuch der Mutter ohnehin schon einen visuellen Aspekt. Es hat etwas von Kladde, vom Sammeln von Fotos, Postkarten, Illustrationen. Da hat es hervorragend gepasst.

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Was ist deine Verbindung zum Thema? Inwiefern bist du mit Geek-Kultur aufgewachsen und welche Erfahrungen hast du damit gemacht?
Ich kann meine Teenagerzeit sauber in Phasen verschiedener Obsessionen einteilen: Bücher, Filme, Serien, Comics. Dazu hab ich alles gesammelt und meine eigenen Geschichten geschrieben. Das war Fandom, bevor ich das Wort überhaupt kannte. Und weil das noch in der Vor-Internet-Zeit war, haben wir alles analog gemacht. Ich hab damals mit meiner besten Freundin heimlich im Unterricht seitenlange Szenen mit verteilten Rollen geschrieben, wo wir Geheimagenten oder Renaissance-Fürsten waren.

Man wusste immer, auf welchem obsessiven Trip die andere gerade war und hat das dann geteilt. Ich würde tatsächlich sagen, dass mich mein Geektum nicht isoliert, sondern mir eher geholfen hat, meine Leute zu finden. Und für die Mädchen in Girl Cave ist es so ähnlich.

Was sind die Klischees zu Frauen und Geek-Kultur, die dich am meisten ärgern?
Die Vorstellung, dass Frauen bestimmten Hobbies und Interessen nachgehen, um Männer zu beeindrucken. Ich meine, wer hat schon Zeit für sowas? Man verbringt doch seine Freizeit mit Dingen, die einen wirklich begeistern, oder macht es gar nicht. Dass man Frauen grundsätzlich nur mit Themen wie Sex und Romantik kriegt – nicht, dass diese Themen langweilig wären, aber ich kenne genug Frauen, die Horrorspiele und Gangsterfilme mögen und gerade obligatorische Romantikelemente eher abstoßend finden. Dass Frauen sich oberflächlicher für Geek-Themen interessieren als Männer. Weibliche Geek-Kultur ist unendlich detailversessen und umfangreich.

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Comics, Videospiele und Fandoms im Allgemeinen finden zunehmend im Mainstream statt, gleichzeitig werden Geeks in vielen Filmen und Serien immer noch als Außenseiter dargestellt. Wie passt das zusammen?
Ich glaube, der Mainstream hat einfach so eine Art, immer etwas hinterher zu hinken. Außenseitertum durch Star Wars-Shirts und D&D-Würfel zu signalisieren, ist einfach so schön praktisch und bequem. Außerdem kommen, glaube ich, viele Macher und Autoren aus einer Generation, in der man für solche Interessen noch eher schräg angesehen wurde. Aber das hat sich, wie du schon sagtest, inzwischen verändert. Mainstream-Unterhaltung hat noch so seine Schwierigkeiten, diese antiquierten Ideen einzumotten.

Ist es durch Seiten wie Tumblr einfacher für junge Frauen geworden, sich mit "nerdigen" Themen zu beschäftigen oder Teil eines Fandoms zu werden?
Tumblr ist nur die neueste Variante davon, aber ja: Auf jeden Fall hilft das Internet auch gerade jungen Frauen dabei, sich zu vernetzen und Gleichgesinnte zu finden. Für mich war es damals im positiven Sinne Wahnsinn, als ich im Internet Fan-Foren und Fanfiction entdeckt und festgestellt habe, dass Tausende von Leute online dasselbe machen wie ich. Mittlerweile habe ich Fanfiction-Freundinnen aus aller Welt, mit denen ich mir schreibe.

Und du hast Frauen, die zusammen Podcasts zu Comics, Games oder Horrorfilmen machen, und die sich vielleicht sonst nicht kennen gelernt hätten. Kennst du diesen Spruch "There are no girls on the internet"? Für mich war das jahrelang "There are no boys on the internet", weil ich in Ecken rumhing, in denen sich einfach ganz natürlich Frauen und Mädchen zusammengefunden haben.

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Was sind für dich gute Beispiele für Serien oder Filme, die weibliche Jugend realistisch und divers abbilden?
Ich finde es schade, dass mir dazu leider wenige Beispiele einfallen. Das könnte aber auch an mir liegen, ich gucke vor allem Horrorfilme. Felix hat die Serie Veronica Mars vorgeschlagen und da würde ich mitgehen, so als Film Noir-Variante. Für mich hat Steven Universe eine Sensibilität, die ich sehr mag, auch wenn die Titelfigur kein Mädchen ist. Den Umgang mit Themen wie Pubertät, Freundschaft, und verschiedenen Arten von Liebe und Sexualität finde ich fantastisch. Ich fand auch das Videospiel Gone Home in der Hinsicht sehr gelungen.

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Wie waren die Reaktionen auf die Serie bisher? Was wünscht ihr euch, eurem Publikum mitzugeben?
Die Reaktionen waren bisher überwiegend positiv, was uns natürlich wahnsinnig freut. Was besonders schön war, war zu hören, dass Leute etwas von sich selbst in den Hauptfiguren wiederfinden können. Das wünschen wir uns natürlich. Für mich war es ein schönes Erlebnis, an einer Serie mitzuwirken, wo Mädchen alles sein dürfen: mutig, feige, peinlich, cool, selbstlos, selbstsüchtig, dumm, schlau. So, wie es halt eben wirklich ist.

Wir wollten eine Serie machen, die ihre traurigen Momente hat, aber auch Spaß macht, und etwas Positives über diese Mädchen und über das Leben sagt. Wenn die Resonanz weiterhin so bleibt, ist uns das hoffentlich gelungen.

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