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Scheiß auf Blumen: Das brauchen Mütter im 21. Jahrhundert wirklich

Pralinen schmecken einfach besser, wenn man Steuerklasse 3 und einen Kita-Platz hat. Wir haben mit der Bloggerin hinter #Muttertagswunsch über einen Feiertag gesprochen, der endlich politischer werden muss.
Foto: Gratisography | Pexels | CC0

Am 14. Mai ist Muttertag — und das zu vergessen ist eigentlich kaum möglich. Schon Wochen zuvor bombardiert uns die Werbeindustrie mit diversen Vorschlägen mit Dingen, die "unsere liebe Mutti" angeblich braucht: Eine teure Anti-Faltencreme. Pralinen in Herzchenform. Unmengen rosaroter Blumen.

Wer sich vollständig zurück in die Fünfzigerjahre versetzt fühlen will, kann wahlweise auch einen Blick auf eine aktuelle Ideensammlung eines großen deutschen Medienunternehmens werfen, wo uns vorgeschlagen wird, Mama doch einen "personalisierten Kochlöffel" zu schenken, der auch "optisch ein hübsches Accessoire für die Küche" sei. Sollten wir da nicht weiter sein?

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Die schrecklich veraltete Interpretation des Muttertags war auch Annette Loers, Bloggerin bei Mutterseelesonnig und alleinerziehende Mutter von zwei Kindern, ein Dorn im Auge. "So wie Muttertag und der Vatertag aktuell 'gefeiert' werden, zementieren sie die Geschlechterklischees, dass es einem schlecht werden könnte: Die Mütter werden auf die Familie und ihre Arbeit im Haushalt reduziert, die Väter auf Sauftouren unter Männern. Familie in Deutschland 2017, herzlichen Glückwunsch!"

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Als auf Twitter im letzten Jahr wieder einmal die Frage kursierte, was sich Frauen zum Muttertag wünschten, stellte sie deshalb instinktiv die Gegenfrage: "Von Schäuble, Schwesig oder von den Kindern?"

Zusammen mit ihrer Blogger-Kollegin Christine Finke und dem Interviewprojekt "Family Unplugged" stieß sie auf Twitter die Aktion #Muttertagswunsch an, in der sie Mütter dazu aufrief, ihre Forderungen an die Politik zu teilen. Mit Erfolg: Unter ihrem Hashtag reihten sich in kürzester Zeit tausende Tweets, in den Mütter teilten, was ihnen statt Schokolade, Blümchen (oder einem individuellen Kochlöffel) tatsächlich wichtig wäre.

Gleiche Bezahlung von Männern und Frauen zum Beispiel. Oder: Eine bessere Steuerklasse und die Abschaffung des Ehegattensplittings. Flexiblere Kinderbetreuungsoptionen, faire Bezahlung von Erzieherinnen, und die Ausweitung der Kinderkrankentage. Bezahlbaren Wohnraum, das Recht auf die Rückkehr in Vollzeit und die Anerkennung von Care-Arbeit. Haushaltshilfen für Alleinerziehende, Schulbücher, in denen auch Ein-Eltern-Familien vorkommen und Akzeptanz für Väter, die länger als zwei Monate daheim bleiben möchten. Eine zuverlässige Hebammenbegleitung während der Schwangerschaft. Den Kampf gegen die Rape Culture.

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Mit der Aktion schaffte es das Blogger-Team um Loers letztes Jahr schließlich sogar bis ins Familienministerium, wo sie die Twitter-Forderungen gesammelt weitergeben konnten. Viele dieser Forderungen konnten noch nicht umgesetzt werden. Immerhin folgte aber wenige Monate später die Ausweitung des Unterhaltsvorschusses für Alleinerziehende, merkt Loers an.

Auch deswegen ist es ihr wichtig, dass die Aktion dieses Jahr in die zweite Runde geht. "Wir wollen klar machen dass Familien keine Randgruppe sind und dass die Forderungen aus dem letzten Jahr kein heißer Wind, sonder konstanter Bedarf von Familien sind. Wir wollen mit dem Muttertagswunsch eine Lobby für Familien sein, wo jede Mutter und jeder Vater jedes Jahr seine und ihre Forderungen formulieren kann. Wir sind Familie, wir sind viele und wir sind laut!"

Zu tun gibt es genug. Schon jetzt reihen sich wieder hunderte Forderungen unter dem Hashtag. Pralinen in Herzchenform schmecken einfach besser, wenn man Steuerklasse 3 und zuverlässige Kinderbetreuungsoptionen hat.

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Titelfoto: Gratisography | Pexels | CC0;; Twitter-Screenshots: Schlumpfinchen, Ahhh…Nett!, Perlenmama, Capitainin