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Religion

Halal Vibrations: dieser muslimische Sexshop entspricht den Gesetzen der Scharia

In Großbritannien hat vor Kurzem der erste Online-Sexshop für Muslime eröffnet—mit Gleitmittel, Dildos und Häschenvibratoren.
Photo by Vera Lair via Stocksy

Wasserfeste Vibratoren, Vaginalkugeln und gelantinefreies Gleitgel ganz nach den Gesetzen der Scharia—in einem normalen Sexshop wirst du wahrscheinlich nicht alles davon finden. Aber in Großbritanniens erstem Online-Sexshop für Muslime Halal Adult Store schon.

Die Idee stammt von dem britischen Geschäftsmann Hamed Zeb, 30, aus Nottingham. In seinem Shop können Kunden zwischen 12 Produkten wählen, darunter ein Fingervibrator aus Silikon und ein G-Punkt Vibrator. Der einzige Haken? Alles muss dem islamischen Recht entsprechen, also erwartet kein Gleitmittel mit Speckgeschmack.

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„Ich glaube, dass muslimische Frauen normale Sexshops befremdlich finden", sagt Zeb. „Die Darstellungen von Nacktheit, die man insbesondere in den klassischen—aber auch in den neueren—Shops findet, können abschreckend auf sie wirken."

Er ist der Meinung, dass der „pornographische Fokus" von traditionellen britischen Sexshops muslimische Kunden, besonders Frauen, einschüchtern kann—das heißt Halal Adult Store möchte eine bisher unerschlossene Kundengruppe ansprechen. Der Shop bietet ein Einkaufserlebnis ohne Nacktheit und ohne explizite, nicht jugendfreie oder verräterische Extras. Somit könntest du dir dort in der Mittagspause, wenn du willst, mal eben einen Penisring kaufen.

Seit der Eröffnung im Dezember hatte der Shop bereits hunderte Kunden, die im Schnitt 50 Euro ausgaben. Zeb sagt, sein Klientel reicht von Pärchen, die gerade eine Talfahrt durchlaufen, bis hin zu frisch verheirateten Paaren.

Aber kann der Halal Adult Store auch mit Tabus brechen—oder wenigsten einen offenen Dialog anzustoßen—in einer Gemeinschaft, die, nach dem Bild von Außenstehenden, notorisch verschlossen gegenüber ihrem Sexleben wirkt? „Mein Shop könnte ein Eisbrecher sein. Es gibt nichts vergleichbares in Großbritannien", erklärt er mir. „Ich habe einige Produkte ausgewählt, die als Gesprächseinstieg dienen könnten. Wenn eine einzige Person positiv darüber spricht, reicht das schon."

Aber für viele muslimische Frauen, mit denen ich für diesen Beitrag gesprochen habe, vor allem für diejenigen, die einen Hidschab tragen so wie die 27-jährige Zubeda*, liegt das Problem, weshalb sie sich unwohl fühlen, nicht nur an den explizit gestalteten Shopfronten entlang der Hauptstraßen. Es liegt vor allem daran, dass sie sich nicht willkommen fühlen.

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„Ich habe schlichtweg das Gefühl, dass ich ihre Vorstellung von einer sexuell abenteuerlustigen Frau ‚störe'. Nur weil ich mich dezent kleide, bedeutet das nicht, dass ich keinen Sex haben will oder keinen Spaß daran habe."

Hamed Zeb, Inhaber des Halal Adult Store sagt, viele muslimische Frauen wären von normalen Sex-Shops eingeschüchtert. Foto: Lia & Fahad | Stocksy

Entgegen der häufig sehr eindimensionalen Darstellung in den Mainstreammedien, muslimische Frauen seien devot und unemanzipiert, ist es ebenso ungewöhnlich wie erfrischend zu hören, dass Frauen wie Zubeda ihre Sexualität ausleben. Im Koran (genauer gesagt in der Sura al-Baqara) wird das Recht der Frau auf sexuelle Befriedigung seit Langem hervorgehoben. In muslimischen Ländern ist es nicht unüblich, dass Frauen die Scheidung einreichen, weil ihre Männer sie nicht sexuell befriedigen können.

Trotzdem wäre eine Frau, die eine Burka trägt und in einem örtlichen Sexshop Butt-Plugs in den Händen hält, ein ungewöhnlicher Anblick. Der Halal Adult Store bietet neben diskreten Versandverpackungen auch einen sicheren, sogar unsichtbaren, Raum, in dem muslimische Frauen finden können, wonach sie suchen (hierzu muss noch erwähnt werden, dass sein Verkaufsschlager der Häschenvibrator ist)—kein Wunder also, dass Zebs Shop haufenweise Besucher hat. Zeb ist der festen Meinung, dass muslimische Frauen, genau wie Frauen aus allen anderen Religionen, „Spaß an Sex haben und experimentierfreudig sind. Mein Shop ermöglicht es den Frauen, all das auszuleben."

Ich frage Zeb, ob er auch alleinstehende muslimische Frauen in seinem Shop begrüßen würde, wo doch nach islamischer Tradition Intimität ausschließlich innerhalb der Ehe befürwortet wird und seine Produkte dazu gedacht sind, Ehen zu verlängern. „Als meine Website das erste Mal online ging, kamen sechzig Prozent aller Bestellungen von ihnen."

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Die Website von Halal Adult Store. Screenshot: website

Der Trend zu Sexshops mit Produkten, die halal sind, wird so schnell nicht abebben. In Ländern wie der Türkei gibt es zahlreiche Geschäfte dieser Art, sowohl online als auch offline. Unternehmer Haluk Murat Demirel hat 2013 den ersten Online-Sexshop in der Türkei eröffnet und sagte gegenüber dem britischen Sender BBC: „Ungeachtet dessen, was Außenstehende glauben, ist Sexualität ist ein ganz normales menschliches Bedürfnis im Islam."

Shelina Janmohamed, die Autorin von Love in a Headscarf, stimmt dem zu: „Die Tabus werden immer häufiger gebrochen. In den letzten Jahren konnten wir beobachten, dass viele junge Muslime versucht haben die Diskussion über Sexualität als etwas natürliches, gesundes und nichts, wofür man sich schämen muss, wiederaufzunehmen—insofern deren Ausübung innerhalb der Grenzen erlaubter Beziehungen stattfindet."

Indes hat der niederländische Muslim Abdelaziz Aouragh den weltgrößten Erotikhandel, El Asira gegründet, der in den ersten vier Tagen mehr als 70.000 Besucher anlockte, was die Seite kurzzeitig außer Betrieb setzte. Doch trotz seiner großen Auswahl an sinnlichen Kerzen und Cremes, wirkt der Shop im Allgemeinen doch zahmer als der von Zeb.

Wenn man Dingen einfach das Label ‚halal' verpasst, unterstützt das den Eindruck, Muslime wären anders als alle anderen. Warum brauchen sie ihren eigenen Sexshop?

Das bedeutet jedoch nicht, dass Zebs Shop von allen Muslimen positiv aufgenommen wurde. Während er behauptet, dass all seine Produkte nach islamischen Recht zulässig sind, waren viele muslimische Foren lange Zeit gespaltener Meinung darüber, ob Sexspielzeuge überhaupt jemals halal sein könnten.

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Die einen zitieren Passagen aus dem Koran, in denen es heißt, dass sexuelles Vergnügen nur vom Partner bereitet werden darf und die Verwendung von Sexspielzeug aus diesem Grund unzulässig ist. Andere sagen, wenn gelantinefreies Gleitgel, wie das von Zeb, das sexuelle Vergnügen lediglich unterstützt, anstatt es zu ersetzen, sollte man das nicht zelebrieren?

Einige Muslime und ehemalige Muslime teilen indes die Sorge darüber, dass dadurch die jetzt schon fragile Beziehung zwischen Muslimen und dem Rest der Bevölkerung weiter gespalten werden könnte.

Eiynah, ein pakistanischer Blogger und ehemaliger Muslim, sagte gegenüber Broadly: „Wenn man Dingen einfach das Label ‚halal' verpasst, unterstützt das den Eindruck, Muslime wären anders als alle anderen. Warum brauchen sie ihren eigenen Sexshop? In diesem gesellschaftlichen Klima, in dem manche Menschen Muslimen immer feindlicher gegenüberstehen, glaube ich nicht, dass es klug für Muslime ist, darauf zu beharren, dass sie sich vom Rest der Welt unterscheiden—sogar im Hinblick auf ihr Sexspielzeug."

Fozia*, ein 30 Jahre alter Muslim, stimmt dem zu: „Ich weiß nicht, warum man einen eigenen Sexshop für Muslime braucht. Viele muslimische Frauen kaufen doch schon in den bereits existierenden Online-Shops ein, um ihr Sexleben aufzupeppen."

Zeb selbst zeigt sich unbeeindruckt von der Kritik und hat hochgesteckte Ziele: „Es wird Zeit, dass sich etwas ändert (an den Ansichten der Menschen über Sex und Islam) und hoffentlich wird das das Jahr sein, in dem Muslime ihre Sexualität ausleben und sie nicht unter den Teppich kehren."

* Namen wurden geändert.