Halb Traum, halb Propaganda: Rosa Loy malt die Welt der Frauen
"Trost," 2009

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Kunst

Halb Traum, halb Propaganda: Rosa Loy malt die Welt der Frauen

Es gibt nur wenige Frauen in der Neuen Leipziger Schule, trotzdem ist Loys Malerei zu 100 Prozent weiblich. Wir haben mit der Künstlerin darüber gesprochen, wie sie die deutsche Geschichte in ihrer Malerei verarbeitet und warum sie vor allem Frauen...

Rosa Loy ist eine der wenigen Frauen der Neuen Leipziger Schule. Ihre künstlerischen Wurzeln liegen in der traditionellen, klassischen DDR-Malerei—einer Stilrichtung, die nach dem Fall der Mauer in die internationale Kunstszene aufgestiegen ist. Loys Werke erzählen Geschichten über den ehemaligen Osten sowie den Niedergang des Kommunismus und beschäftigen sich mit formalen Fragen der Strömung. Dennoch sind die Geschichten, die sie erzählt, anders: Loy erzählt die Geschichte von Frauen, die ihre Welt nach ihren eigenen Vorstellung formen.

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Ihre Bildsprache hat etwas märchenhaftes und erinnert gleichzeitig auch an kommunistische Propaganda. Ihre Figuren könnten genauso gut Jungfern aus romantischen Mythen oder Töchter des Kommunismus sein.

Diese Doppeldeutigkeit ist ein wichtiger Bestandteil der Wirkung der Bilder. Loys ausdrucksstarke, weibliche Traumwelten stecken voller sexueller Anspielungen und Arbeitersymbole und erinnern an die Theorien von Freud. Viele ihrer Werke zeigen weibliche Doppelgänger—Zwillinge oder Liebende—, deren mehrdeutige Beziehungen etwas erotisches haben. Oftmals halten die Frauen Garten- oder Erntewerkzeuge in den Händen, was ihr gemeinsames Bestreben, etwas zu schaffen, symbolisiert und die prinzipielle Abwesenheit von Männern unterstreicht. Bäume, Blumen und Wasser lassen Loys intime und surreale Gemälde wie Szenen aus einem Garten wirken und durchbrechen das übersteigerte Gefühl männlicher Überlegenheit, das von vielen männerdominierten Kunstströmungen aufgewertet wird.

Broadly: Was hat Sie zur Malerei gebracht?
Rosa Loy: Mein innerster Wunsch, Schönes zu schaffen. Der Prozess, meine Gedanken zu Farben und Formen werden zu lassen, beruhigt mich und verschafft mir ein Gefühl von Zufriedenheit.

Was fasziniert Sie an dem Motiv des Weiblichen?
Frauen sind wunderschön, stark, intelligent, mutig und sexy. Sie machen die Hälfte der Weltbevölkerung aus. Sie sind Mütter, Freundinnen, Liebhaberinnen, Töchter, Feinde und Großmütter. So viele Frauen es gibt, so viele Gründe gibt es auch, sie zu malen. Das Feminine, das Weibliche ist ein außergewöhnliches Enigma, das im letzten Jahrhundert nichtsdestotrotz stiefmütterlich behandelt wurde. Ich habe in meiner Position die Möglichkeit, das zu ändern.

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„Herzdame," 2015

Ihre Motive leben in traumähnlichen Szenen voller natürlicher Formen. Was ist das in Ihren Augen für eine Welt?
Ich habe eine ziemlich pantheistische Weltanschauung und mache mir diese zu Nutze. Die Natur, die Erde, die Pflanzen—all das stärkt, beruhigt und nährt mich. Mein Atelier ist voller Blumen. Wer kennt nicht das Gefühl, durch die Natur zu laufen und im Augenwinkel fremdartige Kreaturen zu erahnen? Ich gebe diesen Visionen nach.

Sie sind eine der wenigen Malerinnen der Neuen Leipziger Schule. Waren Sie sich damals bewusst, dass Sie Teil einer „Strömung" waren?
Die Neue Leipziger Schule ist vielmehr ein regionales Phänomen, als eine zusammenhängende Gruppe von Künstlern. Damals konnten wir nicht ahnen, dass es einen Begriff dafür geben würde und inwiefern man damit persönlich auf Leute Bezug nehmen würde. Am Anfang fanden meine Kollegen und ich es äußerst schwierig, aber seither haben wir uns sehr gut positioniert.

„Nonnenstübchen," 2014

Ihr Ehemann, Neo Rauch, ist einer der größten Künstler der deutschen Malerei. Beeinflussen Sie sich auch gegenseitig?
Wenn man über dreißig Jahre lang zusammen ist, sich ein Bett teilt und an einem Tisch isst, dann ist es logisch, dass man sich gegenseitig beeinflusst. Unser gemeinsames Leben kommt in unserer Arbeit in vielen unterschiedlichen Formen zum Ausdruck. In vielen Dingen unterscheiden wir uns sehr, in anderen hingegen stimmen wir vollkommen überein. Das verändert sich mit der Zeit und hält unsere Beziehung am Leben.

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„Süße Last," 2015

Arbeiten Sie anhand von Vorlagen—Fotos, Büchern o.ä.—oder rein aus Ihrer Vorstellung?
Im Laufe meines Lebens wurde ich immer stärker auf visuelle Einflüsse geprägt—was auch Sinn macht in Anbetracht dessen, was ich mache. Bilder brennen sich in mein Gedächtnis ein. Diese Eindrücke verwende ich dann wiederum—bewusst und unbewusst—in meinen Bildern. Oft fertige ich Skizzen an, bevor ich eine Idee auf der Leinwand verwirkliche. Fotos legen mir dagegen Fesseln an. Wenn ich ein Foto als Vorlage verwende, schließt das die Tür zu meiner eigenen Vorstellung und schränkt meine persönliche Inspiration ein. Aus diesem Grund spielt die Fotografie als Werkzeug nur eine untergeordnete Rolle bei meiner Arbeit. Ich ziehe mehr aus einer Zeichnung als aus hundert Fotografien.

„Korsage," 2012

Sie arbeiten mit Kaseinfarbe, einer traditionellen und dennoch selten verwendeten Farbe auf Wasserbasis. Was ist der besondere Reiz daran?
Kasein ist leicht transparent und sehr zart. Ich mische die Farben selbst an. Die Arbeit damit ist nicht einfach—die Farbe kann schnell brüchig werden—aber die Oberfläche erhält eine ganz besondere Qualität. Ich liebe vor allem den alchemistischen Aspekt daran.

Welche Rolle spielt die Geschichte, insbesondere die deutsche Geschichte in Ihrer Arbeit?
Ich bin in Mitteldeutschland geboren und aufgewachsen und habe mein Leben hier sehr bewusst erlebt. Es gibt vier Jahreszeiten, ein spezielles Licht, besondere Gerüche und eine einzigartige Landschaft. Meine Heimat ist kulturell betrachtet ein sehr fruchtbarer Boden, was mich immer wieder überrascht und freut. Die Leute in Sachsen sind offene, direkte und erfinderische Menschen und haben eine lebendige Kultur. Viele große Künstler stammen von hier. Es ist meine Heimat.

„Buch," 2015

Was für Geschichten wollen Sie mit ihren Bildern erzählen? Haben Sie eine bestimmte Geschichte im Kopf, während Sie an einem Werk arbeiten?
Natürlich gibt es für jedes Gemälde einen bestimmten Anlass, sei es das Zusammenspiel der Farben, ein bestimmtes Erlebnis oder die Idee für eine Bildkomposition. Aber in der Regel steht am Anfang eines Werkes eine visuelle und emotionale Aussage. Ich bin unentwegt von Geschichten umgeben, die sich irgendwann ihren Weg in meine Werke bahnen, sich darin verbinden und verändern. Ich habe immer wieder den Eindruck, dass die Leinwand selbst eine eigene Vorstellung von dem Gemälde entwickelt und ich nur ein Werkzeug bin, um es zu verwirklichen. Ich bin immer sehr berührt, wenn mir Menschen meine Bilder erklären und mir ihre eigenen Geschichten dazu erzählen. Das ist großartig. Mission erfüllt.

„Mutmaßung," 2013

Was war für Ihr Leben als Künstlerin besonders wichtig?
Ich bin meiner Mutter sehr dankbar. Sie hat meine Liebe zur Kunst bestärkt und gefördert. Der Entschluss, nach fünf Jahren Arbeit als Grafikdesignerin an der Kunsthochschule zu studieren, war ein wichtiger Moment in meinem Leben. Ich kam aus einer ganz anderen Richtung. Die Entscheidung war nicht leicht, aber es fühlte sich richtig an, etwas neues anzufangen. Alles andere hat sich aneinandergereiht wie Perlen auf einer Schnur. Mit jeder neuen Perle musste ich eine Entscheidung fällen: Sollte ich sie aufreihen oder nicht? Nach einigen Perlen musste ich suchen, andere sind mir einfach zugefallen. Ich bin nach wie vor auf der Suche nach solchen Perlen.