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Film

Der erste Snapchat-Horrofilm zeigt, dass die junge Generation am Arsch ist

„Sickhouse“ ist mehr als eine Hommage an die guten alten Found-Footage-Filme oder eine moderne Variante von „Blair Witch Project“. Wir haben mit Regisseurin Hannah Macpherson gesprochen.
Photo via Facebook

Gibt es so viele Horrorfilme über Teenager, weil es so gruselig ist, ein Teenager zu sein oder weil Teenager selbst echte Monster sind? In Sickhouse ist beides der Fall. Der weltweit allererste Snapchat-Film ist ein lauter, hektischer und extrem merkwürdiger Horrorfilm, dessen Schockeffekte der unheimlich hohen Teenager-Präsenz sowie einem Geisterhaus zu verdanken sind. Wenn du den Film nicht verstehst, bist du vielleicht—genau wie ich—einfach nur zu alt, so wie manche Menschen damals auch zu alt waren, um sich die laufenden Nasen der Schüler in The Blair Witch Project anzusehen.

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Das Drehbuch stammt aus der Feder von Hannah Macpherson, einer preisgekrönten Filmemacherin aus New Mexico, die gleichzeitig auch Regie geführt hat. Ein wahrer Geniestreich von Sickhouse war darüber hinaus auch, dass sie die Social-Media-Berühmtheit Andrea Russett (oder „andwizzle" wie sie sich auf Snapchat nennt) für die Hauptrolle gecastet haben. Russett folgen mehr als 3 Millionen Menschen.

Was als Mutprobe beginnt—ein Ausflug zu einem Geisterhaus im Wald, der wie „in Echt" fünf Tage lang über den Snapchat-Account der Hauptdarstellerin übertragen wurde—, entwickelt sich jedoch bald zu einer finsteren Angelegenheit. Und weil sie nicht aufhören können, sich selbst mit ihren iPhones zu filmen, tun sie es auch nicht. „Du hast kein Handy?", hört man irgendwann einen der Darsteller kreischen, so als wäre das das Gruseligste an dem ganzen Film. „Das ist echt total verrückt."

Broadly hat mit der Drehbuchautorin und Regisseurin Macpherson über Internetsucht gesprochen, weshalb Hollywood gerne 35-jährige als Teenager castet und warum junge Erwachsene dumm genug sind, um in den Keller eines Spukhauses zu gehen.

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Broadly: Sickhouse wirkt, als wäre der Film die logische Weiterentwicklung von früheren Found-Footage-Filmen wie The Blair Witch Project—als Handkameras noch das „moderne" Medium waren. War es deine Idee, den Film über Snapchat zu drehen?
Hannah Macpherson: Indigenous Media—eine Firma, die sich auf sehr innovative, neu aufkommende Erzähltechniken konzentriert—rief mich an und sagte: „Wir wollen den allerersten Snapchat-Film machen und wir glauben, dass du die Richtige dafür wärst"—womit sie mir mehr oder weniger bestätigt haben, dass ich eine 16-Jährige im Körper einer 30-Jährigen bin und regelmäßig Leute dieser Altersgruppe auf Twitter und Snapchat stalke. Ich meinte zu ihnen, dass ich schon genau wüsste, wie das Ganze aussehen könnte: Es sollte das Blair Witch für die Generation Z werden. Was witzig ist, weil die ganzen 16- und 17-jährigen, die ich gefragt habe, sagten, dass sie Blair Witch noch nie gesehen haben! Sie haben zum Teil noch nicht einmal davon gehört!

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Foto: Sickhouse | Facebook

Da bekomme ich das Gefühl … unglaublich alt zu sein.
Ich weiß! Ich war 17, als ich damals im Kino war und mich ernsthaft gefragt habe, ob das eine Doku ist. Ich fand die Vorstellung spannend, dass es eine sein könnte. Mittlerweile leben wir in einer Zeit, in der es unglaublich schwierig geworden ist, anderen eine Geschichte glaubhaft zu verkaufen, weil die Leute durch das Fernsehen und all die Filme total abgebrüht geworden sind. Also mussten wir uns an ein ahnungsloseres Publikum aus Millionen von Zuschauern heranpirschen, denen wir noch eine Gruselgeschichte erzählen konnten. Außerdem ist es eine große Hommage an Blair Witch. Es ist mehr oder weniger ein Remake des Films über Snapchat—mit subtilen Botschaft für Social-Media-Narzissten.

Und es ist mindestens genauso gruselig. Ich weiß jedoch nicht, ob es daran liegt, dass ich alt werde—ich habe noch nicht mal ein Smartphone—, aber ich fand es ziemlich schwierig, dem Ganzen zu folgen: die hingekritzelten Texte, die zehnsekündigen Schnitte und das gesamte Tempo des Films waren ziemlich stressig.
Nein, nein! Ich bin ein großer Fan von Horrorfilmen und sie sind meistens ziemlich formelhaft. Es kommt, wie ich finde, vor allem auf die Umgebung und die Hintergrundgeschichte eines Horrorfilms an. Entsprechend habe ich für meine aktuelle Adaption Teenager in sozialen Medien gewählt. Im Großen und Ganzen geht es bei fast allem, woran ich gerade arbeite, darum darzustellen, wie Smartphones die jüngere Generation verderben. Im Drehbuch habe ich Themen wie [Cybermobbing und Smartphone-Sucht] angesprochen—also selbst wenn die Szene improvisiert wurde, war das immer noch mit drin. Andrea hat es ziemlich gut ausgedrückt: „Snapchat ist kein Dokumentarfilm, das ist nur Kram." Ich persönlich finde, gruseliger geht es kaum: Sie geben ihre Privatsphäre bereitwillig auf.

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Es wirkt glaubhafter, wenn ein Teenager in einen dunklen Keller geht. Bei einem 45-jährigen Buchhalter wäre das nicht so.

Was an diesem Film, wie ich finde, wirklich gut funktioniert, ist, dass Snapchat die klassischen Fragen, die man sich bei Found-Footage-Filmen sonst stellt, überflüssig macht. Fragen wie: „Warum filmen sie immer noch?" Man sieht diese Teenies und denkt sich: „Natürlich filmen sie das. Ihr iPhone ist quasi die Verlängerung ihres Arms."
Ich hoffe natürlich, dass das funktioniert. Trotzdem glaube ich, dass man seinen Realitätssinn einen Moment lang beiseite lassen muss—aber in diesem Fall glaube ich, selbst wenn sie wirklich in Gefahr sind, wirkt es noch immer glaubhaft, weil man sich bei einer App wie Snapchat eine Art Community aufbaut, mit der die Teenager allein in ihren Zimmern sitzen können und trotzdem das Gefühl haben, von ihren Freunden umgeben zu sein. Wenn sie etwas mit ihren Followern teilen, haben sie auch weniger Angst.

Bei den alten Handkamerafilmen haben sie irgendwann immer gesagt: „Wenn jemand dieses Video findet …" Bei Snapchat geht man ja aber schon davon aus, dass jemand zusieht. Was auch toll ist, ist, dass sie wirklich alle aussehen wie echte Teenager. Sie sehen aus wie die Kinder, mit denen man zur Schule gegangen ist.
Ja, und sie sehen aus, als würden sie wirklich campen gehen und hätten keine Zeit, sich die Haare zu machen oder zu schminken. Das war das Tolle an dem Projekt. Außerdem ist es den Leuten zu Hause mehr oder minder direkt in den Schoß gefallen, weil sie es sich mit dem Handy ansehen konnten. Sie sollten ja nicht wissen, dass wir die Finger im Spiel hatten, damit es am Ende auch authentisch wirkt. Ich wollte, dass sie alle wie ganz reale Menschen aussehen, denn das, worüber ich sprechen wollte, sind ja auch ganz reale Probleme. Es gibt viele Situationen in den sozialen Medien, wie Sexting oder das Posten von Nacktbildern, die nicht beängstigend wirken, wenn es Leute tun, die aussehen, als wären sie 35. Aber wenn du 14 bist, dann ist das ziemlich beängstigend.

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Warum glaubst du, dass so viele Horrorfilme von Teenagern handeln? Liegt es daran, dass es gruselig ist, ein Teenager zu sein oder sind Teenager selbst gruselig?
Ich glaube, als Teenager nimmt man Gefahren weniger wahr. Deswegen wirkt es glaubhafter, wenn ein Teenager in einen dunklen Keller geht. Bei einem 45-jährigen Buchhalter wäre das nicht so. Gleichzeitig ist es aber—in gewisser Weise—auch ein Monsterfilm und das Monster steckt in jedem von ihnen. Wenn du ein Teenager bist und dir aussuchen kannst, wie du dich selbst darstellst—was heutzutage auch Plattformen wie Snapchat miteinschließt—, wer willst du dann sein? Bist du gruselig oder sexy oder wunderschön? Es ist ein Monster bei ihnen im Haus, aber tatsächlich geht es um all die anderen Monster in ihnen.

Sickhouse ist über Vimeo und BitTorrent verfügbar.