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Tiere

Ich habe meinen Hund auf eine Clean-Eating-Diät gesetzt

Ich habe Zusatzstoffe und verarbeitetes Fleisch zwei Wochen lang vom Speiseplan meines Hundes gestrichen, um herauszufinden, ob an dem Ernährungstrend für Hunde tatsächlich etwas dran ist.
Alle Fotos: Alice Zoo

Es wird immer schwieriger, die Hundefutterabteilung vom restlichen Supermarktangebot zu unterscheiden. Es wirkt fast so, als gäbe es jede Woche eine andere Haustierfuttermarke, die umgestaltet und mit Schlagworten aus dem Jargon menschlicher Ernährungsgewohnheiten ausschraffiert wird: bio, getreidefrei oder glutenfrei.

Seit Kurzem gehen die Hundefutterhersteller aber sogar noch einen Schritt weiter und springen mit ihren Produkten auf den Wellnesszug auf. Vor ein paar Wochen hatte ich schließlich den „Clean-Eating-Guide" für Hunde in meinem Postfach. Das war ganz klar ein Zeichen, dass der Trend längst außer Kontrolle geraten war—schließlich sind Hunde doch von Natur aus schmutzig.

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Wellness wurde zu einem inflationär gebrauchten Begriff, der unsere kollektive Besessenheit mit gesunder Ernährung in einem einzigen Wort zusammenfasst. Der NutriBullet wurde infolgedessen zu einem der beliebtesten Geräte auf der Wunschliste von Hochzeitspaaren und der Umsatz mit glutenfreien Produkten stieg 2014 um 30 Millionen Euro auf 260 Millionen Euro.

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Mein dreijähriger Dackel Dexter hat das Glück, gegen den Wellnesswahn immun zu sein, weil ihm die Daumen fehlen, um durch Instagram zu scrollen und seine Ohren noch nicht einmal zucken, wenn er die Worte „Roggenbrot mit Avocado" hört. Das macht ihn gleichzeitig auch zur idealen Versuchsperson, um zu testen, ob Clean Eating für Hunde mehr ist als ein faules Versprechen.

Folgendes ist passiert, nachdem ich den zweiwöchigen Vorrat an 100 Prozent natürlichem Futter von Forthglade und das zugehörige Clean-Eating-Handbuch zugeschickt bekommen und Dexters künstliche Lieblingsleckerlis vorsorglich sorgfältig weggesperrt habe.

Tag 1

7:30 Uhr
Ich lese mir das Handbuch durch, während ich im Bett liege und Dexter friedlich an meiner Seite schlummert. Im Grunde lautet das Versprechen, dass mein Hund durch seine neue Diät „glücklicher und gesünder" werden wird—mithilfe einer Kombination aus „naturreinen", ausgewogenen Mahlzeiten und einer verbesserten Einstellung zum Essen, welche durch „positive Assoziationen und gutes Verhalten während der Essenszeiten" erzielt wird. Seinem Hund gute Manieren beizubringen und gesund zu ernähren, klingt für mich aber bisher mehr nach dem Grundwissen für Haustierhalter als nach einem verbesserten Lebensstil.

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8:00 Uhr
Ich wecke Dexter und wir machen uns gemeinsam auf den Weg in die Küche zu seiner ersten Mahlzeit. Ich entscheide mich für Lamm mit braunem Reis und Gemüse. Das Ganze erinnert sehr an eine Pastete und sieht irgendwie ölig aus—das ist dann wohl das Lachsöl. Sämtliche Mahlzeiten enthalten „wertvolle Proteine, gesundes Gemüse und die wichtigsten Vitamine und Mineralien." Eigentlich unterscheidet sich das Ganze aber nicht groß von der Zusammensetzung des Hundefutters, das ich sonst immer nehme.

Der Hundeverhaltensforscher Nick Jones hat mir gesagt, dass ich Dexter am Besten an die Clean-Eating-Diät gewöhne, indem ich das neue Futter langsam unter seine gewohnten Mahlzeiten mische. Ich gebe zunächst einen Löffel voll zu seinem normalen Trockenfutter.

Dexter schnüffelt misstrauisch daran, frisst ein paar Bröckchen von seinem Trockenfutter und dudelt wieder zurück ins Bett, um ein Nickerchen zu machen. Er war schon immer ziemlich heikel beim Essen.

11:00 Uhr
Dexter hat schon jetzt mit seiner Diät gebrochen. Auf dem Heimweg wurde er bei der erstbesten Gelegenheit von seiner Schwäche für Streetfood (ein weggeworfener Hühnerknochen) übermannt—trotz meiner Aufforderungen, ihn fallen zu lassen. Das bestätigt mich in einem meiner grundsätzlichen Bedenken: Dackel sind eben keine eifrigen Diät-Enthusiasten, sondern doch nur niedliche, kleine Maschinen auf vier kümmerlichen Beinen.

21:30 Uhr
Dexter schleicht sich davon, um den Rest von seinem Futter zu fressen. Ich sehe nach, wie viel noch in der Schüssel ist und stelle fest, dass noch einiges von dem neuen Nassfutter übrig ist. Sieht aus, als würde es schwieriger als ich dachte, ihn von dem Clean-Eating-Konzept zu überzeugen.

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Tag 3

7:00 Uhr
Ich stehe in der Küche und fülle Dexters Futter in die Schüssel, während er mich gespannt beäugt. Ich habe angefangen, immer mehr von Dexters altem Futter durch das neue „naturreine" Futter zu ersetzen. Er nimmt wieder nur ein paar Bissen, bevor er sich wieder vom Acker macht.

11:00 Uhr
Ich frage Jones, mit welchen Ergebnissen ich rechnen kann, wenn ich Dexter auf Diät setze. „Eine natürliche Ernährung macht Hunde entspannter und weniger ängstlich. Es kann sie außerdem auch aufnahmefähiger für grundlegende und fortgeschrittenere Kommandos machen." Ich bin dennoch skeptisch, was den Einfluss der Diät auf Dexters Stresslevel betrifft, weil er sowieso schon drei Viertel des Tages mit Schlafen verbringt.

Tag 5

13:00 Uhr
Es regnet ziemlich heftig und Dexter ist unruhig, weil wir nur eine kleine Runde gelaufen sind. Normalerweise würde ich ihm etwas Rohhaut geben, damit er darauf herumkauen kann, aber weil ich gesehen habe, dass sie mit „bösem" künstlichem Rindfleischgeschmack überzogen ist, ist Rohhaut auch gestrichen. Stattdessen beschließe ich, ihm ein paar „vollwertige" Haferkekse zu backen—wie von dem Clean-Eating-Regime empfohlen.

Während ich das Rezept auf meinem Bildschirm geöffnet habe, google ich „Clean Eating für Hunde." Das erste Suchergebnis führt mich auf eine Wellnessseite für hausgemachte Hundeleckerlis. „Fido möchte sich auch clean ernähren. Mach deine eigenen gesunden Hundeleckerlis und hör auf, deinem besten Freund Chemikalien und Konservierungsmittel zu füttern", steht da.

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Ernsthaft? Ich bin mir ziemlich sicher, dass mein Hund nur eines mehr möchte als sich clean zu ernähren und zwar an Halloween als Hot Dog verkleidet zu werden. Das Ganze macht nur noch einmal allzu deutlich, wie die Haustierindustrie das Schlagwort Wellness nutzt, um ihr Futter zu vermarkten.

15:00 Uhr
„Leckerlis!", rufe ich und Dexter kommt angerannt. Ich teste das Versprechen der Clean-Eating-Diät und möchte wissen, ob Dexter tatsächlich aufmerksamer für Kommandos geworden ist.

Als er ins Zimmer kommt, zeige ich ihm die Belohnung und halte den Keks im Austausch gegen einen Handschlag hoch. Er gehorcht halbherzig, aber als ich ihm die Belohnung gebe, leckt er nur ein paar Mal daran, bevor er wieder zurück ins Wohnzimmer trottet, um seinem eigenen Schwanz hinterher zu jagen. Zum Glück habe ich mir nicht die Mühe gemacht, in einen Spiralschäler für Hunde zu investieren.

Tag 7

8:00 Uhr
Nach einer Woche habe ich noch keine sichtbare Veränderung bei Dexter bemerkt. Heute steht seine erste volle Mahlzeit mit dem neuen Futter an. Ich peppe das Ganze mit einem neuen Geschmack auf: getreidefrei mit Entengeschmack. Dexter schläft wie immer aus.

8:30 Uhr
Dexter kommt nach unten und verputzt die Hälfte seines neuen Futters. Während er frisst, recherchiere ich ein bisschen nach getreidefreier Ernährung für Hunde.

Wie sich herausstellt, vertragen die meisten Hunde Weizen und andere Getreidearten sehr gut. Dagegen führen die Füllstoffe, die in billigem Futter verwendet werden, zu vertrackten Verdauungsaktiviäten. Es ist denkbar, dass die Marken, die diesen Satz groß auf ihrer Verpackung stehen haben, dank der Popularität von Paleo und der Dämonisierung von Getreide ordentlich Kasse machen.

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Das lässt mich auch über glutenfreies Hundefutter nachdenken. Ich finde heraus, dass Gluten-induzierte Enteropathie—wie Zöliakie in der Hundwelt heißt—ziemlich selten ist, aber bei bestimmten Rassen wie bei Irish Settern häufiger vorkommt.

Scheinbar handelt es sich bei glutenfreiem Hundefutter aber auch nur um ein raffiniertes Vermarktungsmittel für Wellnessfans, denn in Wirklichkeit gibt es nur eine sehr kleine Gruppe von Tieren, die unter einer schlechten Verdauung leidet. Außerdem würde man merken, wenn der eigene Hund unter Gluten-induzierter Enteropathie leidet: Eines der Hauptsymptome ist nämlich andauernde leichte Durchfall.

Tag 8

10:00 Uhr
Dexter macht sein Häufchen, sobald wir aus dem Haus gehen und es sieht ziemlich gesund aus: dunkle Farbe und fester als sonst. Das ist die positivste Begleiterscheinung, die ich durch die Diät bisher bemerkt habe. Außerdem habe ich noch nie zuvor so genau einen Hundehaufen betrachtet.

19:00 Uhr
Ich gehe mit einem Freund beim Italiener essen. Dexter bettelt, aber ich ignoriere ihn. Nachdem ich aufgegessen habe, lasse ich ihn auf meinem Schoß sitzen. Er streckt seine Zunge direkt nach dem Teller und den Resten der salzigen, köstlichen Carbonara-Sauce aus.

Wenn ich diese ganze Clean-Eating-Sache etwas ernster nehmen würde, könnte ich mich leicht auch in die Diät meines Hundes und seine Versuche, damit zu brechen und so viel Menschenessen wie möglich in seinen kleinen, niedlichen Hals zu stopfen, hineinsteigern, aber wie jeder Haustierbesitzer weiß, können Hunde die Ängste ihres Herrchens spüren—also bleibe ich relativ zuversichtlich, während Dexter alles versucht, um an meine Essensreste heranzukommen.

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Tag 10

8:00 Uhr
In den vergangen Tagen habe ich versucht, mit Hilfe der Handbuchs ein paar verbesserte Tischmanieren einzuführen, indem ich Dexter seine Mahlzeiten nur in begrenzten Zeitfenstern anbiete. Das führt aber nicht dazu, dass Dexter gespannter auf sein Futter wartet—also lasse ich das Ganze doch lieber sein und lasse seinen Napf stehen. Mein Hund war noch nie der Folgsamste, aber ich schätze seine renitente Natur—das macht auch seinen Charme aus. Niemand will in die glasigen Augen seines Haustiers sehen und darin das hündische Äquivalent eines seelenlosen Wellnessvloggers wiedererkennen.

15:00 Uhr
Dexter legt wieder einmal einen Cheat Day ein. Wir fahren zum Supermarkt und während ich ihm den Rücken zugedreht habe, plündert er den Kofferraum und findet eine Verpackung von KFC. Ich drehe mich zu den Schmatzgeräuschen um und konfisziere seine Beute. Nachdem er für sein Ungehorsam zur Rede gestellt wurde, ist seine Laune im Keller.

Natürlich ist Fastfood nichts für Hunde, aber ich belohne mich selbst gerne damit. Ich habe keine Angst vor ungesundem Essen und das würde ich auch nicht auf meinen Hund projizieren wollen. Die Diät verbietet Leckerlis eigentlich überhaupt nicht—solange sie gesund sind—, aber über sämtliche Dinge, die Zusatzstoffe enthalten, wird generell abwertend gesprochen. Die Clean-Eating-Diät spricht von „ekelhaften Sachen." Ich sage immer: Alles in Maßen.

Tag 14

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20:00 Uhr
Die letzte Mahlzeit. Anschließend bekommt Dexter zur Feier des Tages einen riesigen Knochen. Er rastet total aus.

Das strenge Diät-Regiment gehört der Vergangenheit an und Dexter hat sich erfolgreich—wenn auch etwas wiederwillig—all die köstlichen Geschmacksverstärker und die künstliche Rinderbrühe abgewöhnt. Hat uns der Clean-Eating-Lifestyle für Hunde aber wirklich überzeugt?

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Zugegeben, Dexters Atem und seine Darmtätigkeit haben sich verbessert, aber was genau ist Hundewellness, wenn nicht ein ausgebuffter Marketingtrick?

Die Gleichstellung von Hundefutter mit menschlichen Ernährungstrends steht generell im Widerspruch zur Wirklichkeit von Haustierhaltern. Hunde entdecken die Welt mit ihrem Maul und ihrer Nase—egal ob die Sparangebote von KFC oder irgendetwas anders—und dabei werden sie nunmal auch schmutzig.

Und manchmal stinken ihre Ausscheidungen eben auch.