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Essen

Ich habe versucht, ein 4-Gänge-Menü aus Rosé-Wein zu kochen

Ich wollte herausfinden, ob ich theoretisch nur von Wein leben könnte. Das Ergebnis: Es ist möglich, aber nicht besonders ratsam.
All photos by Steph Wilson

Was bedeutet es, ein erfülltes Leben zu führen? Aristoteles war der Meinung, dass ein erfülltes Leben—Zufriedenheit—allein von uns selbst abhängt. Viele von uns hingegen würden ein erfülltes Leben wahrscheinlich mit einem strahlenden Sommertag vergleichen—vorzugsweise in einer italienischen Villa, obwohl es zur Not auch der warme Fleck auf dem winzigen Balkon deiner Wohnung tut—, an dem du so viel Alkohol in dich reinschütten darfst, wie dein Magen verträgt. Stilvoll, natürlich. Und was ist stilvoller, erfrischender und süffiger als Rosé-Wein?

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Rosé wird traditionsgemäß als Wein für Muttis abgetan, tatsächlich scheint sich Rose aber mittlerweile zu einem echten Trend-Getränk gemausert zu haben. Im Versuch, dem rosanen Gottessaft eine noch größere Rolle in meinem Leben einzuräumen, beschloss ich, einer für mich elementar wichtigen Frage auf den Grund zu gehen: Wäre es möglich, sich komplett (oder zumindest so zu 80 Prozent) von Rosé zu ernähren?

Glücklicherweise mangelt es weder auf Instagram noch auf Pinterest an Rezepten mit dem blassrosa Wein (tatsächlich hat Pinterest Blassrosa zu einer der Farben der Jahres 2016 erklärt). Die Schwierigkeit bestand vielmehr darin, ein Rezept zu finden, bei dem der Wein nicht in einen Cupcake eingebacken wird, denn wie jeder weiß, ist das die Cheater-Variante von Fusionsküche (man kann schließlich so ziemlich alles unter einen Cupcake mischen).

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Glücklicherweise ist das Jahr 2016 das Jahr des Frosé, auch bekannt unter dem prosaischen Namen „Wein-Slushie", was anscheinend „DER neue Sommerdrink 2016" ist oder—wenn man es noch etwas religiöser formulieren möchte—der „Gott des Sommers." Was natürlich die Frage aufwirft, wer der Gott des Winters ist: Portwein? Whiskey? Jesus?

Mich hat überzeugt, dass man Frosé noch nicht einmal kochen muss. Alles, was ich dafür tun musste, war eine Flasche Rosé auf ein Backblech zu kippen und es für ein paar Stunden in den Gefrierschrank zu packen. Wenn ich gewusst hätte, dass es so einfach ist, meine Süchte auf Eis zu legen, hätte ich das schon viel früher gemacht!

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Frosé dekoriert mit roter Lebensmittelfarbe. Alle Fotos: Steph Wilson

Natürlich kann eine Frau nicht allein von Rosé leben. Ich erwartete Freunde zum Abendessen und die würden erwartungsgemäß ziemlich hungrig sein. Nachdem ich das Internet eine Weile lang durchforstet habe, bin ich auf eine Vorspeise gestoßen, die mit Käse und Alkohol die beste Lebensmittelkombination überhaupt enthielt. Genau: Rosé-Fondue.

Also habe ich fast ein halbes Kilo Gruyere und Cheddar in einen großen Topf mit blubberndem Rosé gerieben. Das Ganze fühlte sich irgendwie falsch an—als würde man eine Dose Red Bull in einen dampfenden Topf voll Bouillabaise schütten—, aber wie hätte ich dem Cookipedia schon widersprechen können? Die Seite empfiehlt auch, das Fondue auf ein Stück Baguette zu schaufeln und es im Paninigrill zu toasten, aber ich bin doch kein Barbar. Ich fühlte mich auch so schon schlecht genug für das, was ich der französischen Küche angetan hatte, nachdem sich die Mischung aus Wein und Käse in eine blasse, klumpig gelbe Masse verwandelt hatte.

Die Schwierigkeit beim Hauptgang bestand zunächst darin, überhaupt irgendein Rezept zu finden. Zwar scheint Rosé in Cupcakes und Alkopops durchaus zu überzeugen, aber um den Hauptgang aufzumotzen, wird er eher seltener verwendet. Das kulinarische Gerücht, man könne ausschließlich mit Rot- oder Weißwein kochen, scheint ziemlich verbreitet zu sein. Schließlich stieß ich dann aber doch auf „Hühnchen à la rosé", ein Rezeptvorschlag von Tesco–einer britischen Supermarktkette, die ich persönlich vor allem mit gastronomischen Errungenschaften, Sklavenarbeit in Thailand und Kartonwein in Verbindung bringe.

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Soweit ich das beurteilen kann, ist Kochen ein riesiger Schwindel. Wenn man irgendwo hochtrabende Worte wie „die Pfanne ablöschen" ließt, dann heißt das eigentlich nur so viel wie: „Schütte ein alkoholisches Getränk deiner Wahl in einen heißen Topf und kratze anschließend mit einem entsprechenden Küchengerät hysterisch am Boden herum, bis sich all die angebrannten Stückchen in köstliche, BBQ-artige krebserregende Flocken auflösen." Nachdem ich also die Zwiebeln angedünstet und das Hühnchen von beiden Seiten angebraten habe, habe ich das Ganze kurzerhand mit Rosé abgelöscht, die Sauce anschließend über das Fleisch geschüttet und es in den Ofen gestellt, damit es in seinem eigenen süßen, süßen Saft schmoren konnte.

So einfach ging das also? Der Rosé—den ich parallel bereits aus der Flasche trank—hatte irgendetwas in mir tief berührt: Ich fühlte mich plötzlich wie Jamie Oliver und wurde etwas größenwahnsinnig.

Nein, dachte ich mir. Ich sollte noch ein Amuse-Geule vorbereiten … und ein Dessert … und vielleicht sogar noch ein Topping für das Dessert aus Rosé, wie Rosé auf Rosé—ein Mise en abyme von Rosé.

Ich fühlte mich triumphal. Scheiß auf das 16-Gänge-Menü im Noma mit dänischen Wildbeeren, Rentierhoden und frisch gesammeltem Moos—ich würde in Kürze ein mehrgängiges Menü servieren, das aus einer einzigen Kiste Rosé mit einem Löwen auf der Verpackung bestand!

Als nächstes: Rosé-Suppe. Das Rezept habe ich von einer Website namens „Große britische Köche"—es musste also gut sein. Sie haben sogar versucht, die grundlegende Roséhaftigkeit zu verschleiern, indem sie es „Kirschsuppe" genannt haben, aber uns ist doch allen klar, dass nichts, was mit einem halben Liter Rosé aufgegossen wurde, noch irgendetwas mit einer verdammten Kirschsuppe zu tun hat. Ich habe den Rosé, entkernte Kirschen, etwas Vanille, Zimt und braunen Zucker in einen Topf gegeben und das Ganze kochen lassen. Ich habe sogar ein bisschen Mehl hinzugegeben, so wie es die „großen britischen Köche" empfohlen haben—ohne erkennbaren Effekt, aber hey, ich habe einfach improvisiert. Während ich das heiße, burgunderfarbene Mischmasch aus gekochten Kirschen in meinem Mixer pürierte, musste ich lächeln und dachte mir: Genau darum geht es doch beim Kochen.

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Zum Nachtisch? Rosé-Eiscreme mit einem Topping aus Rosé-Gummibärchen. Hierbei bin ich aber tatsächlich an meine Grenzen gestoßen. Die Rosé-Eiscreme war noch ziemlich einfach zu machen—einfach Schlagsahne, Rosé und etwas Zucker in einer Tupperbox einfrieren—, doch dann habe ich festgestellt, dass ich keine Gummibärchenform habe, die ich eigentlich für die Rosé-Bonbons gebraucht hätte. Ich musste also wieder ein bisschen improvisieren und habe die heiße Mischung aus Rosé und Gelantine kurzerhand in eine alte Silikoneiswürfelform von IKEA gegeben. Dann hätten meine Gummibärchen eben die Form kleiner Äpfel—was soll's?

Anschließend habe ich ein paar Kerzen angezündet und meinen bereitwilligen Opfern Gang um Gang serviert. Kleiner Scherz. Ich habe natürlich alles auf den Tisch gestellt, damit sich jeder wie an einem Buffet bedienen konnte. Jeder, der der Meinung ist, dass Buffets nicht der Höhepunkt des gastronomischen Fortschritts sind, dazu verdammt werden sollte, sich den Rest seines Lebens von Soylent zu ernähren.

„Die sind ziemlich stark", meinte meine Kollegin Siri, während sie an ihrem Frosé-Slushie nippte, den meine Fotografin Steph zuvor noch mit roter Lebensmittelfarbe „dekoriert" hat. Er schmeckte tatsächlich sehr viel stärker als gedacht, dadurch aber auch nicht zwingend besser.

Das Fondue floss in Strömen aus Käse und während ich versuchte, heimlich die Klumpen mit einem Stück Brot herauszufischen, taten die anderen netterweise so, als würden sie es gar nicht merken. Niemand konnte sagen, ob der würzige Nachgeschmack nun vom Rosé oder von den ungeheuren Mengen Käse stammte, die ich rein gehobelt habe. Letztendlich bleibt geschmolzener Käse aber geschmolzener Käse und ich bin sicher, dass man im Grunde auch eine ganze Flasche Vodka in ein Fondue kippen könnte und es würde immer noch annehmbar schmecken.

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Kommen wir nun aber zu meinem Amuse-Geule-Experiment, durch das mir die Grenzen meiner Rosé-Kochkünste bewusst wurden. Absolut niemand hatte so richtig Bock, eine warme Suppe aus Rosé trinken—selbst dann nicht, wenn sie mit ein paar weihnachtlichen Gewürzen aufgepeppt wurde.

„Schmeckt wie Glühwein", sagte Sirin großzügig. „Ich denke, das liegt am Zimt."

Das Hühnchen roch, als wäre es in sehr mildem Rotwein geschmort worden. „Schmeckt wie Hühnchen in einer hühnchenartigen Sauce mit karamellisierten Zwiebeln", lautet Sirins Urteil. „Kein Hauch von Wein—einfach nur köstliches Hühnchen."

Gerechterweise muss man sagen, dass der Großteil vom Rosé vermutlich im Ofen verdampft ist, aber ich habe noch ein weiteres Ass im Ärmel. Hier kommt der Rosé-Höhepunkt des Abends: das Dessert.

Ich reichte Steph eine Schüssel von dem Dessert. „Oh", meinte sie und zog ein Gesicht. „Oh. Schmeckt wie … etwas." Sie griff nach dem Rosé-Gummibärchen, das ich kurz zuvor aus seinem eisigen Gefängnis befreit hatte. Sie steckte es sich in den Mund, sah aber augenblicklich so aus, als würde sie es bereuen. „Das ist ziemlich gummiartig", meinte sie. Testweise ließ sie eines auf den Boden fallen und wirkte enttäuscht, nachdem sie feststellen musste, dass es nicht besonders hoch gesprungen ist (eigentlich ist es nur auf die Seite gekippt, nachdem es gelandet war).

„Ich bin sowieso ziemlich satt", meinte Sirin. „Ich habe so viel Käse gegessen."

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Ich nahm einen Löffel von der Eiscreme, die nach absolut nichts schmeckte—bis auf den satten alkoholischen Nachgeschmack, der einem im Hals stecken blieb.

Am Ende des Abends hatten wir auf verschiedenen Wegen vier Flaschen Rosé intus. Von einigen Gängen war mehr übrig geblieben als von anderen: Die Rosé-Suppe, die ich mit ein wenig Crème fraîche verfeinern wollte, blieb weitestgehend unberührt. Ich konnte sie noch nicht einmal für später einfrieren—wer weiß, zu was die Crème fraîche in der Zwischenzeit mutieren würde? Kann Rosé schimmeln?

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„Was willst du damit machen?", fragte Steph und schlug kurz darauf vor, es einfach in die Toilette zu schütten („Das mache ich immer so mit Essensresten, damit sie nicht den Abfluss der Spüle verstopfen!").

Ich konnte nicht sagen, ob das Rosé-Blasphemie war oder nicht, aber nachdem ich mich von Sirin und Steph verabschiedet hatte, verspürte ich eine leichte Übelkeit in der Magengegend und einen diffusen, dumpfen Kopfschmerz. Eine Kombination, die sich etwas später in zahlreiche mit Rosé und Käse getränkte Albträume verwandelte.

Ich weiß, dass es objektiv betrachtet, eine schreckliche Lebensmittelverschwendung war—wer mit einer asiatischen Mutter aufgewachsen ist, die einem immer sagt, dass jedes ungegessene Reiskorn auf deinem Teller einen weiteren zystischen Aknepickel zur Folge haben wird, dann verstehst du, worauf ich hinaus möchte—, aber ich wollte meinem Körper auf keinen Fall noch mehr Rosé zumuten. Hätte man mich in diesem Moment aufgeschnitten, hätte ich pinken und weißen Zinfadel ausgeblutet.

„Die Lektion des Abends ist: Obwohl man alles, was man isst, mit Rosé kochen kann, heißt das nicht, dass man es tun sollte", sagte ich mir selbst in einem traurigen Eingeständnis, während ich die Rosé-Suppe in die Spüle schüttete.

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