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Gender

Die Hälfte aller Männer findet, dass Sexismus kein Problem mehr ist

Eine neue Studie des Pew Research Centers hat festgestellt, dass Männer und Frauen nicht ganz einer Meinung sind, wenn es um Sexismus und Chancengleichheit im Beruf geht.
Image by Simone Becchetti via Stocksy

Laut einer neuen Studie des US-amerikanischen Pew Research Centers ist ein großer Teil der Männer der Meinung, dass die Schwierigkeiten und Hindernisse, mit denen Frauen einst konfrontiert waren, wenn sie „vorwärtskommen" wollten, „weitgehend verschwunden" sind. 63 Prozent der Frauen—also der Teil der Bevölkerung, auf den sich die Studie konzentriert— sind dagegen der Ansicht, dass Sexismus nach wie vor existiert und auch ziemlich lebhaft ist. Diese Meinung teilten nur 41 Prozent der Männer.

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Die Forscher haben für ihre Untersuchung 4.602 Erwachsene aus den USA befragt, die zufällig ausgewählt wurden. 53 Prozent der Befragten sagten, dass es „noch immer Hindernisse gibt, die es Frauen im Vergleich zu Männern deutlich schwerer machen vorwärtszukommen." Gleichzeitig sagten 45 Prozent, dass „die Schwierigkeiten, die es Frauen im Vergleich zu Männern einst schwerer gemacht haben voranzukommen, mittlerweile weitestgehend verschwunden sind."

Über das Geschlechterverhältnis hinaus hat die Studie auch nach der politischen Zugehörigkeit der Teilnehmer gefragt. 75 Prozent der Männer, die sich selbst den Republikanern zugehörig fühlten, waren der Meinung, dass Frauen heutzutage nichts mehr im Weg steht. Dem stimmten 30 Prozent der männlichen Demokraten zu. Gleichzeitig dachten nur 48 Prozent der republikanischen Frauen, dass Sexismus noch immer existiert. Wie konservativ die jeweilige Person ist, bestimmt also auch, wie sensibilisiert sie für solche Themen ist.

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Dass es Männern schwer fällt zu erkennen, dass es noch immer Hindernisse für die Gleichstellung der Geschlechter gibt, die vor allem Frauen betreffen, liegt mitunter daran, dass sie zu beschäftigt damit sind, ebendiese zu hegen und zu pflegen, sagt Theresa Vescio, Professorin für Psychologie an der Pennsylvania State University, deren Arbeiten sich mit den Geschlechterverhältnissen im Berufsleben beschäftigen. Männer empfinden Frauen gegenüber ein „aufrichtiges Gefühl von Wohlwollen", erklärt sie. In vielen Fällen beeinträchtigt das aber ihre Fähigkeit zu erkennen, wenn es zu Ungerechtigkeiten kommt.

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„Durch meine Untersuchungen wird deutlich, dass Männer oftmals unterbewusst sexistisch sind. Das stellt so eine Art beschönigten Sexismus dar", sagt Vescio gegenüber Broadly. Beispielsweise tendieren viele Männer dazu, Frauen exzessiv mit Lob zu überschütten, verweigern ihnen aber zugleich die Chancen auf Beförderung oder eine bessere Bezahlung, die ihre männlichen Kollegen in derselben Position bekommen.

„Aus Sicht eines Mannes", sagt sie, „ist es schwer zu erkennen, dass beschönigter Sexismus—wie zum Beispiel bevormundendes oder gönnerhaftes Verhalten—genauso sexistisch ist und Frauen genauso benachteiligt, weil das Lob nur auf Wohlwollen begründet ist." Sie sagt, dass es „Männern durch dieses Denken noch schwerer fällt zu erkennen, dass Frauen weniger verdienen und seltener in hochrangigen Positionen tätig sind als ihre männlichen Kollegen, die vergleichbar leistungsstark sind."

Durch meine Untersuchungen wird deutlich, dass Männer oftmals unterbewusst sexistisch sind.

Das bedeutet aber nicht, dass Frauen als ungeeignet für Führungspositionen in der Wirtschaft oder in der Politik betrachtet werden. Eine weitere Studie des Pew Research Centers, die bereits im Jahr 2015 erschienen ist, hat festgestellt, dass die meisten Menschen der Ansicht sind, dass Frauen genauso kompetent sind wie ihre männlichen Kollegen und in einigen Fällen sogar noch erfolgreicher sind als sie. Genauer gesagt, glauben vier von zehn Amerikanern, dass Frauen nicht in Führungspositionen sitzen, weil sie „aufgrund des Doppelstandards versuchen, die Karriereleiter in der Politik oder in der Wirtschaft hochzuklettern, um sich selbst gegenüber ihren männlichen Kollegen zu beweisen."

Leider reicht es aber nicht aus, dass Frauen sexistisches Verhalten kritisieren. Tatsächlich werden sie, wenn sie das tun, oft als „Nörgler" oder „Quengler" abgestempelt, so Vescio. Doch um Frauen dieselben sozialen und ökonomischen Chancen einzuräumen wie Männern, müssen die Grenzen zwischen den Geschlechtern, mit denen Frauen noch immer zu kämpfen haben, sichtbarer gemacht werden.

„Wenn wir die Hindernisse, denen Frauen nach wie vor gegenüberstehen, erkennbar machen können, ist das ein erster wichtiger Schritt, um Ungerechtigkeiten in Zukunft komplett zu beseitigen", sagt Vescio. „Wenn Männer anfangen würden, die Doppelstandards zu erkennen und sehen könnten, dass Männer und Frauen unterschiedlich behandelt werden … dann besäßen wir großes Potenzial, um etwas zu verändern."


Foto: FAndrey | Flickr | CC BY 2.0