Bei diesen Rezepten hat auch das Schwein mal Schwein

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Bei diesen Rezepten hat auch das Schwein mal Schwein

„Herr Ober, der Braten ist echt lecker! Kann ich das Schwein mal streicheln?" Ja, OK, der Witz ist scheiße. Doch vielleicht ist es bald keiner mehr! Denn Fleisch kommt jetzt schon aus dem Labor. Zu dieser neuesten kulinarischen Entwicklung hat der...

Koert van Mensvoort ist der Auffassung, dass wir Fleisch auch von noch lebenden Schweinen essen können sollten. Denn nur so kämen wir in den Genuss, „es auch mal zu treffen und in den Arm zu nehmen."

Als Mark Post im August letzten Jahres der Welt den ersten im Labor gezüchteten Hamburger vorstellte, hat sich van Mensvoort, Künstler und Philosoph aus Amsterdam, gefragt: Was zum Teufel haben wir mit unserem Fleisch gemacht? Und in welche Richtung bewegt sich unsere Ernährung?

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Gestricktes Fleisch. Fotos mit freundlicher Zustimmung von The In Vitro Meat Cookbook.

Mit Unterstützung seiner Next Nature Foundation hat van Mensvoort untersucht, wie die Zukunft von Laborfleisch aus gesellschaftlicher, ethischer und designorientierter Perspektive aussehen könnte. Jetzt, wo auch noch Fleisch aus der Petrischale gentechnisch veränderten Organismen, Aquakulturen und Konservierungsstoffen bei unserer zeitgenössischen, wissenschaftlich geprägten Ernährung Gesellschaft leistet, hat sich Van Mensvoort gefragt, welche Form der Essenskultur uns die Lebensmittelindustrie in der Zukunft anheimstellen könnte. Das Ergebnis dieser Überlegungen ist das The In Vitro Meat Cookbook, ein attraktiv gestaltetes Hardcover mit Interviews, Essays sowie 45 ganz und gar unkochbaren Rezepten.

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In-vitro-Austern.

Obwohl, unkochbar aus jetziger Perspektive. Denn vielleicht werden zukünftige Generationen ihre Gäste auf Dinner-Partys genau mit solchen regenbogenfarbenen „Zauber-Hackbällchen" und „gestrickten Steaks" umhauen.

Das Kochbuch soll genau ein Jahr nach Posts Erstkreation seines Labor-Burgers erscheinen. Aus diesem Grund haben wir uns schnell mit van Mensvoort in Kontakt gesetzt, um von ihm zu erfahren, was genau ihn dazu gebracht hat, das wohl verstörendste Kochbuch zu schreiben, das neugierige Gäste in deinem Angeber-Bücherschrank finden können.

MUNCHIES: Wie und wann kamst du auf die Idee, deine Botschaft in Form eines Kochbuchs zu präsentieren? Koert van Mensvoort: Als mir klar wurde, dass Menschen Kochbücher oft verschenken. Wenn du es ausgepackt hast, nimmst du dir natürlich stets vor, all diese köstlichen Rezepte nachzukochen … was du letztendlich aber meistens nie machst. Aber Kochbücher sind viel mehr als nur pragmatische Zubereitungshandbücher: Sie sind ein Kulturgut. Als ich das verstand, hielt ich es für eine gute Idee, ein Kochbuch zu schreiben, das zwar aus Rezepten besteht, die du noch gar nicht kochen kannst, die aber genau dadurch einen kulturellen Ausblick auf In-vitro-Fleisch bieten können.

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Zauber-Hackbällchen.

Und warum hast du dich auf Fleisch fokussiert, und nicht etwa auf Gemüse oder andere Speisen? Natürlich bleibt es einem jeden selbst überlassen, ob er lieber Fleisch, Gemüse oder Insekten essen will. Aber zu Gemüse und Insekten gibt es schon eine Menge Kochbücher. Ein Kochbuch zu Fleisch aus dem Reagenzglas gab es noch nicht.

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Dodo-Nuggets.

Ein „Rezept", das besonders hervorstach, umfasste ein Gerät zum Extrahieren von menschlicher DNA, das uns ermöglicht, uns selbst zu essen. Ich glaube, die meisten Leute sind von der Idee des Kannibalismus gleichermaßen fasziniert wie angewidert. Das Interessante daran, die In-vitro-Methode zur Züchtung körpereigener Zellen zu verwenden, ist die Tatsache, dass wir dadurch unsere atavistischen Kannibalismus-Impulse in etwas komplett anderes überführen können, das dann auch eine Neuinterpretation erfordert. Aber wäre das wirklich etwas Schlechtes? Oder handelt es sich nicht vielmehr um eine poetische Form des Transzendierens von einem uralten Stammesritual?

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Rustikal-in-vitro.

Warum tun sich viele Leute mit Fleisch aus dem Labor so schwer? Die meisten Einwände richten sich wohl gegen die Tatsache, dass es „unnatürlich" sei, Fleisch zu züchten. Doch was ist mit der Käseproduktion oder der Bierherstellung? Auch das sind schließlich technologische Prozesse.

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Laborperlen.

Welches der Konzepte in deinem Kochbuch würdest du in Zukunft gerne mal umgesetzt sehen? Ich finde die In-vitro-Auslegung von Fleischerei äußerst interessant—als ein Ort also, an dem Fleisch buchstäblich produziert wird, in Anlehnung an konzeptuell verwandte Begriffe mit demselben Suffix (-erei), wie Bäckerei oder Brauerei. Auch das Rezept vom „Schwein im Garten"—das es uns erlauben würde, Wurst von einem Schwein zu essen, das noch lebt und das du sogar streicheln kannst—klingt verlockend. Und dann wäre da noch das „Fleisch-Sushi", das äußerst rein und zart schmecken würde, da es unter besonders kontrollierten Laborbedingungen gezüchtet werden kann. Es könnte am Ende sogar besser schmecken als das Original, was deswegen interessant wäre, weil so die künstliche Sushi-Version an Authentizität gewinnen würde.

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Danke, Koert. Ich hoffe, eines Tages in den Genuss von deinem Fleisch-Sushi zu kommen.

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Transparentes Sashimi.

Transparentes Sashimi-Fleisch Auszug aus The In Vitro Meat Cookbook

Da es über keine Blutgefäße, Nerven oder Organe verfügt, kann In-vitro-Fleisch so produziert werden, dass es fast gänzlich transparent ist. Bei durchsichtigem Sashimi wird dieselbe physische Struktur nachgeahmt, die etwa Glasfrösche wie Glas aussehen lassen. So entsteht fast unsichtbares Fleisch mit einem reinen, köstlichen Geschmack.

_Angebaut in dünnen Schichten sowie unter total sterilen Bedingungen wird transparentes Sashimi aus extrem zartem Thunfischfleisch gezüchtet. Es ist nicht nur fettiger und leckerer als echter Thunfisch, sondern könnte auch der Überfischung dieser bedrohten Art Einhalt gebieten. Den _transparenten_ Thunfisch kannst du in Scheiben wie auf einer traditionellen Fugu-Sashimi-Platte anrichten. Oder du gibst dem Ganzen eine echt europäische Note, indem du auf dem Teller—mithilfe von Meeresfrüchten—ein altes Kirchenfenster aus Buntglas anrichtest._

400gr Rundkornreis 60ml Weißweinessig 60ml Reisessig 50gr Zucker 2 Esslöffel Salz transparentes Thunfisch-Sashimi

1. Den Reis gründlich waschen und abtropfen lassen. In einem Reiskocher garen, oder gemäß Verpackungsanleitung kochen.

2. Die beiden Essigsorten, Zucker und Salz in einem kleinen Kochtopf mischen. Bei mittlerer Hitze erwärmen, bis sich der Zucker auflöst.

3. Den Reis in eine große Schüssel geben. Den Reis mit der Hälfte der gewürzten Essigmischung beträufeln. Mit einem Pfannenheber oder flachen Holzlöffel den Essig in den Reis einarbeiten, ohne den Reis dabei zu zerdrücken. Während des Einarbeitens des Essigs den Reis durch Luftzufuhr abkühlen. Mehr Essig nach Belieben.

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4. Deine Hände mit sauberem Wasser anfeuchten. Aus einem Reisball einen kleinen Haufen formen. Diesen auf das transparente Sashimi geben und zusammenrollen. Für das restliche Sashimi die vorherigen Schritte wiederholen. Mit Soja-Sauce und Wasabi servieren.

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Auszug aus

Schwein im Garten The In Vitro Meat Cookbook

„Schwein im Garten" erinnert daran, dass Fleisch traditionell von lebenden Tieren kommt, also genauso wie im Fall von Stammzellen für In-vitro-Fleisch. Gemeinden, die sich damit brüsten, auf eine regionale und nachhaltige Fleischproduktion zu setzen, könnten ihr Schwein in einem gemeinschaftlichen Garten halten. Doch anstatt ihr Schwein zu schlachten, täte die Nachbarschaft vielleicht besser daran, es lieber als lebendes Reservoir für Stammzellen zu nutzen, aus denen dann Fleisch gezüchtet werden kann. Ein Tierarzt betäubt das Schwein, um die Stammzellen zu extrahieren. Aus ihnen kann im Anschluss in einem Bioreaktor Schweinefleisch gezüchtet werden. Das Schwein selbst könnte zu einem beliebten Botschafter der Gemeinde werden. Nachbarn würden bei ihm Station machen, um ihrem Gönner-Schwein zum Dank mal ordentlich durch die Borste zu fahren oder ihm ein paar leckere Küchenabfälle vorbeizubringen.

1 Braten Schwein im Garten, rund 100kg schwer 2,5kg grobes Salz 75 Bananenblätter

1. Eine Grube ausheben, in die der Braten reinpasst. Die Grube mit Hartholz auslegen. Das Holz mit großen, flachen Flusssteinen bedecken. Einen ganzen Kanister Flüssiganzünder durch die Öffnungen zwischen den Steinen gießen und anzünden. Das Feuer für zwei Stunden brennen lassen.

2. Den Braten großzügig salzen. Mehrere Jute-Säcke in Wasser tauchen.

3. Die Steine auf dem Grubenboden gleichmäßig ausbreiten. Die Steine mit der Hälfte der Bananenblätter bedecken. Den Braten auf die Bananenblätter stellen. Den Braten mit den restlichen Bananenblättern komplett abdecken. Die Blätter mit den nassen Jute-Säcken beschweren. Dafür sorgen, dass nirgendwo Dampf entweichen kann. Eine Abdeckplane über die Grube legen und diese mit Erde beschweren.

4. Den Braten für 12 bis 16 Stunden brutzeln lassen. Danach den Braten freilegen und vorsichtig die Bananenblätter entfernen. Das Fleisch mit Zangen abziehen.