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Mein Leben als homosexueller Gefängnishäftling

Eigentlich hätte ich Spott und Häme eher von anderen Insassen erwartet, aber die Schikane der Aufseher ist tatsächlich viel schlimmer.
Illustration: Dola Sun

„Hey Schlampe!", rief er mir hinterher und lachte dann zusammen mit seinem Kollegen. „Was denn? Du weiß doch selbst, dass du eine Schlampe bist!"

Ich hielt inne und drehte mich zu den beiden Justizvollzugsbeamten, die auf mich zeigten. Ich lächelte und winkte ihnen zu. Anschließend ging ich weiter in den Speisesaal.

Mit solchen Anfeindungen von Seiten der Mitarbeiter des Michigan Department of Corrections muss ich mich ständig auseinandersetzen. Eigentlich hätte ich ein solches Verhalten eher von den anderen Häftlingen erwartet, aber die Schikane der Aufseher ist eigentlich viel schlimmer.

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Früher wäre ich bei so etwas wohl noch richtig wütend geworden, aber genau diese Reaktion wollen sie ja provozieren. Wutausbrüche lassen meine Chance auf eine vorzeitige Entlassung nämlich in weite Ferne rücken.

Als ich damals noch in einer Zweibett-Zelle untergebracht war, wurde ein junges Gang-Mitglied zu mir in die Zelle gesteckt. Als er reinkam, erzählte er mir, dass die Wachen Folgendes zu ihm gesagt hätten: „Dein Zellengenosse ist ein richtiger Freak und für alles offen!" Sie hatten ihn dazu noch vor den anderen Insassen ausgelacht.

Also meinte er zu mir: „Ich lass mich garantiert nicht zu einer Schwuchtel stecken. Du verlangst besser, in eine andere Zelle ziehen zu dürfen, oder ich hau dir richtig auf die Fresse."

Als sich die Türen wieder öffneten, ging ich direkt zu einem Justizvollzugsbeamten und erzählte ihm, was mein Zellengenosse gesagt hatte—den Teil mit der Gewaltandrohung ließ ich dabei natürlich weg, denn sonst wäre ich direkt als Verräter dagestanden. Und als Verräter will man nicht gebrandmarkt werden, denn dafür zerschneiden einem andere Häftlinge mithilfe einer Rasierklinge das Gesicht, sodass man ein Leben lang gezeichnet ist und das Gefängnisumfeld gleich weiß, wie wenig vertrauenswürdig man ist.

Der Justizvollzugsbeamte wies mich jedoch direkt an, wieder in meine Zelle zurückzukehren.

Ich dachte mir, dass ich dieser Anweisung besser nicht folgen sollte. Also weigerte ich mich, bekam eine Verwarnung* ausgestellt und wurde in Einzelhaft gesteckt. Dort verbrachte ich dann die darauffolgenden acht Tage und wartete auf meine Anhörung. Da ich ich den Beamten nicht vermitteln konnte, dass man mich bedroht hatte, wurde die Anweisung der Wache als gültig und gerechtfertigt eingestuft. Man schob mir die Schuld in die Schuhe und brummte mir weitere zehn Tage Einzelhaft auf.

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Für homosexuelle Häftlinge ist das quasi Alltag. Wenn wir aus unserer Zelle gemobbt werden, müssen wir—und nicht die Tyrannen—die Konsequenzen in Form von Verwarnungen und anderen Bestrafungen tragen. Die Botschaft dabei lautet: Wenn dein Zellengenosse größer und stärker ist als du oder einer Gang angehört, dann können sie dich raustreiben und kommen damit ungeschoren davon.

Wenn die Wachmännern uns Probleme bereiten, dann sollen wir vom Beschwerdesystem Gebrauch machen. Ich habe nun schon des Öfteren Beschwerde gegen Justizvollzugsbeamte eingereicht, die mir „Schwuchtel" (oder ähnliche herabwertende Bezeichnungen) hinterhergerufen haben. Das Ergebnis ist jedoch immer gleich: Die Verwaltung gibt an, dass der betreffende Justizvollzugsbeamte meine Vorwürfe vehement bestreitet. Und diese Lügen der Wachen werden automatisch als die Wahrheit angesehen—so hat mir ein Bereichsleiter beim Einreichen meiner Beschwerde auch schon mal die folgende rhetorische Frage gestellt: „Du trägst doch die Häftlingsklamotten, warum sollte ich dir also glauben?"

Und ein anderer Wachmann meinte mal zu mir: „Deine Beschwerde gegen mich bringt einen Scheißdreck. Ich hab hier schon gearbeitet, als du noch keine Schwänze in den Arsch gesteckt bekommen hast."

Ich weiß also, dass ich in solchen Fällen keine Chance habe. Das ist für mich allerdings in Ordnung. Ich weiß ja, dass ich eines Tages frei sein werde und meine Träume wieder verfolgen kann, während die Justizvollzugsbeamten weiterhin in diesem hasserfüllten Ort feststecken und einen Job erledigen müssen, der ihnen nicht gefällt. Das hier ist deren Welt, nicht meine.

Ich bin hier nur zu Besuch.

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*Dem Michigan Department of Corrections zufolge wurde der Häftling Yost in Bezug auf sittenwidriges Verhalten einem anderen Insassen gegenüber sowie Verweigerung einer direkten Anweisung für schuldig befunden.

Bei Corbett Yost handelt es sich um einen 30-jährigen Insassen der Oaks Correctional Facility im US-Bundesstaat Michigan. Er verbüßt dort eine Haftstrafe von 15 Jahren, zu der er wegen eines 2012 durchgeführten, unbewaffneten Raubüberfalls verurteilt wurde.