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Schönheit

Weiß um jeden Preis: wie Frauen mit Cremes und Facekinis um hellere Haut kämpfen

Mehrere Milliarden Euro werden mit legalen Hautbleichmitteln im Jahr umgesetzt—vor allem in Japan und China. Wir haben uns den Kult ums Weiß sein genauer angeguckt.
Alle Fotos: Natalie Mayroth

Was ist schön? Auf diese Frage antwortet die chinesische Beauty-Bloggerin Xu Ji in einem YouTube-Video mit „Weiße Haut". Blaue Augen und blondes Haar ergänzt sie. „Ich bin Asiatin, deshalb werde ich nie so aussehen", ist ihr Fazit. Was Ji hier beschreibt, ist ein gängiges Schönheitsklischee in China. Die Drogeriegeschäfte und kleinen Spätshops sind voll mit Tuben, die weiße Haut versprechen. Der vermeintlich edlen Blässe eifern Millionen Frauen in Asien von Thailand bis China nach. Blässe wirkt weiblicher. Das liegt daran, dass der Teint von Frauen im Schnitt 15 Prozent heller ist als der von Männern. Und von der Weiblichkeit wird sich Attraktivität versprochen.

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Der Jahresumsatz an legalen Hautbleichmitteln lag 2013 bereits bei umgerechnet rund 10 Milliarden Euro und soll bis 2018 auf 17 Milliarden heranwachsen. Aus Japan gelangte die Sehnsucht nach heller Haut nach Korea und China. Auch heute stammen viele der Produkte, die sich „Ture White", „Reine Blanche" oder „White Washing Cream" nennen und die Haut „transparent wie Schnee machen" sollen aus den Nachbarländern. Auch wenn sie teuer sind, gerade japanische und koreanische Markenprodukte sind begehrt. Sie eignen sich besonders für die asiatische Haut, wurde mir gesagt.

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Weiß-Sein wird um jeden Preis betrieben—vom 130er-Lichtschutzfaktor-Sonnenschutz zu Pillen, die Bleichpalette ist bunt, die zu Schönheit, zu makellos weißer Haut verhelfen soll. Aber nicht nur das: Es gibt allerlei merkwürdiger Kleidungskreationen, um den Körper vor der UVB-Strahlung zu schützen, der die Melaninbildung anregt und uns dunkler werden lässt. Das muss man als Ausländer erst einmal verstehen, denn unser europäischer Weißheitswahn liegt schon mehrere Jahrhunderte zurück. Hell zu sein, bedeutete im Gegensatz zur armen Landbevölkerung nicht körperlich im Freien arbeiten zu müssen.

Mit Mia, einer Freundin aus Peking probiere ich eines der Hautaufheller-Produkte. In ihrer Sammlung befinden sich die „Clear Turn White"-Maske, „White Advance"-Pillen, „White Plus"- und „Whitening Day Protection"-Gesichtscreme. Wir entscheiden uns für die Maske und legen sie auf. Das labbrige Gewebe mit ausgeschnittenen Mund- und Augenpartien riecht sehr künstlich. „Ich glaube auch nicht, dass es gesund ist. Es riecht zumindest nicht so", sagt Mia.

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Die ersten Tage siehst du einfach nur tot aus. Nur Leichen können so weiß sein.

Ich bin etwas verwundert darüber, dass sie so viele Cremes, Weiß-Handschuhe und sogar Tabletten besitzt, die weißer machen sollen. „Die habe ich von meinen Freundinnen geschenkt bekommen, als ich nach einer längeren Reise aus Indien zurückkam", sagt sie. „Ich war wohl dunkler als sonst und sie haben sich Sorgen um mich gemacht." Und da kommt sie wieder, die Sorge davor, aus dem gesellschaftlichen Rahmen zu fallen und etwa auf dem Heiratsmarkt schlechtere Chancen zu haben, doch Mia ist relaxed. Ein, zwei Mal hat sie die Beauty-Produkte ihren Freundinnen zuliebe benutzt. Sie wollte sie nicht enttäuschen, wie sie sagt, auch wenn sie nicht nachvollziehen kann, wie man dafür so viel Geld und Zeit ausgeben kann und dann noch stundenlang Gespräche darüber führt, welche Creme wohl besser ist. Ein Tiegel Weiß-Creme kostet im Schnitt zwischen 20 und 120 Euro—je nach Marke—,doch desto teurer, umso beliebter sind sie. Die Masken hingehen gibt es für umgerechnet ein paar Euro im Supermarkt oder in der Drogerie.

Die Autorin (links) und Mia mit den Gesichtsmasken | Alle Fotos: Natalie Mayroth

Gesund sind sie nicht unbedingt, was die Ergebnisse der Testplattform OKOer zeigen, die Broadly schriftlich vorliegen. Von acht getesteten Aufhellercremes sind nur zwei darunter, die kaum Mängel aufweisen. Fünf dagegen bekommen das Urteil mangelhaft, denn es wurde zum Beispiel der hautalternde Stoff Formaldehyd gefunden, der unter anderem zum Gerben von Leder verwendet wird. Ebenfalls gefunden wurden Allergieauslöser oder bedenkliche Parabene, die im Verdacht stehen, das Hormonsystem des Menschen zu beeinflussen, da dieser Konservierungsstoff dem Sexualhormon Östrogen sehr ähnlich ist.

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„Creme ist Creme für mich", sagt Mia. Manchmal benutze sie die Produkte, die sie geschenkt bekommen hat, noch—weil es schade wäre, sie wegzuwerfen. Doch die Tabletten hat sie bisher nicht probiert. Sie liegen in ihrem Schränkchen neben Deo, Make-up und Waschgel. Viele von Mias Freundinnen investieren viel in aufhellende Cremes—von Tages- über Nacht- zu Make-up-Versionen. Eine Bekannte von ihr legt dreimal die Woche eine dieser Masken auf. „In China, Japan und Korea wollen junge Frauen weiße Körper haben. Deshalb gibt es auch hautaufhellende Injektionen", erzählt sie. „Ziel ist, wie die Filmstars auszusehen—egal, ob weiblich oder männlich—alle sind weiß. Mich persönlich interessiert das nicht". Sie geht in die Sonne und wird dann eben ein bisschen braun. Auf Sonnencreme verzichtet sie allerdings nicht, sonst würden ihre Tattoos zu schnell verblassen.

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Einige von Mias Schauspielkolleginnen lassen sich regelmäßig bleichen. Sie erhoffen sich dadurch bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Doch das Ganze halte nur ein halbes Jahr. „Die ersten Tage siehst du einfach nur tot aus. Nur Leichen können so weiß sein. Nach zwei Tagen siehst du dann wieder mehr wie ein menschliches Wesen aus. Doch wir haben eine gelbliche Haut, so weiß zu sein sieht merkwürdig aus", findet Mia.

Dennoch ist „Bai Fu Mei"—„weiß, wohlhabend und schön" ein Kompliment für viele Frauen. Dabei geht es vor allem um den sozialen Status. Im Fernsehen gibt es Kuppelshows, im Internet Kontaktbörsen und das ist der „Dreierstandard" für Frauen, an dem Attraktivität ausgemacht wird, erklärt mir Mia. Weiß sein steht an erster Stelle, danach folgt Reichtum und Schönheit. „Ich glaube nicht, dass diese Kategorien von Frauen kommen, ich denke, sie sind von Männern gemacht", sagt sie. Irgendwann sind sie im Netz aufgetaucht und jeder kennt sie. Der Gegenpart für den idealen Mann ist übrigens „Gao Fu Shuai", zu deutsch: „groß, wohlhabend und schön".

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In den verschiedenen Dynastien gab es bestimmte Schönheitsideale, fährt Mia fort. „In der Song Dynastie (960 – 1279) solltest du sehr weiß und schlank sein und besonders kleine Füße (Lotusfüße) haben. Bei den Qing (1644 – 1911) hingegen, die ein Reitervolk aus dem Norden sind, waren kleine Füße eher hinderlich. Aber auch hier war ein weißes Gesicht Schönheitsideal"—etwas, das Mädchen damals den sozialen Aufstieg ermöglichen konnte.

Eine chinesische Frau verkauft am Strand Spielsachen—komplett verhüllt.

Weiße Haut existiert in China jedoch auch in der klassischen Kunst oder in der Oper. „Um weiblicher auszusehen, puderten sie die Männer die Gesichter weiß, denn Frauen waren lange nicht auf der Bühne erlaubt", erzählt Mia über die Pekinger Oper. In anderen Theatern war das ähnlich: Die Rechte und Sichtbarkeit von Frauen haben sich erst ab 1949 mit der neuen Gesetzeslage verbessert.

Wir blättern durch die chinesische Cosmopolitan. Frauen wie Männer sind auffallend blass und die Reklamen an Whitening-Produkten und -Empfehlungen hören nicht auf: „Light-Pearl-Konzentrat", „Skin Radiant Lumière", eine Doppelseite mit UV-Cremes, „Intense Serum", „Sun Milk Perfect Defense"…

Besonders im Sommer verkaufen sich die Masken gut.

„Als ich in der Junior Highschool war, habe ich mich noch über Stars informiert. Doch mich hat das Schauspiel und die Kostüme mehr interessiert als zum Beispiel das Make-up. Ein Grund, warum ich heute Film studiere. Ich habe erst später bemerkt, wie stark diese Branche von Werbung durchzogen ist", sagt sie. Die Bewerbung von „Weiß sein" nimmt immens zu, das fällt auch ihr auf. Der starke Einfluss durch Werbung, Internet und Film ist unübersehbar und auch virtuell zieht sich das weiter—von Beauty-App-Fotofiltern, die die Haut weißer machen, zu Polaroid-Kameras mit „High-Key"-Effekt

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Besonders auf der Online-Plattform Taobao werden viele Beauty-Produkte verkauft, aber auch auf WeChat (der chinesischen Version von WhatsApp) wird damit gehandelt. Wenn es dann doch mal schnell gehen soll, kann man seine Maske auch im 7-Eleven besorgen. „Besonders im Sommer verkaufen sich die Masken gut", sagt Mia. Aber auch Whitening-Handschuhe und Sonnenschutzkleidung sind beliebt. „Was mache ich mit weißen Händen, wenn meine Arme dunkel sind?" Mia lacht, als wir uns die Packung mit den strahlend weißen Händen ansehen. „Ich finde die Vorstellung weird, aber in meiner Heimatstadt Tsingtao ist es noch schlimmer. Eigentlich ist es etwas Schönes, Frauen im Bikini am Meer zu sehen, doch mit ihren Sonnenschutzanzügen und Facekinis—einer Mischung aus Sturmmaske und Sonnenschutz—sehen sie aus, als würden sie Tauchen gehen." Es sind tatsächlich unglaubliche Bilder von den Stränden, wie sehr sich Frauen die Körper abdecken, um ja weiß zu bleiben—von der Verkäuferin bis zum Starlett.

Als ich die Maske abnehme, habe ich habe das Gefühl, mein Gesicht ist ein bisschen weicher geworden und frage Mia nach ihrer Haut. „Sie stinkt ein bisschen", sagt sie und lacht. „Ich glaube, Gurken wären besser gewesen." Ich nicke, dann beim nächsten Mal.