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Dating

Mein seltsamer Abend beim Geruchs-Speed-Dating

Bei Romancing the Armpit riechen Singles an der Achsel des anderen, um herauszufinden, wie gut sie zusammenpassen.
All photos by Alice Zoo

Es gibt viele Dinge am modernen Dating, die ziemlich unangenehm werden können: Einen Kollegen betrunken auf Tinder nach rechts zu wischen, sich in bestimmten Momenten auf dem Weg zum WG-Badezimmer seines One-Night-Stands zu verlaufen oder einfach ignoriert zu werden, nachdem man jemandem gerade ein preisverdächtiges Nackt-Selfie geschickt hat. Aber all das ist nichts im Vergleich zu der Erfahrung, seine Nase in die Achselhöhle eines Fremden zu stecken und seinen Moschusduft zu inhalieren. Kaum etwas bringt einen wortwörtlich so ins Schwitzen.

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An einem Mittwochabend Ende April steige ich die Stufen einer Cocktailbar im Zentrum Londons hinunter, um an der weltweit ersten Dating-Night teilzunehmen, bei der die Teilnehmer an der Achselhöhle ihres Gegenüber riechen sollen. Romancing the Armpit nennt sich diese Veranstaltung, die von Bompas and Parr veranstaltet wird, einem Zweiergespann aus London, das sich selbst mal als „Food-Artists" und mal als Konzeptkünstler bezeichnet. Bis vor Kurzem waren die beiden vor allem dafür bekannt, dass sie die erste erotische Hüpfburg aus Brüsten gebaut haben.

Das olfaktorische Dating wird immer beliebter. Es gibt zahlreiche Firmen wie Smell Dating, die das erste postalische Duftdating anbieten. Smell Dating ist vor allem für Leute, die bereit sind, rund 20 Euro zu zahlen, drei Tage lang dasselbe T-Shirt zu tragen und hoffen, auf diese Weise jemanden zu finden, mit dem sie alt werden können.

Als ich erstmal drin bin, spreche ich mit Sam Bompas, der immer wieder betont, dass ihr System, an Achseln zu riechen, auf wissenschaftlichen Erkenntnissen beruht. Bompas sieht unglaublich schick aus, wirkt extrem nett und hat eine riesengroße Tolle. Er trägt eine Camouflage-Hose und ein Netzhemd und geht so gekonnt mit Medien um, wie man es von einem Tennisstar erwarten würde, dessen Doping-Test soeben positiv ausgefallen ist und der einer alles entscheidenden Pressekonferenz gegenübertritt. Zum Beispiel sagt er ziemlich oft Sachen wie „die leichte Zugänglichkeit der Achselhöhle" und „an der Achselhöhle von jemandem zu riechen, bedarf des gegenseitigen Einverständnisses".

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„Es ist bekannt, dass Pheromone eine entscheidende Rolle dabei spielen, ob wir einen Menschen attraktiv finden. Im Fokus steht dabei der Haupthistokompatibilitätskomplex", erklärt Bompas und bezieht sich damit auf die Gewebeverträglichkeit, die es möglich macht, dass Menschen Organe oder Haut von bestimmten Spendern transplantiert bekommen können. Darüber hinaus nutzen Menschen den Körpergeruch, so Bompas weiter, um unterbewusst herauszufinden, welche genetischen Merkmale sie ihren zukünftigen Nachkommen weitergeben würden. „Es geht einzig und allein darum, gesunde Kinder zu bekommen und kompatible Immunsysteme zu finden. Von dem heutigen Abend werden wir also definitiv auch etwas lernen."

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Ich frage ihn, wie der Abend konkret vonstatten gehen wird. Er erklärt mir, dass jeder an jedem riechen wird, unabhängig vom Geschlecht oder der sexuellen Orientierung. Danach endet der Abend—aus mir unerfindlichen Gründen—damit, dass die Leute bei einem („einvernehmlichen") Spiel namens „Tug the Sausage" eine 30cm-lange Wurst aus dem Mund des anderen essen. Wenn man den ganzen Abend damit verbracht hat, an schwitzenden fremden Menschen zu schnüffeln, wirkt es nur wie ein weiterer überflüssiger Versuch, soziale Tabu brechen, wenn man aus dem Mund einer anderen Person isst.

Mittlerweile sind um die 30 Gäste angekommen (die Tickets kosten 12 Euro und waren innerhalb von vier Stunden ausverkauft). Es ist Zeit, anzufangen. Wir bekommen eine Papiertüte, in die Löcher für Augen, Mund und Nase geschnitten wurden sowie einen Cocktail mit Chili, der die Schweißproduktion anregen soll. Der Cocktail schmeckt zwar nicht schlecht, aber mit der Papiertüte auf dem Kopf ist es äußerst schwierig zu trinken.

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„Ich hoffe, ich finde das verschwitzteste Mädchen von allen. Ich bin der festen Überzeugung, dass sich die Leute heutzutage viel zu viel waschen", erzählt mir Alex, 23. Zumindest glaube ich, dass er das gesagt hat, denn durch die Papiertüte hört man alles nur gedämpft. Sein Mitbewohner John, 23, stimmt ihm zu: „Wenn ich Urlaub habe, reicht es, wenn ich nur alle zwei Tage mal dusche, weil ich nicht so viel Stress habe."

Beide sind der Meinung, dass es heutzutage schwierig ist, einen Partner zu finden. „Das Internet bietet einem so viele Möglichkeiten, dass die Leute irgendwie gleichgültig werden", sagt Alex. „Man gibt sich nicht mehr so viel Mühe, weil es irgendwie auch langweilig ist. Es ist, wie wenn man online Serien schaut: Man sieht sich die Serie an einem Stück komplett an und vergisst direkt danach wieder alles. In unserer Generation muss man sich zu nichts mehr verpflichten. Warum solltest du dich auf jemanden einlassen, wenn die Auswahl unendlich groß ist?"

Egal mit wem ich spreche, jeder scheint durch den Wunsch motiviert zu sein, jemanden offline kennenzulernen und hofft, dass sich die Wissenschaft hinter der olfaktorischen Dating-Night bewahrheiten wird. Ich frage Tara, 30, und Bob 27, was sie über die Londoner Dating-Szene denken. Einstimmig lauten ihre in Papier verpackten Antworten: „Es ist wirklich harte Arbeit!" Bob meint: „Ich dachte der heutige Abend würde Spaß machen und wäre mal was anderes. Aber ich bin kein Fan von der Tüte."

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Aber Schluss mit dem höflichen Smalltalk: Wir drehen unsere Papiergesichter brav in die Richtung von Bompas, der uns eine kurze Einführung in die Wissenschaft der Gerüche gibt, bevor wir in Gruppen aufgeteilt werden. Wir bekommen eine Punktekarte, einen Pappbecher, bei dem der Boden ausgeschnitten wurde (als Riechhilfe), einen Stift und einen Aufkleber mit einer Nummer, den wir uns auf die Kleidung machen. Es ist Zeit sich zu beschnuppern.

Wie in einer Low-Budget-Version von Eyes Wide Shut (oder auf einer Filmpremiere mit Shia LaBoef) schieben wir uns an einer Reihe von Leuten entlang und zücken unsere Pappbecher. Wie alle Briten bin auch ich ziemlich komisch im Umgang mit solchen Sachen wie Körpergerüchen. Ich beuge mich nach vorn, um an der ersten Achsel zu riechen und … es ist eigentlich gar nicht so schlimm. Die meisten Leute riechen vollkommen normal. Es gibt zwar auch Fälle, in denen mir der Geruch von abgestandenem Turnzeug entgegenschlägt, aber der Großteil von ihnen riecht genau so, wie man es von einem Raum voller sitzend arbeitender Büroangestellter in einer teuren Cocktailbar erwarten würde: völlig in Ordnung.

Obwohl ich eigentlich auf Männer stehe, bewerte ich die Frauen auf meiner Punktekarte deutlich besser als die Männer. Das hat einen ganz einfachen Grund: Sie riechen besser. Ich sehe wie die Frau rechts von mir auf ihrer Punktekarte vermerkt: „sauberer, netter Mann". Eine andere schreibt: „warmer dunkler Wald". Nachdem ich jeden in der Reihe beschnuppert habe, riechen die anderen an uns und plötzlich wirke ich aus unerfindlichen Gründlich ganz schön bedürftig: Ich möchte, dass mir vollkommen fremde Menschen bestätigen, dass ich nicht schlecht rieche. „Es ist okay, oder?", frage ich eine Frau im Tanktop. Zudem betone ich ständig, dass ich heute Morgen extra viel Deo benutzt habe. „Du sagst mir, falls ich schlimm rieche, ja?", frage ich hektisch in die Richtung irgendeiner anderen Papiertüre. Die Papiertüte nickt zustimmend oder abgeschreckt—ich kann es nicht genau sagen.

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Nachdem jeder an jedem gerochen hat, dürfen wir endlich die Papiertüten abnehmen. Die Leute sehen ziemlich normal aus, obwohl es niemanden gibt, mit dem ich Sex haben wollen würde. Ich spreche mit Alasdair, 53, der auf Meetup von der Veranstaltung gehört hat. Ich bin unglaublich dankbar, dass ich nicht mehr unter dieser stickigen Papiertüte stecke, weshalb ich ziemlich enthusiastisch nicke, während er mir erklärt, warum er kein Deo benutzt.

„Ich gehe nicht mehr mit Männern aus, die nicht riechen. Die sind zu sauber. Die Leute sollten ihren natürlichen Geruch nicht mit so viel Deo überdecken. Wenn man seine Kleidung regelmäßig wechselt und sich täglich wäscht, muss man seinen natürlich Körpergeruch nicht mit Deo überdecken."

Ich gehe rüber zur Achselpflegestation, wo man seine Achseln mit Glitzer aufhübschen kann, bevor man in der Fotoecke für ein Achsel-Selfie posiert. Ein freundlicher Mann leuchtet meine Achselhöhle aus, während ich vor einer Wand meinen Arm für den professionellen Fotografen in die Höhe strecke. Ich fühle mich dabei ungefähr, wie wenn man beim Frauenarzt einen Abstrich machen lässt. Ich frage mich, warum irgendwer Geld dafür bezahlen sollte, hier zu sein, wenn die U-Bahn doch voller Achselhöhlen ist, an denen man vollkommen kostenlos riechen kann.

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Es ist mittlerweile weit nach 21 Uhr und die Kombination aus der Papiertüte und der Reizüberflutung, unter der man leidet, nachdem man an 30 verschiedenen Achseln gerochen hat, hat mir mächtig Kopfschmerzen gemacht. Es ist Zeit, nach Hause zu gehen, auch wenn ich dann das große Abschlussspiel verpasse. Als ich an die frische Luft komme, beschließe ich, dass ich—unabhängig von der Meinung irgendwelcher Wissenschaftler—in Zukunft wieder zu der Dating-Methode zurückkehren werde, die sich nach meinen eigenen empirischen Studien als äußerst erfolgreich erwiesen hat: Ich suche im Club nach Blickkontakt.