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Popkultur

Lang lebe der Nazis verprügelnde Onkel aus der Hölle!

Hellboy = Hell yeah! Ein Vorbild für uns Freaks, die verdammt noch einmal sein wollen, wie sie sein wollen.
Bild vom Autor

Bereits Anfang 2000 habe ich versucht, meinen Freunden besoffen in Kellerbars klar zu machen, warum Hellboy etwas Besonderes ist. Die Gründe sind vielfältig und haben viel mit Nazi-Exploitation und Tentakelmonstern zu tun.

Hellboy hat nicht nur das Pulp-Genre und moderne Geschichten über Vampire, Feen oder das gesichtslose Böse revolutioniert, sondern auch ein völlig neues, gigantisches und autarkes Comic-Book-Film-Universum erschaffen. Und zwar auf Basis einer Skizze aus 1991, die einen haarigen, sabbernden Dämon mit fettem Knüppel in der rechten Hand zeigt.

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In seiner finalen Form von 1994 hat Hellboy den Knüppel gegen einen gewaltigen rechten Unterarm aus Stein getauscht, der zufällig auch der Schlüssel zum Jüngsten Gericht auf Erden ist. Anstatt die Hölle herbeizubeschwören, nutzt der stoische Satan seine massive Faust aber lieber, um Geistern, Faschos und anderen paranormalen bis paraintelligenten Kreaturen aufs Maul zu hauen.

Zunächst zur Vorgeschichte, Hellyboy ist der Bringer der Apokalypse und wurde 1945 von den Nazis, mithilfe vom unkaputt- und unkastrierbaren Rasputin, aus seinem Fegefeuer-Kinderzimmer auf die Erde gerufen. Als Sohn einer reuigen Hexe und Azzael, eines hochrangigen Herzogs der Hölle, sollte der junge Teufel für Hitler die sieben monströsen Weltraumdrachen, Ogdru Jahad, entfesseln und alles Leben auf der Welt vernichten. Normal.

Der kleine Höllenjunge hat sich aber gegen die aktive Auslöschung der Menschheit entschieden, weil er Pfannkuchen und Hunde mag. Hellboy sollte eigentlich die Verkörperung des ultimativen Bösen sein, der König des Untergangs, Anung Un Rama, wie er von infernalen Verwandten und Hexen genannt wird. Aber unter Menschen, Fischwesen, Telekineten und einem Homunculus namens Roger ist er zu einem ziemlich coolen übernatürlichen Ermittler für das Bureau of Paranormal Research and Defense herangewachsen, der mit Bud-Spencer-Vibe und abgesägten Teufelshörnern uns vor Geistern und seinesgleichen bewahrt.

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Der kleine Höllenjunge hat sich aber gegen die aktive Auslöschung der Menschheit entschieden, weil er Pfannkuchen und Hunde mag.

Mike Mignola, der Erfinder, Hauptautor und Zeichner von Hellboy, hat einerseits einen unglaublich verspielten Stilmix aus Trash- und Horrorliteratur entwickelt – durch ihn bin ich erst auf viel Horrorklassiker wie H. P. Lovecraft aufmerksam geworden – und andererseits ein akribisches Wissen über okkulte Folklore in Comicform neu aufgearbeitet.

Mignola schreibt des öfteren kleine Intros für die Comic Book-Anthologien des paranormalen Detektivs und philosophiert darin über die Entstehung der jeweiligen Geschichte und die Frage, welche Märchen, Mythen und Aberglauben ihn dazu inspiriert haben. Mignola vermischt dabei alles, was ihm in die Finger kommt. Das können norwegische Sagen sein, in denen tote Trolle aus vom Blitz getroffenen Schornsteinen fallen, oder auch blasphemische Teile des Shinto-Glaubens mit kopflosen Gespenstern beziehungsweise ein Kinderreim aus der Jugend.

Im besten Fall wird so eine wilde Frankenstein-Collage dann noch durch die künstlerischen Vorlieben Mignolas abgerundet, wie etwa das Zeichnen von Gorillas mit mechanischen Bolzen im Hals oder den Symbolismus von besessenen Puppen. So ist seit den Neunzigern ein Flickenteppich absurdester Abenteuer und narrativer Verzweigungen rund um den grantigen Höllenfürsten entstanden.

Das "Hellboy Universe" umfasst um die 450 Comic Book-Issues, Einzelbücher und Spin-Offs, von den BPRD-Serien über Lobster Johnson bis zu Witchfinder, um nur einen Bruchteil zu nennen. Unzählige Autoren und Zeichner haben sich schon an diesem Akte-X-Teufel versucht. Es gibt auch reine Romane und Kurzgeschichtensammlungen zu Hellboy und seinen Kollegen.

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Aber Beliebtheit, Auflagen oder Verkaufszahlen kümmern den John McClane der Froschmutanten und Ektoplasmen wenig. Hellboy ist düster, eigenbrötlerisch und gleichzeitig resolut. Er könnte, wenn er wollte, als Herr der in Flammen stehenden Erde den ganzen Jüngsten Tag lang Partys im Purgatorium und schwarze Messen feiern. Aber Hellboy hat einfach keine Lust auf die Apokalypse. Hellboy ist ein Vorbild für uns Freaks, die verdammt noch einmal sein wollen, wie sie sein wollen – ohne Gerede von Schicksal, Bestimmung und dem ganzen Scheiß.

Hellboy ist ein Vorbild für uns Freaks, die verdammt noch einmal sein wollen, wie sie sein wollen.

Wer hätte gedacht, dass der Leibhaftige eine Halbglatze und Dad-Bod hat. Hellboy ist stämmig wie ein Wandschrank, aber den Bauch eines älteren Mannes kann man unter dem Trenchcoat durchaus erkennen. Dieser "Boy" hat schließlich schon um die 60 Jahre auf dem Buckel und frisch exorzierte Omis halten ihn gerne auch für den Weihnachtsmann. Er war jedenfalls schon immer eine angenehme Abwechslung zu den muskelbepackten sexy Superhelden, die man so kennt.

Hellboy ist ein dein rauchender, trinkender Onkel aus der Hölle, der gerne Nazis verprügelt. Was auch bedeutet: Er ist der Onkel, den du ziemlich sicher nicht hast – und den man genau deshalb so inständig herbeisehnt. Das ist ein weiterer großer Plus- und Sympathiepunkt: Hellboys tiefsitzende Abneigung gegenüber Nazis (den alten wie neuen) und der Schrecken, den er bei ihnen verbreitet. Man kann nur jubeln, wenn er mit seiner Catchphrase "Son of a …" ausholt oder "Boom" brüllt, um seinen eigenen Kinnhaken lauthals zu kommentieren.

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Ein wahrer Hellboy-Fan (Bild vom Autor)

Aber Hellboy bleibt nicht bei inhaltlich interessanten Aspekten stehen: Vor allem Mignolas Art Style, die intensiven Schwarzweißkontraste, die Kunst, mit wenigen Strichen minimalistisch und dabei so expressiv zu zeichnen, sind ein besonderer Genuss an diesem Franchise.

Auch die beiden Verfilmungen sind große Lieblinge der Hellboy-Anhänger. Vor Guillermo Del Toros Production Design am Troll Markt oder dem Design von Anung Un Ramas Schießeisen kann man nur den Hut ziehen. Ob Abe Sapien, die Fischperson aus Hellboy, womöglich eine Inspiration für Del Toros Oscar-Gewinner The Shape of Water war – oder nur Zufall? Und wird die kommende Ab-18-Verfilmung, die mit dem Sheriff aus Stranger Things in der Rolle als Hellboy nahezu perfekt besetzt ist, die Erfüllung aller unheiligen Träume der Fans?

Die Frage, ob die Geschichten vom Nazis prügelnden Comic-Helden eigentlich auch knapp 25 Jahre nach seiner Entstehung noch zeitgemäß ist, erübrigt sich. Wann, wenn nicht jetzt? Oder, um es mit Hellboy zu sagen: "Boom!"

Josef auf Twitter: @theZeffo

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