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Sexualität

Der G-Punkt als Tor zur Seele: Mein Besuch beim spirituellen Squirting-Workshop

Eine der großen Erkenntnisse: Manche Situationen sind so absurd, dass man sie sich nicht ausdenken kann.
Photo by Aleksandra Kovac via Stocksy

"Wer schon Erfahrungen mit Squirting hat, soll bitte die Hand heben." Ich sitze in einem Raum mit 50 anderen Frauen, die neben mir mit ihren mitgebrachten Handtüchern auf dem Boden sitzen. Zaghaft heben acht von ihnen die Hand. Die Kursleiterin Christine lässt ihren Blick durch die Runde schweifen und nickt vielsagend.

Wir befinden uns in dem heißen, stickigen Raum einer Gemeindehalle, um im Rahmen eines Workshops "die heilige Kunst des Squirtens" zu erlernen. Anscheinend gibt es eine uralte Verbindung zwischen Frauen und Wasser, so erklärt es zumindest die Webseite von Taste of Love – einem Festival, das Frauen eine "zeremonielle Session" verspricht. Der Kurs soll uns die Möglichkeit geben, "unsere weibliche Natur zu erkunden und angestaute Emotionen in der Vagina zu lösen." Christine ist eine Tänzerin und Singer-Songwriterin aus Dänemark, die nebenbei als "spirituelle Hebamme" und "Lichtkriegerin" arbeitet. Sie lebt in einer Yurte auf der dänischen Insel Møn. Wenn jemand neugierigen Frauen beibringen kann, wie man squirtet, dann sie.

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Nachdem sich alle eingerichtet haben, beginnt Christine, mit ihrer sanften Stimme über weibliche Ejakulation zu sprechen. Die Frauen lauschen gespannt, um all ihre Weisheiten aufzusaugen. Eine davon: "Der G-Punkt ist das Tor zur Seele."

Eine Frau hebt die Hand: "Kommt beim Squirten Wasser oder Urin raus?" Eine berechtigte Frage. "Das ist Wasser aus dem Gewebe um deinen G-Punkt herum ", antwortet Christine. "Beim Squirten geht es um unsere inneren Verflechtungen und unser heiliges Wasser."

Schon Hippokrates und Aristoteles haben sich 300 vor Christus mit der weiblichen Ejakulation beschäftigt und auch in taoistischen Texten aus dem vierten Jahrhundert werden die mystischen und heilsamen Eigenschaften der Flüssigkeit immer wieder hervorgehoben. Mittlerweile ist "Squirting" einer der meist gesuchten Begriffe im Internet. Der Workshop ist Teil einer weltweiten Bewegung, die Menschen helfen möchte, ihre Sexualität und ihre Spiritualität zu erforschen – von "kosmisch-erotischem Tanz" über "Yoni-Yoga" bis hin zu "Der Kunst des Zen-Spanking".

Ich beobachte Christine, die vor uns ihre Hüften kreisen lässt und versuche, ihre Bewegungen nachzuahmen. Sie weist uns immer wieder darauf hin, auf unsere kostbare weibliche Energie zu achten. Kurze Zeit später liegt sie nackt vor uns auf dem Boden – das einzige, was sie noch anhat, ist ein geblümtes Tuch, das sie sich um die Hüften gebunden hat. Sie führt zwei Finger in ihre Vagina ein und erklärt uns, wie wir den richtigen Stimulationspunkt finden.

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Sucht nach der rauen Stelle. Spürt ihr den geriffelten Punkt in eurer Vagina?

"Das ist bei jeder Frau anders", erklärt sie. "Versucht es einfach selbst!"

Innerhalb von Sekunden haben die meisten Frauen bereitwillig ihre Klamotten ausgezogen und ihre spirituellen Tattoos entblößt. Christine ist noch immer dabei sich zu fingern, während sie beschreibt, was sie gerade macht. Nach einiger Zeit gibt sie etwas von sich, was man nur als einen schrillen Schrei beschreiben kann. Dann neigt sie ihr Becken und es schießt ein Strom aus Wasser aus ihrer Vagina, der – kein Spaß – die Frauen in der ersten Reihe trifft.

Die Frauen kreischen und lachen. Eine von ihnen hat "heiliges Wasser" auf dem Rücken, das ihr langsam über ihre tätowierten Engelsflügel tropft.

"Was für eine Erleichterung!", sagt Christine.

Es folgt eine zweiminütige Ansprache zur technischen Vorgehensweise. Dann sind wir an der Reihe. Zeitgleich beginnen 50 Frauen, die Gegend um ihren G-Punkt zu massieren. Einige von ihnen legen sich dazu hin, andere hocken auf ihren Knien. "Wuhu!", schreit eine Frau und streckt ihre Hand in die Luft. "Unsere Klassenbeste!", ruft eine andere Frau.

Foto: Stokpic | Pexels | CC0

Ich selbst lasse mir beim Ausziehen etwas mehr Zeit. Außerdem weiß ich schon jetzt, dass sich meine Suche nach dem G-Punkt schwierig gestalten könnte. Ich bin in etwa 1,80 Meter groß und habe auch einen entsprechend langen Oberkörper. Den magischen Punkt mit den Fingern zu erreichen, gestaltet sich für mich deswegen etwas schwierig.

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"Sucht nach der rauen Stelle – noch etwas tiefer", spornt Christine die Gruppe an. "Spürt ihr den geriffelten Punkt in eurer Vagina?" Sie holt einige Frauen zu sich nach vorne und führt sie Schritt für Schritt durch den gesamten Prozess. Sie singt und gurrt dazu wie eine Vogelmutter. Dann legt sie eine Schachtel mit Gummihandschuhen und Kokosöl in die Mitte des Raums und erklärt uns ganz beiläufig, dass wir uns einen Partner suchen und es uns gegenseitig machen sollen.

Der Geräuschpegel im Saal nimmt zu. Die Frauen raunen und kichern. "Achtet auf eure Stimmen", sagt Christine und erinnert die Frauen an die Verbindung zwischen ihrem Mund und ihrer Vagina. "Wenn euer Mund weich ist, dann wird sich auch eure Vagina öffnen."

Das Paar neben mir küsst sich und beginnt zu weinen und zu lachen.

Scheinbar kommen noch mehr Frauen zum Orgasmus. Ihr unbefangenes Stöhnen durchschneidet die erdrückende Hitze. Andere versuchen es weiter. Der Workshop hat sich zu einer Art Wettrennen entwickelt. Direkt neben mir wechseln sich zwei Frauen aneinander ab: Eine von ihnen legt sich hin, während die andere beginnt, sie mit zwei Fingern zu massieren – natürlich sicher verpackt in Gummihandschuhe. Sie kommen zwar zum Höhepunkt, aber leider ohne heiliges Wasser.

Experten streiten sich seit Jahrzehnten darüber, ob weibliche Ejakulation tatsächlich "existiert". Allerdings gibt es nur sehr wenige wissenschaftliche Studien, die sich damit beschäftigen, was dabei im Körper passiert.

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Im Jahr 2015 erschien im Journal of Sexual Medicine eine Studie, die das Sekret von sieben verschiedenen Frauen betrachtet hat, die beim Sex angeblich jeweils 250 Milliliter Flüssigkeit abgegeben haben. Bei der Analyse der Flüssigkeit stellten die Forscher fest, dass das Sekret aller sieben Frauen überwiegend aus Urin bestand. In fünf Proben fanden die Forscher zudem auch Spuren von prostata-spezifischen Antigenen (PSA), die bei Männern in der Prostata und bei Frauen in der Skene-Drüse zu finden ist.

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Wenn es also um die Frage geht, ob es sich bei weiblichem Ejakulat um Urin handelt, dann lautet die Antwort: Ja und nein, aber eigentlich ja.

Daran denkt hier natürlich niemand. Die zweite Kursstunde neigt sich langsam dem Ende zu. Christine schnappt sich ihre Gitarre und fängt an, dänische Volkslieder zu singen. Während sie verträumt durch den Raum schlendert und auf ihrer Gitarre klimpert, beenden die Frauen ihre letzten Versuche zu squirten. Das Paar neben mir küsst sich und beginnt zu weinen und zu lachen.

Als Christine mit ihrer musikalischen Einlage fertig ist, öffnet sie die Vorhänge. Die Frauen setzen sich auf und ziehen sich wieder an. "Das war großartig", sagt eine begeisterte Teilnehmern und greift nach Christines Hand. "Du bist wirklich eine Inspiration. Danke, dass du dein Wissen mit uns geteilt hast."

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Foto: Unsplash | Pexels | CC0