Diese Fotografin zeigt den Burkini in einem ganz neuen Licht
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Diese Fotografin zeigt den Burkini in einem ganz neuen Licht

Melina Papageorgious diffuse, lichtdurchflutete Bilder von Abu Dhabi stellen nicht nur unsere stereotypen Vorstellungen von muslimischen Frauen auf die Probe, sie werfen auch einen kritischen Blick auf die negative Einstellung gegenüber zweiteiliger...

Das Wort „Burkini" war in der westlichen Kultur noch nie so politisches aufgeladen und das Thema wurde auch noch nie so heftig diskutiert wie heute. Die leichte Badebekleidung, die jeden Teil des Körpers bis auf das Gesicht, die Hände und die Füße bedeckt, stellt (je nachdem mit wem man spricht) ein Symbol der Freiheit oder Unterdrückung dar und ist ein Zeichen für die unaufhaltsame oder die gescheiterte Machtübernahme des konservativen Islam. All das passiert, wenn Frauen versuchen schwimmen zu gehen, ohne ihre religiösen Überzeugungen über Bord zu werfen.

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In den Augen der Fotografin Melina Papageorgiou ist der Burkini ein Badeanzug—nicht mehr und nicht weniger. Ihre gleichnamige Serie Burkini lädt den außenstehenden Betrachter dazu ein, sich die reine Materialität des Burkinis anzusehen und zwar fernab von politischen Interpretationen und verletzenden Klischees.

Papageorgiou ist Deutsch-Griechin und hat den Großteil ihrer prägenden Jahre im Norden Griechenlands in der Nähe von Athen verbracht. Ihr Vater ist Ingenieur, daher hat sie oft längere Zeit im Ausland verbracht. Sie hat unter anderem eine Zeit lang in Libyen gelebt, als es noch von Gaddafi kontrolliert wurde. Dort hat sie auch zum ersten Mal gesehen, wie eine Frau in ihren Kleidern baden gegangen ist. „Das hat mich irgendwie total verwirrt, weil meine Mutter nur einen Badeanzug trug. [Ich dachte:] ‚Warum tut sie das?' Ich kann mich aber nicht mehr erinnern, was meine Eltern dazu gesagt haben."

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Ihre Eltern leben mittlerweile in Abu Dhabi und Papageorgiou, die derzeit Fotografie in Berlin studiert, ist oft bei ihnen zu Besuch. In Abu Dhabi hat sie dann zum ersten Mal Frauen gesehen, die im Burkini schwimmen gegangen sind. Ursprünglich stammt der Burkini aus Australien und wurde von Aheeda Zanetti entwickelt. Der Name Burkini ist ein Kofferwort aus „Burka" und „Bikini"—den beiden Gegensätzen auf der Skala der Sittsamkeit. In einem Interview mit dem Sydney Morning-Herald sagte Zanetti über das Wort „Burkini": „Es ist nur ein Name, den ich mir ausgedacht habe. Er bedeutet nichts. Eigentlich ist ein Burkini nur ein zweiteiliger Bikini für muslimische Frauen, aber das klingt nicht so gut."

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Alle Fotos: Melina Papageorgiou

„Als ich den Burkini dann in Abu Dhabi gesehen habe, war ich total aufgeregt. Es war toll zu sehen, dass sie eigentlich aus rein praktischen Gründen einen Badeanzug erfunden haben, mit dem die Frauen Sport machen können, ohne sich dabei unwohl zu fühlen", sagt Papageorgiou. Sie fing an, auf die Frauen in den Freibädern vor Ort zuzugehen. Viele von ihnen wollten allerdings nicht, dass man ihr Gesicht sieht—mit Ausnahme von einer. „Ich habe eine junge Frau im Teenageralter fotografiert. Sie war offener als die anderen. Ich habe sie gefragt, ob es OK wäre, wenn man ihr Gesicht sieht und sie meinte: ‚Ja, klar, kein Problem.' Ich denke aber, dass das ganz normal ist: Die jüngere Generation ist offener für Neues und reist auch mehr. Deswegen treffen sie auch viele internationale Leute. Abu Dhabi ist sehr international. Das macht es wirklich interessant."

Burkinis sind allerdings nicht der alleinige Schwerpunkt ihrer gleichnamigen Serie. Burkini ist eine Betrachtung des Lebens in Abu Dhabi aus Sicht einer Außenstehenden aus dem Ausland. „Burkinis waren nur der Ausgangspunkt, aber ich habe versucht, das Gesamtbild zu sehen—wie die Leute dort leben. An dieser Stelle ist wichtig zu sagen, dass ich eine Außenstehende bin, auch wenn ich schon oft in Abu Dhabi zu Besuch war. Ich bin nicht in dieser Kultur groß geworden. [Burkini] ist lediglich eine Beobachtung. Es ist sehr wichtig, im Hinterkopf zu behalten, dass ich nicht von dort komme."

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Die detailorientierten Nahaufnahmen vermitteln eine Stimmung wie in einem Tagebuch. Viele der Bilder wurden im oder um Autos herum gemacht. Manche von ihnen wurden auch aus dem fahrenden Auto heraus geschossen. „Ich habe versucht, die Farben und Formen einzufangen und sie in meinen Bildern festzuhalten", sagt sie. Durch die Nähe der Aufnahmen entsteht eine nahezu laserfokusartige Abstraktion, durch die im Wasser schwimmende Stoffe zu einer Bewegungsstudie werden und das Autofenster zu einem Rahmen für die Silhouette der Wolkenkratzer in der Ferne wird. „Es war mir sehr wichtig, die Bilder aus nächster Nähe aufzunehmen, denn eine Sache, die ich verstehen wollte war … nun ja, dass der Burkini auch nur aus Stoff besteht. Ein Auto ist auch nur ein Auto. Es war sehr wichtig, zum Fotografieren so nah ranzugehen, um die Burkinis als das zu sehen, was sie sind.

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Papageorgiou sind die inhärenten Widersprüche in der Debatte um den Burkini bewusst, doch ihre Serie soll kein moralisches Statement sein. „OK, der Burkini kann auch im politischen Sinne betrachtet werden—als Symbol der Freiheit, weil die Frauen Sport machen können oder das komplette Gegenteil: Sie verlieren ihre Freiheit, weil sie sich verstecken und komplett bedecken müssen und manchmal sieht es auch nicht besonders bequem aus."

„Die Leute projizieren so viel auf den Burkini—ich wollte ihn als das betrachten, was er ist", sagt sie weiter. „Deswegen war es mir auch wichtig, ihn aus nächster Nähe zu fotografieren, ohne die Umgebung und ohne zu zeigen, was drumherum passiert. Ich wollte keine Geschichte, kein Drama darum herum aufbauen. Ich wollte meine Gedanken auf den Punkt bringen und den Leuten nicht die Möglichkeit bieten, die Situation zu beurteilen, indem sie sich die verschiedenen Möglichkeiten vorstellen. Ich wollte zeigen, wie es ist—dass der Burkini existiert und dass die Menschen existieren. Den Rest wollte ich offen lassen und damit ganz klar zeigen, dass ich eine Außenstehende bin."

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„Das ist der Punkt. Ich mag vielleicht eine starke Meinung über gewisse Dinge haben, aber ich habe gerade in der heutigen Zeit das Gefühl, dass wir unsere Entscheidungen mit Vorsicht treffen sollten—auch die jüngere Generation. Uns stehen so viele Informationen zur Verfügung, dass wir bei der Entscheidungsfindung auf gewisse Weise das Gleichgewicht verlieren. Dabei geht es auch darum, was Frauen oder Menschen allgemein tragen und warum sie es tragen—auch das ist eine Entscheidung. Das wollte ich damit auch zum Ausdruck bringen: Wir sollten mehr offen lassen."

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„Jeder sollte die Freiheit haben, seine eigenen Entscheidungen zu treffen. Außerdem sollten wir zunächst an uns selbst arbeiten, um die Verantwortung dafür übernehmen zu können, wie wir leben und handeln."