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Als ich ihm so zuhörte, hatte ich das Gefühl, dass sich das Problem hier vor allem von außen nährte. "Ich habe Angst davor, meinem Freundeskreis zu erzählen, dass ich schon seit mehreren Wochen nicht mehr mit meinem Partner geschlafen habe und wir einfach nicht so viel Wert darauf legen. Ich habe das Thema zwar schon ein- oder zweimal auf den Tisch gebracht, aber die Reaktion war immer die gleiche. Man hat mir vorgeschlagen, doch mal Sexspielzeug einzubringen und einen Dreier oder Rollenspiele auszuprobieren. Mir kam es fast so vor, als ob es eine Krankheit wäre, keinen Sex zu haben."H. hatte sich nicht von seinem Partner entfremdet, sondern eher von der Gesellschaft. Soweit ich das beurteilen konnte, zeigte sein Freund Verständnis oder hielt das Ganze nur für für eine Phase. In diesem Kontext war H.s Problem auch nicht mal so schwerwiegend, denn eine Beziehung basiert ja nicht ausschließlich darauf, wie häufig die Partner miteinander schlafen. H. fühlte sich jedoch schuldig und ging davon aus, die Realität seines Sexlebens vor seinen Freunden geheim halten zu müssen. Letztendlich ließ er seine Angst jedoch schnell hinter sich, indem er sich auf die Qualität seiner Beziehung besann.Der Mangel an sexuellem Verlangen ist eine Sache, der Mangel an sexuellen Möglichkeiten eine komplett andere. Rund ein Drittel meiner Klientel besteht aus Menschen, die beim Thema Sex komplett in die Röhre schauen. Dazu gehört auch R., die sich mit 26 in einem ziemlich kleinen sozialen und beruflichen Umfeld befindet. Nach mehreren fehlgeschlagenen Online-Dating-Erfahrungen hat sie inzwischen die Nase voll. "Wenn es schon mal vorkommt, dass ich abends fortgehe, sind die Männer, die mir gefallen, entweder schwul oder vergeben." Was jedoch noch viel schlimmer wiegt, ist das Gefühl, dass sie niemandem auffällt. Dadurch kommt sie sich vor wie eine Versagerin. Abgesehen vom gelegentlichen One-Night-Stand während des Studiums ist es nun schon vier Jahre her, dass R. wirklich mit jemandem geschlafen hat.Eine sexuelle Zurückweisung kann man auch als eine ziemlich brutale Botschaft auffassen—so nach dem Motto "Dein Körper ist für die Fortpflanzung nicht gut genug".
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