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Sex

Wieso ist Bisexualität für Männer ein Tabu-Thema?

Bisexuelle Jungs, die einmal einen Schwanz gelutscht haben, sind gesellschaftlich noch immer nicht akzeptiert. Selbst in einem ungezwungenen Zusammenhang werden die homoerotischen Ausflüge der Frauen als nicht so schlimm angesehen wie die bisexuellen...

Anfang der 00er Jahre herrschte große Aufregung wegen ein paar Studien, die versucht haben zu beweisen, dass männliche Bisexualität nicht existiert. „Du bist entweder schwul, hetero oder du lügst“, lautete die übliche Kernaussage. Der allgemeine Konsens schien zu sein, dass junge Männer, die bi waren, nur eine Phase durchmachten, die allmählich verschwinden würde. Ergo würden sich die Männer dann irgendwann wieder eindeutig in Homo oder Hetero einteilen lassen.

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Wissenschaftler gingen sogar so weit, dass sie eine Reihe von Experimenten durchführten, in denen Männer und Frauen, die von sich behauptet hatten, bisexuell zu sein, Pornos gezeigt wurden, um das zu überprüfen. Hierfür schlossen sie die Testpersonen an Plethysmographen, aka „Ständer-Detektoren“, an. Während Frauen sowohl von Homopornos als auch von Heteropornos erregt wurden, wurden Männer entweder von dem einen oder dem anderen erregt.

Diese Forschungsergebnisse bewiesen fast nichts, außer dass es Ständer-Detektoren gibt und Leute ihre Zeit damit vergeudet hatten, andere Leute dabei zu beobachten, wie sie Pornos schauten und geil wurden. Und in diese Ergebnisse steigerten sich die Medien und die LGBT-Welt ziemlich rein. Journalisten und Wissenschaftler schrieben endlos über den „Mythos der männlichen Bisexualität“. Auch beriefen sie sich auf eine andere Studie, die behauptete, dass 40 Prozent aller Schwulen bi waren, bevor sie sich dazu entschieden haben, nur noch Männer zu vögeln.

Diese Meinung hielt bis ins Jahr 2011 an. Erst dann entschieden sich Wissenschaftler dazu, das Thema wieder aufzugreifen. Dieses Mal reichte es aber nicht aus, sich als bisexuell zu bezeichnen, damit sein Schwanz an den Ständer-Detektor angeschlossen wurde. Dafür musstest du auch längere Beziehungen mit Männer und Frauen gehabt haben. Die Resultate waren nicht mehr die gleichen. Die Männer wurden weitgehend durch beide Arten von Pornos erregt. Schließlich wurde die Stigmatisierung der männlichen Bisexualität aufgehoben.
Nur nicht nachlassen, Gesellschaft. Du bist immer noch ziemlich prüde, wenn’s um sexuelle Identitäten geht.

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Die Menschen sind dieser Tage cooler im Umgang mit Bisexualität. Sicherlich auch, weil der Sprecher der amerikanischen LGBT, Dan „Männer können nicht bi sein“ Savage, seine Meinung zu dem Thema revidiert hat. Aber einfach zuzugeben, dass eine bestimmte sexuelle Orientierung existiert, heißt nicht automatisch, dass man sie auch akzeptiert. Ebenfalls ist es heute—ohne Scheiß—härter, ein guter, alter Hetero zu sein, als dem LGBTQ-Spektrum anzugehören. Und mal ehrlich, wie viele von uns sind gute alte Heteros?

Die Kinsey-Skala hat sechs Punkte, nur zwei von ihnen sind eindeutig der Homo- bzw. der Heterosexualität zuzuordnen. Bereits Mitte des 19. Jahrhunderts hat Karl Ulrichs eine Studie veröffentlicht, die andeutet, dass Männer und Frauen nicht nur bisexuell sein können. Für ihn gibt es zwei Formen der Bisexualität: die konjuktive und die disjunktive. Konjunktive Bisexualität bedeutet, „liebt beide, fickt beide“. Die disjunktive ist mehr die „fickt beide, liebt nur eine/einen“-Variante. Macht für mich irgendwie Sinn. Ich kenne Lesben, die es lieben, einen richtigen Schwanz zu kassieren, aber sich nicht vorstellen können, länger mit einem Mann zusammen zu sein. Genauso kenne ich schwule Männer, die von Brüsten besessen sind, und den „Süße-Brüste-Punkt“ überschritten haben.

Die Mehrheit der Heterosexuellen kann ja mal probieren, sich einen Lesben- oder Schwulenporno reinzuziehen, und versuchen, dabei auf ihren inneren Plethysmographen zu hören. Weißt du, was ich meine? Klar weißt du es.

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So scheint es, dass viele von uns im Jahr 2013 erkannt haben, dass es grundsätzlich falsch ist zu überprüfen, ob Bisexuelle widerliche Lügner oder gierige Perverse sind. Die „Dein Leben ist eine Lüge“-Mentalität hinter den Bisexualitätsstudien der frühen 2000er scheint also der Vergangenheit anzugehören. Ja. Ich bedauere, es dir mitteilen zu müssen, dass im Grunde niemand mehr glaubt, dass du als bisexueller Mensch tatsächlich glücklich sein kannst. Schon gar nicht, wenn du ein Mann bist.

Stell dir vor: Jeder auf einer Party erzählt Geschichten von sexy Abenteuern aus seiner Vergangenheit. Zwei Mädels geben zu, dass sie was mit anderen Mädels an der Uni gehabt haben. Warum denn auch nicht? Leute kichern und applaudieren oder tuscheln. Was für eine spaßige Offenbarung. Plötzlich sagt ein Mann: „Einmal habe ich den Schwanz eines Typen gelutscht, nur um es auszuprobieren.“ Stille. Die Musik fällt aus. Alle hören sofort auf zu reden und sind komplett verwirrt. Die Nacht ist vorbei, bevor jemand auf den Treppen sitzen und weinen kann. Oder den Hund umbringen kann. Oder in den Wäschekorb kotzt.

Wenn der Mann dann nach Hause geht, ist seine Freundin völlig irritiert und nervös. Hat sie die ganze Zeit einen „SCHWULEN“ gedatet? Würde er die Geschichte all ihren Freunden erzählen? Wie peinlich.

Der gleiche Denkansatz hat dazu geführt, dass beim Dreier eine Hierarchie entstanden ist. Deswegen beinhaltet der „gute“ Dreier zwei Frauen und nur einen Schwanz. Während der „Teufelsdreier“ zwei Männer und eine Frau beinhaltet. Ich habe offene Beziehungen kennengelernt, die eine „Alles geht“-Regel für den weiblichen Part der Beziehung haben, was so viel bedeutet wie, dass die Frau jede andere Frau vögeln kann, während der männliche Part monogam und treu bleiben muss, und darauf hoffen muss, in geile Lesbenaction verwickelt zu werden.

Wir gehen vielleicht mit stolzen bisexuellen Männern entspannter um, aber Jungs, die einmal einen Schwanz gelutscht haben, sind immer noch gleich „schwul, hetero oder sie lügen“. Selbst in einem ungezwungenen Zusammenhang werden die homoerotischen Ausflüge der Frauen als nicht so schlimm angesehen wie die disjunktiven bisexuellen Ausflüge der Männer. Es hat ein bisschen etwas von: Don't ask, don't tell. Aber warum? Warum wird die Idee der unverbindlichen Girl-on-Girl-Action universell begrüßt, und die männliche Action als „Wow. Burschen? Igitt!“ abgetan? Warum wird eine Lesbenbeziehung während der Schulzeit als nette, süße Selbstfindungsphase abgestempelt, während der kurze experimentelle Blowjob nach dem Fußballtraining dafür ausreicht, um einen Jungen auf Lebenszeit als Schwuchtel abzustempeln?

Ich denke, es hat mit den veralteten Vorstellungen in Hinblick auf geschlechtliche Sexualität zu tun. Nach dieser Denkweise ist die weibliche Sexualität passiv und nachgiebig. „Ooh, eine andere Dame will bei uns mitmachen? OK, klingt gut! Wir sind für alles zu haben, solange wir jemand anderen glücklich machen können.“ Die männliche Sexualität hingegen ist hart und aggressiv wie ein Presslufthammer. Männer lieben es, mit ihren großen, männlichen Männer-Penissen zuzustechen.

Das Verfließen der weiblichen Sexualität ist für viele Menschen nicht bedrohlich, weil sie die weibliche Sexualität ohnehin als biegsam und nachgiebig ansehen. Aber man kann dieses Konzept des Verfließens nicht auf die harte, pochende Sexualität des Mannes anwenden.
Werdet erwachsen!

Ich würde für ein kollektives Verbannen dieser Vorstellung stimmen. Veraltete Ansichten darüber, wer mit wem welche Art Sex haben sollte, sind schlecht für uns alle. Und es gibt sicher eine Menge Männer, Familienmitglieder, Freunde und Partner, dich sich verpflichtet fühlen, gesunde, normale, sexuelle Gefühle zu unterdrücken, um zu vermeiden, verurteilt zu werden. Wen juckt’s eigentlich??? Warum können sie nicht mit der gleichen Freiheit wie Frauen darüber reden? Mal einen Hamburger zu essen, führt nicht automatisch dazu, dass deine Vegetarierkarte erlischt. Es bedeutet nur, dass du heute etwas anderes zu deinen Pommes essen wolltest. Wer das anders sieht, der soll sich an einem Schwanz verschlucken. Und mir dann davon erzählen. Ich werde dich total unterstützen und mich für deine Rechte einsetzen, ob du nun einen eigenen Schwanz hast oder nicht.