FYI.

This story is over 5 years old.

Film

Im Gespräch mit der Frau, die den ‚Dude‘ zur Ikone gemacht hat

Mary Zophres ist Kostümbildnerin und gibt den Filmen der Coen-Brüder ihre unverwechselbare Ästhetik – von ‚Fargo‘ über ‚The Big Lebowski‘ bis hin zu ‚Hail, Caesar!‘.
Mary Zophres mit den Coen-Brüdern. Foto bereitgestellt von Universal Pictures Home Entertainment

Auch wenn der Name Mary Zophres vielen unbekannt sein mag, ihre Filme sind es nicht. Fargo, Ghost World, No Country for Old Men, Gangster Squad, Interstellar—die Filmografie der oscarnominierten Kostümbildnerin liest sich ebenso spektakulär wie facettenreich. Nicht zuletzt war die 52-jährige US-Amerikanerin auch für den ikonischen Look des Dude aus The Big Lebowski verantwortlich. Für ihren letzten Film Hail, Caesar!, der ab dem 30. Juni auf DVD erhältlich ist, durfte die Hollywood-Größe ganz tief in die kostümtechnische Trickkiste greifen und nicht nur George Clooney als alkoholkranken Römer ausstatten, sondern auch Cowboys, Meerjungfrauen und Filmbosse im 40er-Jahre-Look in Szene setzen. Wir haben mit der Frau, der die Coen-Brüder vertrauen, am Telefon über die Macht von Kostümen gesprochen und sie gefragt, wie man sexy ist, ohne Haut zu zeigen.

Anzeige

Mehr lesen: Die Renaissance männlicher Feministen in Hollywood

Broadly: Du hast im Interview mit der Vogue gesagt, dass die Arbeit an Hail, Caesar! „traumhaft" war. Warum?
Mary Zophres: Ich bin an sich ein großer Fan von MGM-Filmen. Meine Mutter hat sie mir gezeigt, als ich jung war, ich bin also mit ihnen aufgewachsen. Ich weiß nicht, ob das ungewöhnlich ist, aber ich erinnere mich noch sehr gut daran, wie ich sie als Kind geguckt und wirklich geliebt habe. Die Chance zu bekommen, an einem Film zu arbeiten, in dem ich den Look der MGM-Filme zum Leben erwecken soll und sechs, sieben Filme innerhalb eines Films zeigen zu können, ist eine Chance, die man als Kostümbildner im Jahr 2016 normalerweise nicht bekommt. Das war der beste Job, den ich jemals hatte.

Joel und Ethan sind außerdem die Regisseure, mit denen ich mit Abstand am Liebsten zusammenarbeite. Das sind einfach wunderbare Leute, die sehr inspirierende Drehbücher schreiben. Die Kombination aus der Idee hinter dem Film, die mich total angesprochen hat, und der Möglichkeit, mit diesen Regisseuren und Schauspielern, die ich liebe, zusammenzuarbeiten, war einfach super. Ich glaube nicht, dass mir das nochmal in meiner Karriere passiert. Überhaupt so eine Art von Film zu machen, oder so eine Tanznummer … Heutzutage machst du dann halt eher einen Superheldenfilm und das ist für mich einfach nicht so interessant. Ich mag „ältere" Filme und Filme mit einer richtigen Geschichte. Ich habe das Gefühl, dass es heutzutage eher um Explosionen geht. Da geht es dann um Iron Man oder irgendeinen anderen Avenger—ich kann die gar nicht mehr auseinanderhalten.

Anzeige

Ich habe das Gefühl, dass es heutzutage eher um Explosionen geht.

Ich habe das Gefühl, dass die Zuschauer beim Gucken eines Films—vielleicht gerade bei diesen ganz großen Blockbuster-Produktionen wie den Avengers oder so—nicht so wahnsinnig viel über das Kostümdesign nachdenken. Dabei sind Kostümbildner ja elementar daran beteiligt, wie ein Film aussieht und sich anfühlt.
Manchmal ist ja aber auch genau das das Ziel, wenn du einen Film machst. In Fargo zum Beispiel, oder selbst bei Hail, Caesar!, willst du ja nicht, dass der Zuschauer sich fragt „Oh, wie haben die denn das gemacht?". Wenn jemand den aktuellen Film guckt, möchte ich, dass er dieselbe Freude empfindet, die ein Zuschauer 1949 beim Gucken einer dieser Filme, die wir uns zum Vorbild genommen haben, empfunden hätte. Zum Beispiel bei dieser Meerjungfrauen-Szene mit Scarlett Johannson: Es gibt keine Explosionen, es gibt keine fragwürdigen Sexszenen, es ist ganz simpel und macht Spaß. Choreographie und Farbe und ein Set. Ich möchte nicht, dass sich dabei jemand fragt, wie wir das Meerjungfrauenkostüm gemacht haben, ich möchte, dass sie Spaß haben. Die Leute in den späteren 40ern und in den 50ern hatten nicht die Special Effects, die wir jetzt haben.

Vielleicht fragt sich ein Teenager, warum er sich diesen Film angucken sollte und was an der Szene mit Scarlett Johannson so toll ist, wo es da draußen doch Internetpornos gibt. Aber sie ist sexy, sie hat tolle Beine und es ist trotzdem eine beeindruckende Szene. Das haben wir dadurch erreicht, dass wir die perfekte Schauspielerin ausgesucht und sie in das perfekte Kostüm gesteckt haben, ohne sie einfach nur nackt zu zeigen. Damals wurde nicht viel Dekolleté oder so gezeigt und deswegen war es uns wichtig, dass auch nicht zu machen. Wir haben versucht, die Faszination an solchen Darbietungen für eine moderne Zuschauerschaft einzufangen—und jeder, den ich kenne, hat das gut angenommen. Die simple Freude daran, sich etwas anzugucken, was unterhaltsam ist. Eine Möglichkeit, auch für Filmemacher, sich einfach zurückzulehnen und einen Film zu genießen, ohne dass man von Special Effects erschlagen wird. Grundlegend will man einfach nicht, dass es sichtbar ist, wie viel Arbeit hinter einer Szene steckt. Du willst nicht, dass sich etwas wie ein Kostüm anfühlt, dass man sieht, dass da jemand bewusst „verkleidet" wurde.

Anzeige

Zeichnung von Mary Zophres für ‚Hail, Caesar!', zur Verfügung gestellt von Universal Pictures Home Entertainment

The Big Lebowski ist ein Beispiel für einen der Filme, die von den Kostümen her relativ unaufgeregt sind und trotzdem ist die Kombination aus Bademantel und Schlafanzughose des Dude absolut ikonisch geworden. Ahnt man so was als Kostümbildner, während man an einem Film arbeitet?
Nein, auch wenn die Leute mich das immer wieder fragen. Ich wollte, dass George und Peter einen ikonischen Look haben. Das ist das, was ich erreichen möchte und beim Dude wollte ich, dass über sein Aussehen transportiert wird, wie tiefenentspannt er ist. Ich wollte, dass er als Charakter glaubwürdig ist. Ich habe mir nie gedacht „Oh, das wird bestimmt mal ein Kostüm!" oder „Das lassen sich Leute mal auf T-Shirts drucken!". Du willst es einfach nur gut hinkriegen, richtig machen. Die Zeit, während man an einem Film arbeitet, ist sehr intensiv, man ist immer beschäftigt und sehr fokussiert. Die Filme, an denen ich mitarbeite, haben eigentlich immer sehr viele starke Charaktere und was ich dann machen darf ist, die Geschichte durch die Kostüme zu erzählen—die aber eben nicht aussehen sollen wie Kostüme, sondern die Figur widerspiegeln sollen.

Niemand von uns hatte auch nur die leiseste Ahnung, dass The Big Lebowski zu so einem kulturellen Phänomen werden würde. Sonst hätten wir wahrscheinlich die Klamotten verkauft, mit Originalkostümen kann man nämlich sehr viel Geld machen.

Gibt es einen Film, an dem du zwar nicht mitgearbeitet hast, der dich aber trotzdem auf kostümbildnerischer Ebene beeindruckt hat?
Ich bin eigentlich durchgehend beeindruckt und finde bei fast jedem Film irgendetwas, was ich toll finde. Aus irgendeinem Grund muss ich jetzt trotzdem direkt an City of God denken. Der Film sieht aus wie eine Dokumentation. Wenn du dir die Klamotten in dem Film anguckst, dann sind sie total unverfälscht und erzählen die Geschichte, auch wenn sie für sich genommen gar nicht so auffällig sind.

Ich glaube nicht daran, über nackte Frauenhaut Aufmerksamkeit zu bekommen.

Es gibt seit Jahren die Debatte um Sexismus in Hollywood und dass Frauen generell mehr Haut zeigen müssen als Männer. Was ist dir in dem Zusammenhang als Kostümbildnerin wichtig? Wie zeigt man jemanden sexy, ohne ihn zu sehr nackt zu machen?
Tatsächlich werde ich gar nicht für Filme angefragt, die so etwas machen—zumindest würde mir jetzt keiner einfallen. Ich bin in einer Position, in der ich mir die Filme, die ich mache, aussuchen kann. Ich muss nicht zwingend Jobs machen und deswegen fällt mir vielleicht ein Film ein, bei dem ich wirklich viel Haut gezeigt habe. Und es hat trotzdem wahnsinnig viel Spaß gemacht—der Film war Smokin' Aces. Die Charaktere waren sehr vielschichtig, aber es gab eben auch ein paar Mädels, die bewusst viel Haut zeigen sollten. Alicia Keys hat zum Beispiel eine Prostituierte gespielt—beziehungsweise eine Figur, die eine Figur spielt. Aber ansonsten … Wobei nein, das stimmt nicht. Ich habe An jedem verdammten Sonntag gemacht und da wurde auch sehr viel Haut gezeigt, weil der Regisseur das so wollte. Anschließend habe ich mich dann aber dazu entschieden, mit diesem Regisseur nicht mehr zusammenzuarbeiten.

Das ist einfach nicht mein Ding, das interessiert mich nicht. Ich glaube nicht daran, über nackte Frauenhaut Aufmerksamkeit zu bekommen. Ich arbeite gerade an einem Film über Frauenrechte, über die Anfänge der Frauenbefreiungsbewegung 1973. Das finde ich interessant—nicht irgendwelche attraktiven Mädchen, die sich um einen Typen reißen.