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Mode

Warum große Modemarken damit durchkommen, Künstler zu kopieren

Von Zara bis Forever 21: Immer wieder bedienen sich große Ketten an der kreativen Leistung anderer. Vor Gericht haben die Geschädigten kaum eine Chance, erklärt eine Anwältin.
Photo via Wikipedia Commons

Nachdem Zara seine diesjährige Sommerkollektion mit den bunten, poppigen Emaille-Pins und den Instagram-Patches vorgestellt hatte, meldeten sich eine Reihe von Künstlern zu Wort, die ihre Arbeit sonst über Tumblr, Etsy oder eigene unabhängige Stores vertreiben. Denn die Designs der neuen Trendkollektion des Fast-Fashion-Unternehmens kamen ihnen merkwürdig bekannt vor. Genauer gesagt, erkannten sie ihre eigene Arbeit sofort wieder.

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Adam Kurtz, ein New Yorker Grafikdesigner, der für seine Ballons mit der Aufschrift „Sorry I am such an Asshole" bekannt ist und bereits mit großen Marken wie Print All Over Me zusammengearbeitet hat, sagte, dass er äußerst überrascht war, als er eine dreiste Kopie seines Designs in der neuen Zara-Kollektion entdeckte. Die Modekette ist übrigens nicht das erste Unternehmen, dass seine Arbeit plagiiert: Er musste bereits des Öfteren Imitate seiner Ballons von Amazon entfernen lassen.

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Anfang dieser Woche legte Kurtz eine neue Sektion in seinem Online-Shop an, in dem er auf das Problem aufmerksam machen möchte: „Unerlaubte Vervielfältigung. Kauf diesen Look!" Dort präsentiert er seine eigene Arbeit zum direkten Vergleich neben dem Abklatsch von Zara. Die in Los Angeles lebende Künstlerin Tuesday Bassen, die bereits für namhafte Marken tätig war und außerdem auch einige Illustrationen für Broadly gemacht hat, musste ebenfalls feststellen, dass Zara ein Design verkaufte, das genauso aussah wie einer ihrer Pins: ein herzförmiger Lolli. Die 27-jährige Illustratorin nutzt ihren Instagram-Account, um zu zeigen, wie ähnlich sich die Designs sind. Nach ihrer Aussage würde das Unternehmen ihre Designs bereits seit Jahren kopieren. Als sie und ihr Anwalt das Unternehmen kontaktierten, wurde ihr—laut ihres Posts—aber nur gesagt, dass sie keinen Anspruch auf ihre Designs hätte.

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„Wir weisen Ihre Ansprüche an dieser Stelle aus denselben Gründen zurück, die wir bereits oben genannt haben: Die fehlende Unterscheidungskraft des vorgeblich von Ihrer Klientin stammenden Designs macht es nicht eindeutig ersichtlich, dass ein wesentlicher Teil der Bevölkerung irgendwo auf der Welt diese Zeichen mit Tuesday Bassen in Verbindung bringen könnte", schrieb das Unternehmen. Der Preis für diese enttäuschende Antwort: 1.800 Euro an Rechtsgebühren.

Laut der Anwältin Leila Amineddoleh, die auf künstlerische Urheberrechte spezialisiert ist, ist Zaras Antwort außerdem „vollkommen irrelevant und schlichtweg falsch." Amineddoleh sagte gegenüber Broadly, dass Zara nach dem Urheberstrafrecht technisch haftbar gemacht werden kann. „Soweit ich das sehe, sieht es so aus, als hätte Zara die Designs der Künstlerin kopiert", sagt sie. „Ihre Erklärung stützt sich darauf, dass Zara sehr viel mehr Anhänger hat als die Künstlerin und das Urheberrecht [Bassen] nicht schützt, selbst wenn sich die Bilder sehr ähnlich sind. Aber das Urheberrecht schützt jeden. Das Gesetz sagt, dass man etwas originäres in einem greifbaren Medium festhalten muss [damit es urheberrechtlich geschützt ist]. Genau das hat [Bassen] getan. Dabei muss es sich also nicht notwendigerweise um ein bekanntes Bild handeln. Was die Originalität angeht, sind die Anforderungen sehr, sehr gering."

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Was allerdings das Gerichtsverfahren betrifft, haben es unabhängige Künstler noch immer ziemlich schwer, gegen ein millionenschweres Unternehmen wie Zara anzukommen. Ich bin ganz klar der Meinung, dass ihr Urheberrecht verletzt wurde", sagt Amineddoleh, „trotzdem glaube ich, dass dieser Fall höchstwahrscheinlich eingestellt werden würde."

Das heißt, dass Unternehmen wie Zara praktisch straflos davonkommen, wenn sie die Arbeit von unabhängigen Künstlern klauen. „Ich glaube, dass es mittlerweile Gang und Gebe ist, dass große Unternehmen bei kleinen, unbekannten Künstlern klauen", sagt Amineddoleh. „Sie haben sehr viel mehr Geld und wissen, dass solche Rechtsstreitigkeiten sehr kostspielig sein können und es sich viele Künstler schlichtweg nicht leisten können, sie anzuzeigen. Ich glaube, die Unternehmen denken, dass die Künstler entweder klein beigeben und erst gar nichts unternehmen—oder dass sie sich mit einer geringen Abfindung zufrieden geben."

Zara ist übrigens nicht die einzige Modemarke, die sich gerne bei anderen bedient. Gabriella Sanchez, eine selbstständige Künstlerin aus LA, ist wegen eines ihrer Herz-Patch-Designs mit der Aufschrift „Don't text him" aktuell in einen Streit mit der kalifornischen Surfermarke PacSun verwickelt. Ein Design, das ihrer Aussage nach auch von Zara kopiert wurde. Sie sagt auch, dass Forever 21 ihren „Fries before guys"-Pin kopiert hätte, den sie vor einigen Monaten designt hat, während sie als interne Designer für Bando tätig war.

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Im Fall der angeblichen Urheberrechtsverletzug durch PacSun stößt sie auf dieselben Probleme wie Bassen: das Unternehmen weicht konsequent aus, während die Kosten für den Rechtsstreit immer weiter steigen. „Für mich ist das ein riesiger Lernprozess", sagt Sanchez gegenüber Broadly. „Ich werde von Anwälten beraten, aber ich versuche die Verhandlungen und Gespräche selbst zu führen, weil es so billiger ist. Aber [PacSun] scheint davon auszugehen, dass sie mich ruhig ein bisschen herumschubsen und mir nur die halbe Wahrheit erzählen können."

Beispielsweise, sagt Sanchez, habe es PacSun so aussehen lassen wollen, als stamme das Shirt von einem herstellerunabhängigen Unternehmen. „Das Urheberrecht wurde von einer der hauseigenen Marken von PacSun verletzt, aber als ich ihnen zum ersten Mal geschrieben habe, haben sie mir davon nichts gesagt. Sie sagten, [bei der Urheberrechtsverletzung] handle es sich um eine Fehlkommunikation mit einem Anbieter. Ich musste erst selbst unzählige Nachforschungen anstellen, bevor ich herausfand, dass die Marke in Wirklichkeit zu PacSun gehörte."

Dann „schrieben sie zurück und sagten, dass sie das Shirt herausgenommen hätten, aber es ist bis heute in einigen Läden erhältlich", sagt sie. „Man bekommt keine Garantie, dass sie auch wirklich tun, was sie sagen: Sie hätten das Produkt herausgenommen, sie hätten mit den Shirts nur so und so viel Geld verdient, bla bla bla … Sie haben mir gesagt, wie viel sie angeblich mit den Shirts verdient hätten, aber ich glaube nicht, dass das stimmt, weil es in einigen Läden ja noch immer verkauft wird."

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Wie viel die Marke angeblich genau mit dem Verkauf der „Don't text him"-Shirts verdient hat, will Sanchez allerdings nicht sagen. „Ich verhandle immer noch mit PacSun, deswegen will ich keine konkreten Angaben machen", sagt sie. Sie macht sich auch Sorgen, dass es ihre zukünftigen Beziehungen zu anderen Marken schädigen könnte, wenn sie zu viel Aufheben um diese Sache macht.

Die Unternehmen denken, dass die Künstler entweder klein beigeben und erst gar nichts unternehmen oder dass sie sich mit einer geringen Abfindung zufrieden geben.

„Ich finde es vollkommen OK, wenn man sehen kann, dass sich Leute von verschiedenen Künstlern inspirieren lassen—wir leben ja schließlich in keiner Blase", sagt sie. „Aber wenn Sachen einfach schamlos kopiert werden und Leute noch nicht mal versuchen, etwas eigenes oder neues aus dieser Inspiration zu machen, dann ist das einfach nur faul. Wenn große Unternehmen so etwas tun, dann nur, weil sie versuchen, sich die Kosten für die Künstler zu sparen und weil sie Geld mit Designs verdienen wollen, von denen sie wissen, dass sie beliebt sind."

In einer Stellungnahme gegenüber Buzzfeed News erklärte Inditex, die Muttergesellschaft von Zara: „Inditex respektiert die kreative Leistung Dritter und nimmt alle Klagen in Bezug auf das geistige Eigentum dritter Parteien sehr ernst. Als uns die Vorwürfe erreichten, wurden die betreffenden Artikel umgehend aus dem Verkauf genommen und die Vorwürfe eingehend geprüft. Parallel hat unsere Rechtsabteilung Tuesday Bassens Anwälte kontaktiert, um die Situation zu klären und eine Lösung zu finden. Inditex hat mehr als 600 interne Designer, die mehr als 50.000 Designs jährlich entwerfen. Wir haben höchsten Respekt vor der kreativen Leistung jedes Einzelnen und werden diesen speziellen Fall bis zum Schluss prüfen." Bassen hingegen sagt, dass Inditex sich weder mit ihr noch mit ihren Anwälten in Verbindung gesetzt hätte und dass zwei ihrer Designs bei Bershka, einem weiteren Inditex-Unternehmen, nach wie vor zum Verkauf angeboten werden.

Broadly hat PacSun um einen Kommentar gebeten, doch das Unternehmen hat sich bis zur Veröffentlichung des Artikels nicht gemeldet.

Wenn du die Designs unabhängiger Künstler unterstützen möchtest, kannst du das hier tun.


Foto: Mw12310 | Wikipedia Commons | CC BY-SA 3.0