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Gesundheit

Neue Vaginalringe und -gele sollen Frauen vor HIV schützen

Frauen sind im Vergleich zu Männern gefährdeter, sich mit dem Virus anzustecken. Deswegen legen immer mehr Forscher ihren Fokus auf den Schutz des weiblichen Reproduktionssystems.
Image by Andrew Loxley

Das humane Immundefizienz-Virus (HIV) wird mittlerweile als „Epidemie der Frauen" bezeichnet. In den subsaharischen Ländern Afrikas stecken sich Frauen im Alter von 15 bis 24 Jahren doppelt so häufig mit HIV an wie Männer und auch auf globaler Ebene bleibt HIV die Haupttodesursache für Frauen im gebärfähigen Alter.

Mitverantwortlich dafür ist die Tatsache, dass Frauen sozial immer noch niedriger gestellt sind als Männer—und ihnen in vielen Teilen der Welt nach wie vor das Recht genommen wird, selbst über ihre sexuelle Gesundheit zu entscheiden. Ein weiterer Faktor ist die weibliche Biologie. „Frauen sind im Vergleich zu Männern gefährdeter—sowohl anatomisch als auch biologisch", sagt Leslie Nielsen, Direktorin der Internationalen AIDS-Impfstoff-Initiative (IAVI). Nielsen arbeitet in Entebbe (Uganda) daran, angemessene Vorsorgeangebote für Gruppen mit einem hohen Ansteckungsrisiko zu finden und zu entwickeln.

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Die Vagina besitzt eine riesige Oberfläche, erklärt Nielsen, die sie im Vergleich zum Penis anfälliger für Infektionen macht. Zudem hat sie eine dünnere Membran, was dazu führt, dass das Virus leichter eindringen kann. Außerdem enthält Sperma einen höheren Anteil an Viren als der Vaginalschleim. Wenn man all diese Faktoren zusammen nimmt, bedeutet das, dass das weibliche Fortpflanzungssystem fruchtbarer Boden für das AIDS-Virus ist, um sich anzusiedeln und von dort aus weiter auszubreiten.

Dennoch ist das Kondom für Männer bisher noch immer das Mittel der Wahl, wenn es um die AIDS-Vorbeugung geht und so wurden auch in den subsaharischen Ländern Afrikas bereits Milliarden von Kondomen verteilt.

Die Vagina besitzt eine riesige Oberfläche, die sie im Vergleich zum Penis anfälliger für Infektionen macht.

Immerhin: Immer mehr Wissenschaftler auf der ganzen Welt erkennen das Potenzial von Mitteln, die über die Vagina angewandt werden und verbeugenden Schutz bieten, indem sie die biologische Antwort der Körpers auf das HI-Virus ausnutzen. Wird das Virus sexuell übertragen, bleibt es nämlich zunächst einige Tage in der Vagina, bevor es beginnt, das Immunsystem anzugreifen und sich im Körper auszubreiten. Forscher legen ihren Fokus genau auf dieses kurze Zeitfenster und rüsten die Vagina von innen gegen das Virus. Die Vagina wird quasi mit Medikamenten gegen das HI-Virus zugestöpselt. Auf diese Weise wird das weibliche Reproduktionssystem zur vordersten Verteidigungslinie im Kampf gegen die tödliche Krankheit.

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Die größte Hoffnung wird derzeit auf den Ring gesetzt—ein flexibles Band in der Größe eines Oreo-Kekses, das in die Vagina eingeführt wird und kontinuierlich Dapivirin, ein antiretrovirales Medikament, das das Wachstum des HI-Virus unterdrückt, freisetzt. Im Februar dieses Jahres, zum Abschluss der beiden Schwesterstudien, haben die Forscher der klinischen Textphase bekannt gegeben, dass der Ring die Übertragung von HIV bei den teilnehmenden Frauen um bis zu 30 Prozent reduziert hat.

Eine dieser Frauen war Sandra, eine alleinerziehende Mutter mit zwei kleinen Töchtern, die in Südafrika an der Versuchsreihe teilgenommen hat. „Ich wollte mitmachen, um mich für die Frauen einzusetzen", sagt sie. „Heutzutage gibt es das HI-Virus überall, deshalb hoffe ich, dass der Ring uns, der gesamten Nation und auch unseren Kindern helfen wird." Etwas schüchtern fügt sie hinzu: „Wenn wir den Ring in uns drin tragen, können ihn uns die Männer auch nicht wegnehmen."

Wenn wir den Ring in uns drin tragen, können ihn uns die Männer auch nicht wegnehmen.

Diskretion ist, wie Sandra bereits andeutet, ein großer Vorteil, den beispielsweise das Kondom für Frauen nicht hat, da es sichtbar ist und während dem Sex angeblich auch seltsam raschelt. Nachdem der Ring langfristig wirkt und nicht sichtbar ist, „können ihn Frauen einfach einführen und nach einem Monat wechseln, was auch den zusätzlichen Vorteil hat, dass sie ihn nicht vergessen können", erklärt Dr. Annalene Nel aus Südafrika. Sie hat die Studie zum Ring für die Internationale Partnerschaft für Mikrobizide (IPM) geleitet. Außerdem berichten die meisten Männer, dass sie ihn während dem Sex nicht spüren konnten, sagt sie.

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Die Forscher haben die Hoffnung, dass der Ring irgendwann einen noch besseren Schutz bieten könnte. Derweil hat er sich in der klinischen Testphase jedoch bereits als so effektiv erwiesen, dass er mittlerweile schon von den Tausenden von Studienteilnehmerinnen eingesetzt wird, obwohl das Mittel noch auf die Handelsfreigabe wartet. „Wir können bereits einen immensen Unterschied bewirken, wenn wir ein Drittel der Frauen schützen können", sagt Dr. Nel, deren Einsatz für die Prävention über den Ring hinausgeht. „Ich glaube fest daran, dass Frauen noch mehr Auswahlmöglichkeiten benötigen werden. Deshalb müssen wir unsere Arbeit fortsetzen, um ihnen diese auch bieten zu können."

Es gibt noch viele weitere Mittel, die sich jedoch noch in einem sehr frühen Stadium der Entwicklung befinden. So auch die Vaginalgele, die einen antiretroviralen Wirkstoff beinhalten und vor oder nach dem Sex eine Schutzschicht über das innere Gewebe der Vagina legen sollen, um die Verbreitung des HI-Virus einzudämmen. Die Substanzen wurden von der Organisation Population Council und der Internationalen Partnerschaft für Mikrobizide (IPM) bereits in Humanversuchen getestet. Dabei gab es noch einige Nebenwirkungen, aber IPM hofft, dass das Gel in ein paar Jahren auf den Markt kommen kann.

IPM fördert zudem auch die Entwicklung eines hauchdünnen Films, der sich innerhalb von Minuten in der Vagina auflöst und einen sofortigen Schutz gegen das Virus bietet. CONRAD, eine Organisation zur Forschung und Entwicklung reproduktiver Gesundheit, arbeitet indes an der Entwicklung eines Vaginalzäpfchens in Tablettenform—mit einem antiretroviralen Wirkstoff, der vom umliegenden Gewebe absorbiert wird und so bis zu 12 Stunden Schutz gegen das HI-Virus bieten soll.

Irgendwann soll es auch ein Diaphragma geben, das sowohl als Empfängnisverhütung als auch als Medikament gegen HIV einsetzbar sein wird, um Frauen auf einen Schlag gleich von zwei Sorgen zu befreien. Jedoch ist es noch Jahre davon entfernt, auf den Markt zu kommen. Noch etwas länger wird die Entwicklung von winzigen Nanofasern mit dem Virostatikum Tenofovir dauern, an denen derzeit gearbeitet wird. Diese Nanofasern sollen in die Vagina eingeführt werden können, von wo aus sie infiziertes Sperma angreifen.

Nicht alle Mittel werden es zwangsläufig auch auf den Markt schaffen, doch es ist wichtig, dass ein Umdenken stattfindet. Nur so wird in neue Ideen in diesem Bereich investiert werden und nur so besteht die Möglichkeit, dass möglichst viele von ihnen auch realisiert werden.