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Zucker

Zucker ist Gift, aber das ist OK

Zucker ist – scheinbar – eine weit verbreitete Bedrohung, die uns alle dick gemacht hat und uns und unsere Kinder umbringen wird. Aber die Sache ist die: Ich will nicht, dass meine Kinder Angst davor haben. Oder eigentlich vor keinem Lebensmittel.
Photo by Ervins Strauhnamnis via Flickr

Zucker ist Gift. So heißt es zumindest auf der Straße, in der Zeitung, in meinem Social Media Feed und es wird regelmäßig beim Abendessen mit meinen Freunden—wo Dessert streng verboten ist—mit immer hysterischeren Stimmen diskutiert. Diese weit verbreitete Bedrohung hat uns alle dick gemacht und wird uns umbringen. Zucker macht süchtig. Er ist in allem. Wir essen alle zu viel davon und wenn wir nichts verändern, werden wir durch das süßeste süße Schwert umkommen.

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Vielleicht wussten wir es immer schon. Dieses bezaubernde Lebkuchenhaus voll mit den kitschigsten Süßigkeiten brachte Hänsel und Gretel dem Tod nahe und wir wurden immer davor gewarnt, Süßigkeiten von Fremden anzunehmen. Vielleicht hätten wir uns nicht nur um den Fremden Gedanken machen sollen.

Der durchschnittliche Deutsche konsumiert jedes Jahr 36 Kilo, ein Brite jede Woche 238 Teelöffel Zucker—in loser Form und in Form von Zusatzstoffen in Lebensmitteln, die bisher unschuldig geglaubt wurden: Baked Beans, Joghurt, Cornflakes, Ketchup und die netten Bananen und harmlosen Trauben. Der Teufel sitzt in unseren Schränken und in unseren Früchteschalen, versteckt hinter komplizierten Listen von Inhaltsstoffen, hinterhältig als gesund verpackt und mit mehr Decknamen als Jason Bourne. 26% der Briten leiden an Adipositas, die Hälfte ist übergewichtig und die direkten Kosten, die dadurch verursacht werden, belaufen sich jährlich auf eine Summe von 6,4 Milliarden. Allein letztes Jahr wurde fast 26 000 Kindern unter Vollnarkose ihre verfaulten Zähne entfernt.

Der Vorsitzende von Action on Sugar, Professor Graham MacGregor, legt die erschreckenden Fakten dar. „Adipositas bei Kindern führt zur frühzeitigen Entwicklung von Herz-Kreislauf- Erkrankungen, Schlaganfällen, Herzinfarkten und Herzversagen." Forscher sagen, dass es genauso gefährlich wie Tabak oder Alkohol geworden ist.

Was bedeuten diese furchtbaren Nachrichten also für uns? Wie gehen wir mit der Angst vor diesem Lebensmittel um und ist es in Ordnung, diese an unsere Kinder weiterzugeben?

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Diese Mutter traf die Entscheidung, dass sie und ihre gesamte Familie 30 Tage lang auf Zucker in ihrer Ernährung verzichten. Dieser kalte Entzug ist ziemlich geschickt, aber die Dämonisierung von all diesen Lebensmitteln, die eigentlich ganz normal sind, fühlt sich ein bisschen brutal an. Ich kann es durchaus verstehen, aber ich würde das niemals versuchen. Ich bin die Mutter von einem Haufen kleiner Jungs. Somit bin ich dafür verantwortlich, sie zu ernähren und ihnen beizubringen, wie sie sich selbst ernähren können, wie sie über essen denken sollen und ihnen den Weg zu zeigen, wie sie später, wenn sie endlich ausziehen und das Haus nicht mehr verwüsten, gute Entscheidungen treffen. Also muss ich entscheiden, wie ich mit diesen Neuigkeiten über Zucker umgehen werde und alle dabei in Sicherheit und am Leben halte.

Gewisse Arten von Lebensmitteln zu dämonisieren ist zweifelsohne im schlimmsten Fall schädlich—im besten Fall dämlich—wie meine jugendlichen Streifzüge in die Dämonisierung von Essen und die Entwicklung eines Wahns beweisen. Ich hatte Angst vor Fett. Also das harte, weiße auf Fleisch, das eine komplett neue Geschmackswelt eröffnet, wenn es ausgelassen wird. Das bedeutete, dass ich Butter wie die Pest mied und um Croissants einen Riesenbogen machte.

Ich gebe Rosemary Conley die Schuld dafür.

Als ich eine eher kräftige, beeinflussbare, und frühreife 12-Jährige war, entdeckte ich eine Ausgabe von Conleys Hip and Thigh Diet. Ich hatte meine erste Diät-Erleuchtung während ich auf Rosemarys in Badeanzug gepackten Hintern und ihre Oberschenkel blickte, bevor und nachdem sie gesättigte Fette aus ihrer Ernährung verbannte (obwohl sie ein depressive, ausgewachsene Frau mit einem Bürojob, den sie im Sitzen ausübt, war und ich ein heranwachsendes Kind). Ich war so davon beeindruckt und nahm ihren Rat, dass Fett ein Monster ist, das meine Cellulite und meine „falschen" Oberschenkel verursacht, an. Um also jemand ohne schlaffe Körperteile zu werden—ein jugendlicher Conley-Klon, der einen Badeanzug tragen konnte, ohne dabei in Scham in Tränen auszubrechen—verzichtete ich sofort auf Butter bis ich 25 war.

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So viele traurige Jahre, in denen ich Milchprodukte verweigerte. Ich strich mir Avocado auf meinen Toast und murmelte vor mich hin, es wäre „die Butter der Natur", während alle anderen mit ihren glänzenden, fettigen Lächeln lächelten und in ihre glücklichen Toastkomas fielen. Es versteht sich von selbst, dass mein Hintern und meine Oberschenkel, die durch den jahrelangen Verzicht auf Neuseelands feinste Milchprodukte abgehungert waren, sich immer noch stur weigerten, endlich straff zu werden, so wie Conley es doch versprochen hatte.

Ich kämpfte mich gerade durch diese komische Wildnis von dämlichen Diättips ohne die Hilfe einer ähnlich besessen Mutter—meine hatte absolut kein Interesse an Gewicht oder Diskussionen über dick und dünn—als ich in einem Artikel in einem Magazin las, dass Elle Macpherson jeden Tag vor dem Frühstück einen Liter Wasser trank, um ihren Stoffwechsel in Fahrt zu bringen und sich von „Giftstoffen" zu befreien. Also startete ich meine tägliche, frühmorgendliche Ein-Liter-Wasser-Routine, die dazu führte, dass ich mir Sorgen machte, wenn mein unmenschlicher Schwall Urin mal nicht so klar wie ein Gebirgsbach war. Das hielt an, bis ich zur Uni ging.

Wieder mal dummköpfiges, unvernünftiges und falsch unterrichtetes Verhalten. Auf meine langfristige Blasenbelastbarkeit wirkte sich das auch nicht förderlich aus.

Ich möchte, dass meine Kinder clevere, informierte Entscheidungen treffen, die sie auf der Basis von Verstand und einem Schimmer Risiko treffen. Essen sollte nichts angsteinflößendes oder überwältigendes sein. Kinder sollten die Freiheit haben, manche dieser Entscheidungen selbst zu treffen, darüber informiert zu werden, warum Zucker—wenn du ihn in großen Mengen verschlingst— ein Dämon in weißer Kleidung ist und warum es wichtig ist, gesunde Zähne zu haben und nicht nur, dass Zucker gleich böse ist. Ich möchte nicht, dass sie ihre Reise ins Erwachsenwerden mit schlecht informierten Entscheidungen oder Nervosität, was Essen betrifft, antreten, so wie es bei mir der Fall war.

Ich drücke kein Auge zu, wenn meine Kinder Haribopackungen, die sie heimlich nach der Schule gekauft haben, in ihren Kissenbezügen verstecken. Ich bin aber der Meinung, dass eine militante Kein-Zucker-Regel meiner wichtigeren Botschaft der Balance, die ich ihnen beibringen möchte, entgegenwirken würde. Am Ende ist das das Wichtigste.

In meinem Haus werden immer Früchte auf dem Tisch liegen.