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Techno auf Tatooine: von Sandpeople und Salafisten

Es war einmal vor langer Zeit in einer weit, weit entfernten Galaxis ... Es gibt wohl keinen besseren Ort für eine Technoparty als eins der alten Star Wars-Sets in den Dünen Tunesiens.

Es war einmal vor langer Zeit in einer weit, weit entfernten Galaxis … Star Wars, Episode 1. Wir befinden uns auf dem Wüstenplaneten Tatooine, einem Ort voller krimineller Aussätziger und Heimat von Anakin und Luke Skywalker. Die Häuser der gesetzlosen Stadt Mos Espa sind Berberhütten aus der Sahara-Region nachempfunden, gedreht wurde  in Tunesien.

Und was ist wohl ein besserer Ort für eine Technoparty als eins dieser alten Star Wars-Sets in den Dünen? Na klar, wenn wir uns in den Original-Kulissen von Episode IV bis VI befinden würden, wäre das für alle Beteiligten wahrscheinlich aufregender, aber man kann nicht alles haben.

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Les Dunes Electroniques“ hieß das Festival, das vom 21. bis zum 23. Februar Techno-Volk aus Tunesien und Frankreich in die Wüste brachte. Aber Moment: Ein Technofestival in einem muslimischen Land, dessen stärkste Partei die islamistische Ennahda ist und wo Dschihadisten immer wieder mit Anschlägen drohen?

In Tunesien darf man nicht einmal auf der Straße Alkohol trinken, fürs Kiffen kriegt man ein Jahr Knast und andere Drogen sind extrem schwer aufzutreiben. Es sind also einige Tricks gefragt, um seine Wohlfühldosis Highmacher auf die Party zu schaffen, wie von diesem jungen Mann, der aus Tunis angereist kam und sein Haschisch in einem Aufladegerät transportiert hatte.

Das Festival war dann auch von Tausenden Cops bewacht. Die ganze 400 Kilometer lange Route zwischen Tunis und Nefta, dem Ort des Geschehens, wurde von Sicherheitskräften blockiert. Auf dem Festivalgelände selbst wimmelte es von Bullen und Militär, auf der Party waren 500 Zivilpolizisten und wer rein wollte, musste erst einmal durch einen Sicherheitscheck wie am Flughafen.

Doch war man erstmal drin, wurde man für jeden Stress entschädigt: Die Location hätte nicht besser gewählt sein können, die Wüste ist wunderschön, die Anlage war einwandfrei und der Geist von Star Wars lag in der Luft. So traf ich Prinzessin Leia und Boba Fett, die mir zuvorkommenderweise etwas von ihrem LSD abtraten. Sie waren extra aus der Schweiz angereist und hatten satte 300 Euro nur für die Anreise bezahlt.

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Auch Darth Vader war Partygast, so wie einige eher unorthodoxe Auslegungen von Star Wars-Charakteren.

Ein wenig schade war es, dass das eigentliche Set für das gemeine Volk gesperrt war. Der kleine Teil von Mos Espa, der in Nefta steht, ist zwar eine Touristenattraktion, aber für die Feierwütigen war er dann wohl doch zu schade, dabei gab es einige witzige Dekoelemente zu bewundern.

Gegen Abend waren etwa 4.000 Gäste auf der Party, die dem Geist von Mos Espa alle Ehre machte: Die harten Antidrogengesetze waren vergessen, ein Polizist wollte sogar von dem Joint rauchen, der rumging, und seine Kollegen heizten auf Quads in den Dünen herum. Die Stimmung war gut, allerdings brachen zwischendurch immer wieder kleinere Schlägereien aus, was aber anscheinend für tunesische Verhältnisse noch harmlos war.

Für die Region bedeutete das Festival viel. Der Tourismus war eingebrochen, im nahegelegenen Tozeur mussten in den letzten drei Jahren 20 große Hotels schließen. Daher hatte sich selbst die Ministerin für Tourismus auf den Weg nach Nefta gemacht, wo sie von der Menschenmenge warm empfangen wurde. Es brach ein spontaner Chor aus, der den Chef der islamistischen Partei Rached al-Ghannouchi beleidigte: „Ghannouchi, fick deine Mutter“, sang die betrunkene Menge wie aus einem Munde und die Ministerin hatte dafür ein Lächeln übrig.

Als sich die Nacht senkte, war die Feierei auch bald vorbei. Sich von den Dünen zu trennen, fiel schwer, war der Ort doch wirklich schön. Was nachklingt, ist das Bedürfnis der Jugend nach Spaß und weniger Kontrolle durch den Staat und die Polizei.