Paris Hilton posiert vor den Teilnehmerinnen und Teilnehmern ihrer Reality-Show 'Paris Hilton's My New BFF'
Foto: MTV

FYI.

This story is over 5 years old.

TV

Warum 'Paris Hilton's My New BFF' immer noch der Gipfel des Trash-TV ist

Vor zehn Jahren kämpften Fame-wütige Frauen und Männer um die Freundschaft des platinblonden It-Girls. Mit dem, was hinter den Kulissen geschah, haben viele immer noch nicht abgeschlossen.

Vor ziemlich genau zehn Jahren ging die US-amerikanische Reality-Show Paris Hilton's My New BFF erstmals auf Sendung. Paris Hilton's My New BFF, die Fortsetzung Paris Hilton's My New BFF 2 und die internationalen Adaptionen Paris Hilton's British Best Friend and Paris Hilton's Dubai BFF funktionierten alle nach demselben Prinzip: Kandidatinnen und Kandidaten treten in Wettbewerben gegeneinander an, um die Freundschaft der Hotelerbin, Businessfrau und des ersten echten It-Girls Paris Whitney Hilton zu gewinnen.

Anzeige

Die Produzenten hatten die Show als postmoderne Satire erdacht, die den damaligen Hype um Reality-Shows auf die Schippe nehmen sollte. Leider schienen das weder die Kandidatinnen der Show noch die Zuschauer zu wissen. (Nach Deutschland verschlug es Hilton auf der Suche nach einer neuen Busenfreundin übrigens nicht – dafür durften Frauen und Männer 2009 auf ProSieben in Gina-Lisa's Best Buddy um die Gunst von Gina-Lisa Lohfink buhlen.)

Die späten 2000er schenkten uns einige seltsame Reality-TV-Formate. Mit dem richtigen Blickwinkel ist Paris Hilton's My New BFF jedoch mehr als Trash-TV. Die Sendung hält der Reality-TV-Kultur und der falschen Vorstellung davon, das Anhängsel eines Promis zu sein, den Spiegel vor. Denn die Teilnehmerinnen wetteifern nicht nur um Hilton's Freundschaft, sie konkurrieren um die Nähe zu einem Celebrity mit allem, was vermeintlich dazugehört: Geld, Ansehen, ein kleines Stück vom Fame. Schließlich war Kim Kardashian einst auch nur ein Mitglied von Paris Hilton's Entourage.

Jed Elinoff und sein Partner Scott Thomas entwickelten das Konzept für Paris Hilton's My New BFF im Jahr 2006. "Damals wirkte es so, als hätten Reality-Shows ihren Höhepunkt erreicht und unsere Show war als Parodie gedacht", sagt er gegenüber Broadly. Laut Elinoff wollten sie sich nicht über die Kandidatinnen und Kandidaten lustig machen, sondern die absurden Exzesse des Reality-Formats satirisch aufzeigen. "Wir dachten uns, worum kann man noch in einer Reality-Show kämpfen? Wie bescheuert kann es noch werden?"

Anzeige

Sie waren sich sicher: "Das ist so witzig! Jeder wird den Joke kapieren. Du kannst nicht in einem Wettbewerb antreten, um der beste Freund von jemandem zu werden." Doch als Elinoff die fertige Show sah, wurde ihm mit Schrecken klar, dass er sich geirrt hatte. Anscheinend konnte man doch aus allem einen Wettbewerb machen.


Mehr von Broadly: Auf spiritueller Suche beim Beyoncé-Gottesdienst


Schaut man sich die Sendung genauer an, sieht man, dass sich nicht alle Beteiligten wohl damit fühlen, um Hilton's Freundschaft zu buhlen. "Du bist schön, du bist pure Inspiration, du bist so inspirierend", improvisiert eine Teilnehmerin eine flammende Rede auf Hiltons vermeintliche Großartigkeit – und schämt sich dabei mindestens so sehr wie wir beim Zugucken.

Der Kandidat Nelson Chung, besser bekannt als "Onch", wollte tatsächlich Paris' neuer bester Freund werden. In einer Folge sieht man, wie er sich in einem Vergnügungspark übergibt, nachdem er mit einer Achterbahn gefahren ist, um Paris zu beeindrucken. Und das, obwohl er eigentlich panische Angst hat. "Ich möchte einfach nur ihr Freund sein", schluchzt er, als sich die Sicherheitsgurte vor Beginn der Fahrt schließen. "Ich möchte nicht gefoltert werden."

Chung ist mit Abstand der unterhaltsamste Kandidat der Show und kehrt sogar als Co-Host für Staffel 2 zurück. Chung sagt, dass Hilton ihn nie von oben herab behandelt habe. "Es war eher so: 'Hey Onch, du bist mein Kumpel, lass uns was machen!'"

Anzeige

Doch am Ende gewann nicht Chung, sondern Brittany Flickinger das Finale der ersten Staffel. Auf die Frage, ob Flickinger die Freundschaft von Hilton verdient hätte, antwortet Chung: "Ich glaube, wir haben uns alle angestrengt, Paris' Herz zu gewinnen, darum hatte jeder den Sieg verdient." Eine sehr diplomatische Antwort, bemerke ich. Chung lacht. "Paris hat uns beigebracht, wie wir mit den Medien umgehen müssen. Wir haben von der Besten gelernt."

Er sagt, dass er noch heute mit Hilton gut befreundet sei: "Überraschenderweise hat sich tatsächlich eine echte Freundschaft zwischen uns entwickelt." Vor ein paar Wochen habe er ihr eine Kette geschickt, die sie zum Burning-Man-Festival tragen wollte. Der Schmuckdesigner aus Taiwan sagt, dass Hilton ihm geholfen habe, ein Visum für die USA zu bekommen, denn sie habe der Einwanderungsbehörde ein Empfehlungsschreiben geschickt. "Dank Paris darf ich in den USA bleiben und hier arbeiten."

Alle Kandidatinnen, mit denen ich spreche, sind von Hilton begeistert, selbst wenn sie offen zugeben, warum sie wirklich an der Show teilgenommen haben. "Ob ich mit Paris im echten Leben befreundet sein würde? Klar, sie ist super", sagt die Kandidatin Natasha Lomis. Der Grund für ihre Teilnahme war allerdings ein anderer: Sie wurde für die Show gecastet. "Ich liebe Paris, sie ist toll", meint auch die Kandidatin Kayley Gable. "Ich hätte nichts dagegen gehabt, ihre Freundin zu werden, aber ich denke nicht, dass man einen Wettbewerb gewinnen muss, um mit jemandem befreundet zu sein. Das fand ich damals ziemlich geschmacklos."

Anzeige
1538493386937-42929598_2051067918249140_7625026771129204736_n

Chung und Hilton | Foto mit freundlicher Genehmigung von Nelson Chung

Die Gewinnerin Flickinger spricht verhalten über ihre Freundschaft zu Hilton. "Wir waren noch eine zeitlang danach befreundet", erzählt sie mir. "Wir haben geredet und uns getroffen. Aber heute haben wir kaum noch Kontakt."

Doch wenn die Kandidatinnen gar nicht nach Freundschaft suchten, warum nahmen sie dann an der Show teil? Größtenteils wollten sie berühmt werden. "Das Konzept des It-Girls war damals sehr angesagt", sagt Elinoff. "Das waren diese jungen reichen Frauen wie Kim Kardashian oder Paris Hilton. Sie waren berühmt dafür, berühmt zu sein."

Und es steckte noch mehr dahinter: Wenn Fernsehformate über Frauen wie Hilton gesendet wurden, brachte das auch Werbeverträge und ganze Produktlinien mit sich, wie Hiltons Kosmetikserie und Schuh-Kollektion. Die angehenden Schauspielerinnen, Models und Musiker, die bei Paris Hilton's My New BFF antraten, waren bereit, sich für die Show vermarkten zu lassen, um auch ein wenig vom Fame abzubekommen. "Du machst bei diesen Shows mit, und du weißt vorher, dass es jemanden gibt, der sich scheiße verhält, es gibt Romanzen und du erfüllst diese Klischees, weil du dir denkst, das ist meine Chance, berühmt zu werden”, bestätigt Elinoff.

Für einige Kandidatinnen hatte die Teilnahme an der Show auch unangenehme Folgen. Abgesehen von Chung würde keine der Kandidatinnen, die ich interviewt habe, jemals wieder bei einer Reality-Show mitmachen. Vor allem Flickinger, die heute als Creative Director arbeitet, ist überzeugt, dass die Teilnahme an der Show ihr bis heute anhaftet. "Du wirst dafür verurteilt, dass du an einer Reality-Show teilgenommen hast", sagt sie. "Ich wurde lange nicht ernst genommen und würde das nicht nochmal machen."

Anzeige

Das liegt auch daran, dass die Produzenten in die Handlung eingriffen, um Szenen interessanter zu machen. In der vierten Folge sollen die Kandidaten beispielsweise einen Werbeclip für ein Produkt von Paris Hilton entwickeln. Bewertet werden die Ergebnisse von dem Leiter einer Werbeagentur, der sich wie ein Arschloch benimmt. Einer Kandidatin sagt er, dass sie zu dick sei, um Hiltons Jeans zu vermarkten. "Du willst Jeans verkaufen? Da passt du doch nicht mal rein! Vielleicht solltest du dir lieber eine Mitgliedschaft im Fitnessstudio zulegen und ein paar Sit-ups machen."

1538484504507-Screen-Shot-2018-10-02-at-134759

Teilnehmerin Kayley Gable | Foto: MTV

Lomis sagt dem Juror die Meinung und tritt vor Wut einen Stuhl um. Sie erzählt mir, dass sie den Juror tatsächlich konfrontierte, dass sie aber erst gegen den Stuhl trat, als die Produzenten sie dazu aufforderten. Lomis’ Rolle war die der Problemkandidatin, die sich angeblich nicht unter Kontrolle hat – wofür sie auch von Hilton kritisiert wird. Eine Darstellung, die Lomis immer noch unfair findet, auch wenn sie mittlerweile Zuspruch für ihre Reaktionen bekommt: "Heute sagen mir Leute, dass es gut ist, dass ich mich damals gewehrt habe. Zehn Jahre später verstehen es die Menschen endlich."

Gable sieht das ähnlich. "Natasha war an diesem Tag angepisst. Aber nur, weil der Typ ein verdammtes Arschloch war!”, sagt sie. “Das war sexistisch. Mittlerweile kann ich kaum glauben, dass zugelassen wurde, dass wir so behandelt werden." Auch Gable hat ein Problem damit, wie die Produzenten in das Geschehen eingriffen. "Sie wollten, dass wir den ganzen Tag Alkohol trinken", erzählt sie. Irgendwann war sie nach eigener Aussage so dehydriert, dass sie ins Krankenhaus musste.

Anzeige

Flickinger bestätigt den Vorwurf: "In der einen Folge im Sushi Restaurant brachten sie uns ständig Shots." Da Flickinger nicht gerne trank, musste sie improvisieren: "Ich musste so tun, als ob ich trinke und betrunken wäre."

Der Produzent der Show, Michael Hirschorn, streitet die Anschuldigungen ab und sagt, die Produzenten hätten Kandidatinnen nicht zum Alkoholkonsum ermutigt. Er betont aber auch, dass die Sendung schon viele Jahre zurückliege und er die Aussagen von Flickinger und Gable daher nicht komplett widerlegen könne.

Dennoch gibt Hirschorn zu, dass die Show ihre Schwachpunkte hatte. "Damals glaubten wir, dass diese Art von Show keine Konsequenzen haben würde, heute sehe ich das anders. Aus heutiger Sicht wirkt die Show an einigen Stellen moralisch verwerflich." Obwohl er inzwischen keine Reality-Shows mehr produziert, distanziert er sich nicht komplett von der Sendung: "Ich sehe es als großen Erfolg, dass wir die Sendung damals produzieren konnten."

Ähnlich wie einen Rorschach-Test kannst du Paris Hilton's My New BFF anschauen und jedes Mal etwas anderes sehen. Vielleicht ist es ein selbstironisches Format, das die schlechtesten Eigenschaften von Reality-TV auf die Schippe nimmt. Vielleicht ist es ein schockierendes Beispiel dafür, wie Fernsehverantwortliche Kandidatinnen ausnutzen, um die höchstmöglichen Einschaltquoten zu erzielen. Vielleicht ist es auch einfach nur seichte Unterhaltung – leicht zu verdauen, schnell zu vergessen. Höchstwahrscheinlich ist es eine Mischung aus allem.

Folgt Broadly auf Facebook, Twitter und Instagram.