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Film

Marlene Dietrich kämpfte gegen Nazis und Geschlechterkonventionen

Auch 25 Jahre nach ihrem Tod bleibt die bisexuelle Berlinerin eine unvergessene Ikone der Filmgeschichte – mit der "romantischen Unreife einer 16-Jährigen".
Foto: Mauricio Navarrete Contreras | Flickr | CC BY 2.0

Marlene Dietrich ist eine der legendären Frauen der deutschen Filmgeschichte. Offen revoltierte die erklärte Antifaschistin gegen das Dritte Reich und erarbeitete sich nebenbei einen Ruf als engelsgleiches, sinnliches Sexsymbol. Eine Göttin der Leinwand, die trotz ihren bürgerlichen Vornamen, Marie Magdalene, mit Religion nichts am Hut hatte. Dietrich starb am 6. Mai 1992 im Alter von 90 Jahren. In diesem Monat jährt sich ihr Todestag zum 25. Mal. Zeit, um sich an die einzigartige Schauspielerin, die sich durch ihre rebellische Art auch abseits ihrer Filme unsterblich machte, zu erinnern.

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Als ich mir die 1984 erschienene Dokumentation Marlene angesehen habe, wurde mir schnell klar, dass es nicht einfach sein würde, über sie zu schreiben. Dietrich war eine komplizierte und nonkonformistische Frau. Entdeckt wurde sie mit Ende 20 von Josef von Sternberg. Der Regisseur nahm sie unter seine Fittiche und wurde ihr Liebhaber. Eine Beziehung, die über sieben Filme hielt. Einer davon ist Blonde Venus aus dem Jahr 1932.

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In der ersten Szene weißt Dietrich eine Gruppe Männer zurecht und wirft ihnen dabei einen Blick zu, der kokett und abweisend zugleich wirkt. Dann sagt sie zunächst auf Deutsch und dann auf Englisch: "Wollen die Herren vielleicht die Güte haben und sich zum Teufel scheren?" Letztendlich landet sie genau bei dem Mann, den sie verscheucht und hat später eine Affäre mit einem Millionär (Cary Grant). Schlussendlich landet sie mittellos auf der Straße. Trotzdem bin ich fest davon überzeugt, dass eine obdachlose Marlene Dietrich immer noch um Längen glamouröser aussieht, als andere Frauen in Pelz und Perlen.


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In Deutschland galt Dietrich lange Zeit über als besonders skandalös und umstritten. Die meisten Menschen schienen nicht zu wissen, was sie von der Schauspielerin halten sollte. Einige von ihnen fühlten sich auch von der Schauspielerin betrogen, die nach Hollywood ging, um dort Karriere zu machen und die amerikanische Staatsbürgerschaft zu beantragen, den Nationalsozialismus ablehnte und dem Verfehlen der Deutschen damit den Spiegel vorhielt. Dietrich wurde 1901 in Berlin geboren und erlebte beide Weltkriege mit. Ihre eigenen politischen Ansichten kamen allerdings erst im Verlauf des Zweiten Weltkriegs zur Sprache.

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Sie unterstützte die amerikanischen Truppen und war eine der beliebtesten und begehrtesten Akteurinnen der amerikanischen Truppenbetreuung. Sie wollte ihre Auftritte als Künstlerin nutzen, um ihren Anteil im Kampf gegen den Nationalsozialismus zu leisten.

Marlene Dietrich bei einem Auftritt vor amerikanischen Frontsoldaten im Jahr 1944. Foto: The Lorraine Campaign | Wikimedia Commons | Public domain

Dietrich selbst betrachtete ihr Engagement mit gewohnt bescheidener Lässigkeit. "Natürlich waren wir gegen die Nazis. Natürlich waren wir das", sagt sie in Marlene. "Erfordert es Mut, um Stellung zu beziehen? Nein." Marlene Dietrich lebte zur selben Zeit wie Leni Riefenstahl. Dennoch lebten die beiden in zwei unterschiedlichen Welten: Während Riefenstahl von den Nazis gefeiert wurde, weigerte sich Dietrich, die NS-Propaganda zu unterstützen und galt daher als "ganz und gar undeutsch".

In jedem ihrer Filme – von leichteren Werken wie Der blaue Engel (1930) zu neueren Produktionen wie Im Zeichen des Bösen (1958) – ist ihre Ausstrahlung schlichtweg unglaublich. Ihre Wangenknochen scheinen wie gemacht für das Scheinwerferlicht, ihre Augenbrauen erzählen spielerisch Geschichten, ihre Lippen formen einen leichten Schmollmund und ihr verführerischer Blick lässt jeden dahinschmelzen. Teile ihrer Legende verdankt sie allerdings auch Menschen wie Sternberg, die den Mythos und die Faszination um ihre Person genährt haben.

Marlene Dietrich stand auf einer Stufe mit Schauspielerinnen wie Greta Garbo. Doch trotz ihrer erfolgreichen Karriere, entwickelte sie sich im Alter zu einer Einsiedlerin. Über Jahre war sie bettlägerig und wollte weder gefilmt, noch fotografiert werden. Auch Maximilian Schell, der Regisseur von Marlene, durfte lediglich ihre Stimme aufzeichnen. Normalerweise ein Ausschlusskriterium für Filmemacher. Letztendlich entschloss sich Schell, die Tonbandaufnahmen mit Filmszenen und anderen Aufnahmen von Dietrich zu unterlegen, was schließlich zu einer widersprüchlichen und aufschlussreichen Dokumentation führte.

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Das Ganze wirkt wie ein Film mit einem unzuverlässigen Erzähler. Dietrich lässt dabei nichts aus: Sie erzählt von ihrer Karriere, ihrem Privatleben, Vorsprechen und ihrer Beziehung zu Ernest Hemingway, die "nichts Erotisches oder Sexuelles" hatte. Obwohl es unzählige Biografien gibt, die von ihren vielen Affären (mit Männern und Frauen) und ihrer offenen Beziehung mit ihrem Ehemann Rudolf Sieben (den sie 1923 heiratete) erzählen, sagt Dietrich: "Ich war überhaupt nicht sinnlich!"

Eine Aussage, die nur schwer zu glauben ist. Vor allem, wenn man Marokko (1930) von Sternberg kennt – den Film, in dem sie Anzug und Zylinder trägt und kurzerhand eine Frau küsst. Ein Akt, der zur damaligen Zeit unvorstellbar war. Gleichzeitig war es die Szene, die sie endgültig in das geheimnisvolle, androgyne Sexsymbol und die Königin der Hosenanzüge verwandelte. Für die Rolle erhielt sie eine Oscar-Nominierung als beste Schauspielerin.

Zeit ihres Lebens hat Marlene Dietrich mit den großen Meistern ihres Faches zusammengearbeitet. Über Hitchcock wollte Dietrich in Marlene zwar nicht sprechen, dafür bezeichnete sie Fritz Lang als "ein absolutes Grauen" und erzählte, dass ihr von Sternberg "immer absichtlich das Leben schwer machte". Gleichzeitig brachte ihr zwischenzeitlicher Lebensgefährte sie aber auch dazu, für sich selbst zu denken und nicht einfach nur den Anweisungen anderer zu folgen. Die Schauspielerin bleibt allerdings eine unverlässliche Erzählerin. An einer Stelle in der Dokumentation erzählt sie, Einzelkind zu sein. Tatsächlich hatte sie aber eine Schwester.

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Außerdem behauptet Dietrich auch steif und fest, ein "praktisch veranlagter und logisch denkender Mensch" zu sein, der "keine Zeit für Träumereien" habe. Dabei schrieb sie Gedichte und beschwor auf der Bühne die wildesten Fantasien herauf. Außerdem behauptete Billy Wilder, dass die Schauspielerin in Wahrheit eine "unverbesserlich romantische Seele" gewesen sei. Das ging offenbar sogar so weit, dass sie die "romantische Unreife einer 16-Jährigen" besaß.

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Gegen Ende der Dokumentation sagt Dietrich, ihre Karriere nie ernstgenommen zu haben. Sie schreibt ihre Bekanntheit der Tatsache zu, dass sie von vornherein kein Interesse daran hatte und genau das eine der Eigenschaften gewesen sei, die Josef von Sternberg so sehr an ihre faszinierten. Auch hier stellt sich die Frage, wie ehrlich die Ikone damit zu sich und anderen wirklich ist. Schließlich hat sie im Lauf ihrer Karriere oftmals Rollen gespielt, denen es gelang, andere hinters Licht zu führen. Marlene Dietrich war immer eine Frau, die sich verwandeln konnte und für die Kunst verwandeln ließ. Eine Fähigkeit, die so selten und so überragend war, dass sie ihre Zuschauer damit auch noch nach knapp hundert Jahren in den Bann zieht.

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Foto: Mauricio Navarrete Contreras | Flickr | CC BY 2.0