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Interviews

Viet Cong haben sich nicht genug über ihren Bandnamen informiert

Außerdem wird sich die Nachfolgeband von Women wahrscheinlich auch auf der Bühne zerstreiten. Mit Blut.

Nachdem sich die Art Rock-Band Women während eines Konzertes 2010 noch auf der Bühne nach einem heftigen Streit auflöste, war es lange Zeit ruhig um die Kanadier geworden. Bis jetzt: Zwei der Gründungsmitglieder haben sich zwei weitere Musiker gesucht, spielen jetzt als Viet Cong majestätischen Post-Punk und haben gerade ihr Debüt veröffentlicht, dessen Singles von uns schon gebührend gelobt wurden. Da war ein persönliches Gespräch nur noch reine Formsache.

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Es ist noch früher Nachmittag, als ich Scott Munro und Matt Flegel in einem Berliner Hotel treffe. Gutgelaunt sitzen sie in einer Ecke der Lobby, zwei leere Bierflaschen stehen vor ihnen auf dem Tisch. Gerade bestellen sie sich eine neue Runde und fragen höflich, ob ich auch ein Bier haben möchte. Kurz überlege ich, entscheide dann aber, dass es dafür echt noch zu früh ist und lehne dankend ab. Scott erwidert in gebrochenem Deutsch: „Ah, kein Bier vor Vier!“ Exakt. Kurz fachsimpeln wir noch darüber, ob diese goldene Regel sozial angesehener Enthaltsamkeit auch auf Cannabis übertragbar ist, stellen fest, dass es da eher auf die Dosierung ankommt und schon schalte ich auf Aufnahme.

Noisey: Viele Menschen in eurem Heimatland scheinen von eurem Namen angepisst zu sein. Habt ihr das bei der Namenswahl bedacht?
Scott: Nein, obwohl es sicher besser gewesen wäre. Niemand ist deswegen gemein zu uns. Die meisten schreiben uns nur, um uns zu sagen, dass ihre Familien für ein paar Jahre in einem Kriegsgefangenenlager der Viet Cong waren.
Matt: Es gibt viele dieser „Ihr solltet das wissen!“-Mails. Der Name war wahrscheinlich eine unglückliche Wahl, aber immerhin habe ich dadurch etwas gelernt, weil ein wenig recherchiert habe.

Wirklich? Als ihr den Bandnamen gewählt habt, wusstet ihr eigentlich nichts über die Viet Cong?
Matt: Nein, nicht genug. Wir dachten, dass er nur anstößig für Amerikaner war. Jetzt wissen, wir, dass er für Vietnamesen, die von diesem Krieg ja auch betroffen waren, beleidigend ist. Die Viet Cong haben ihren eigenen Leuten viele schreckliche Dinge angetan. Das weiß ich jetzt. Hätte ich das vorher gewusst, wäre die Namenswahl vielleicht anders ausgefallen. Außerdem hätte ich auch nie gedacht, mich Journalisten in ganz Europa erklären zu müssen (lacht).

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Tja, die Frage nach der Namenswahl ist schon eine Kernfrage.
Matt: Ich merke schon. Es waren keine bösen Absichten, es war Zufall. Ich fühle mich schlecht, so viele beleidigt zu haben, aber die Leute sollen sich doch lieber entspannen. Es ist nur ein Bandname.

Alles klar. Ich habe gehört, dass sich deine alte Band Women aufgelöst hat, nachdem ihr euch während eines Konzerts auf der Bühne gestritten hattet. Was war der Grund für die inneren Differenzen?
Matt: Als das passiert ist, war ich als Mr. T verkleidet und hatte mein Gesicht schwarz angemalt. Das ist auch ziemlich beleidigend, also gebe ich wahrscheinlich einen Scheiß darauf, ob Menschen sich angegriffen fühlen könnten (lacht). Es war eine Halloween-Show, wir hatten eine lange Tour hinter uns, es war viel Scheiße passiert und wir hatten uns kein bisschen um uns selbst gekümmert. Jetzt haben wir aber ein gutes Gefühl. Wir sind vier Typen, die sehr gut miteinander auskommen. Es gibt keine Familienmitglieder in der Band, keine großen Egos.

Es besteht also keine Gefahr, dass sich die Geschichte wiederholen kann?
Matt: Nein, aber man kann nie wissen. Obwohl wir denken, dass wir das mal machen sollten, so als Gag (lacht). Es wäre so lustig, die Leute damit zu verarschen, dass es immer wieder passiert. In ein paar Jahren, wenn Viet Cong viel Aufmerksamkeit bekommt und die Leute sich mit unserer Musik anfreunden, wäre ein solcher Streit auf der Bühne einfach unglaublich toll. Aber diesmal wäre es ein richtiger Kampf. Es würde Blut vergossen werden (beide lachen).

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Habt ihr das Gefühl, dass Women eure aktuelle Band überschattet?
Matt: Nein, eher, dass die Leute neugierig sind zu hören, wie wir jetzt klingen. Auch wenn Michael und ich dabei sind, ist es ein total anderes Projekt. In Women habe ich ja auch nicht viele Songs geschrieben. Bei Viet Cong sind wir viel stärker involviert, es ist unser Ding. Women war das Ding meines Bruders. Es ist toll, dass sich Leute noch immer für diese Band interessieren. In fast jedem Interview kommt Women zur Sprache. Ich würde aber auch danach fragen.

Auf Wikipedia steht, dass der Hauptgrund, Viet Cong überhaupt zu starten, der Tod des Women-Gitarristen Christopher Reimer war?
Scott: Ja, vorher haben wir nur davon geredet, eine Band zu gründen. Nachdem er starb, haben wir es wirklich gemacht.
Matt: So etwas ist ein ziemlicher Arschtritt. Du hörst auf, Zeit zu verschwenden und machst mehr aus deinem Tag. Ein Freund von uns ist dann voll auf den Fitness-Trip gekommen, weil er nicht sterben, sondern mehr für seinen Körper tun wollte. Leute gehen mit dem Tod eben unterschiedlich um.

Fitness ist hier in Deutschland gerade echt groß. Naja, es gibt schlimmere Trends.
Scott: Wie zum Beispiel Crack. Das ist im mittleren Westen der USA gerade echt groß (beide lachen).

Ihr seid nicht auf Facebook. Was zur Hölle?
Matt: Ja, ich weiß. Die anderen beiden haben aber ein privates Profil.
Scott: Wir haben zwar einen Account, aber der ist nicht gelistet und dient nur dazu, dass andere uns nicht die Adresse wegschnappen. Wozu sollten wir aber auch einen brauchen?
Matt: Wenn ich mit jemanden Kontakt halten möchte, schreibe ich ihm eine Mail. Ich habe Facebook nie verstanden, das ist einfach etwas, was nach meiner Generation kam. Als ich an der Highschool war, hatte niemand ein Handy. Ich habe mich echt noch nicht daran gewöhnt. Werde ich aber sicher irgendwann.

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Aber wäre doch schon praktisch, um beispielsweise eure Tour Dates zu zeigen.
Matt: Ganz ehrlich, ich weiß nicht, wie das funktioniert. Die Tour Dates findest du auch auf den Seiten unserer Labels. Das reicht doch.

Warum dann nicht wenigstens eine Band-Homepage erstellen?
Matt: Nah.
Scott: Vielleicht irgendwann.
Matt: Was meinst du, würde es sich lohnen, ein Facebook-Profil anzulegen?

Vielleicht. Lustigerweise seid ihr ja bei Instagram.
Matt: Ja, das ist einfacher.
Scott: Das macht mehr Spaß.
Matt: Irgendwie ist das auch gruselig, weil echt jeder sehen kann, was du gemacht hast.

Eure Musik wird als labyrinthischer Post-Punk beschrieben. Verliert ihr euch in der Musik, wenn ihr neue Songs schreibt?
Matt: Yeah, manchmal verlierst du dich im Studio und das ist das Beste an Musik im Allgemeinen. Du verbringst Tage damit, einen bestimmten Sound zu finden. Es kommt nicht oft vor, dass jemand von uns mit einem fertiggeschriebenen Song um die Ecke kommt, wir den in zwei Stunden aufnehmen und er fertig ist. Wir machen uns da schon meist viele Gedanken.

Improvisiert ihr live auch viel?
Scott: Ja, ein bisschen, manche Parts verlängern wir, um damit zu spielen.
Matt: Wir haben auch ein paar Noise-Parts, die sich von Show zu Show unterscheiden. Würde ich immer exakt das Gleiche spielen, wäre das langweilig für mich. Ich habe viele Bands gesehen, denen du ansiehst, dass die keinen Bock haben. Es ist die 53. Show und sie spielen alles exakt so, wie beim ersten Konzert der Tour. Improvisation ist ein guter Weg, sich auszudrücken.

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Das Video zu “Continental Shelf” hat mich an einen Horror Flick erinnert. Symbolisieren die verschiedenen Szenen eure Ängste?
Matt: Wir haben einfach den Regisseur beauftragt und er konnte machen, was er wollte. Mir war das Visuelle von Musik nie wichtig und ich habe auch nie MTV geguckt. Ich schaue mir aber gerne Live-Videos von Konzerten an. Ich wollte ihn machen lassen und finde das Ergebnis echt cool. Ziemlich Gothic-mäßig, was die Stimmung gut einfängt.

Und wenn er ein total klischeehaftes Gangsta Rap-Video gedreht hätte, was überhaupt nicht zur Musik gepasst hätte?
Scott: Das wäre ziemlich lustig gewesen.
Matt: Oder ein Zusammenschnitt kurzer Filmchen von Leuten, denen in die Eier getreten wird (beide lachen dreckig).
Scott: Das wäre unglaublich.
Matt: Aber wir hatten schon das letzte Wort. Wäre er wirklich mit einem Video gekommen, in dem verschiedenen Leuten in die Eier getreten wird, hätte ich aber wahrscheinlich trotzdem ja gesagt (lacht).

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