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Beruf

Sorry Jungs, aber Bier ist Frauensache – und diese Brauerinnen beweisen es

Egal ob urdeutsches Familienunternehmen oder Craft-Beer-Marke: Wir haben mit Frauen gesprochen, die ihr Hobby zum Beruf gemacht haben.
Tiffany Herrington, Gründerin der Berlin Beer Week

Das Weißbier zum Mund gehoben, den ersten schaumigen Schluck genossen. Ich frage mich, wer hat dieses Bier gebraut? Wer sich dabei einen bärtigen alten Brauer vorstellt, der in Latzhosen und Karohemd Hopfen in den Sud mischt und danach vor der Brauerei den Schaum seines wohlverdienten Feierabendbiers vom Schnauzer wischt, liegt falsch.

Historisch gesehen ist Brauen nämlich eigentlich Frauensache. Bis ins 14. Jahrhundert waren es in England die brewsters oder alewives, die sich mit dieser häuslichen Tätigkeit Geld dazuverdienten. In Deutschland beschäftigte sich die Äbtissin Hildegard von Bingen, die im 11. Jahrhundert lebte, in ihrem Werk Von dem inneren Wesen der Naturen als erste Person wissenschaftlich mit der Wirkung des Hopfens. Heute besitzen Frauen Brauereien, starten ihre eigenen Craft-Beer-Labels oder unterrichten Brautechnologie an der Universität. Vielleicht tun sie das in Latzhosen und Karohemd, aber auf jeden Fall mit Leidenschaft

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„Ich bin schon als kleines Kind mit dem LKW [zum Bierausfahren] mitgefahren," sagt Barbara Lohmeier-Opper von der Bräu z'Loh im Isental in Bayern. Die Brauerei gehört seit 1928 ihrer Familie. Lohmeier-Opper hat als eine von drei Frauen in ihrem Jahrgang die Berufsschule in München absolviert und ist nun gemeinsam mit ihrem Vater Braumeisterin. „Mein Vater und ich ergänzen uns gut. Wir haben die gleiche Ausbildung durchlaufen und wir entwickeln gemeinsam Ideen." Seit der Geburt ihrer Kinder, haben sich ihre Aufgaben aber etwas verändert: „Als Braumeisterin schaue ich auf die Gärung und arbeite an der Technik. Aber seit ich die Kinder habe, mache ich auch viel Organisatorisches. Ich plane Strategien."

Auch bei Barbara Friedmann kam der Kontakt zu dem ungewöhnlichen Beruf über die Familie. „Meine Mutter sagte, ich solle was Vernünftiges lernen, wo man einfacher sein Geld verdient. Etwas wo man nicht Tag und Nacht arbeiten muss," sagt sie. Heute führt sie die Familienbrauerei Friedmann in fünfter Generation. „Es ist sehr viel Arbeit. Im Sommer hat man kein Wochenende frei." Die Brauerei ist so klein, dass jeder anpacken muss. Wenn einmal in der Woche das Bier abgefüllt wird, geht es morgens um 4.45 Uhr los und dauert bis am späten Nachmittag. Trotzdem sagt sie: „Es ist wirklich ein schöner, abwechslungsreicher Beruf—mir war immer klar, dass ich das machen will."

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Barbara Lohmeier-Opper in der Braustube der Familienbrauerei

Die „extreme Vielseitigkeit" am Beruf fasziniert auch Doreen Gaumann von der Freien Brau Union in Bremen. Sie ist seit September 2015 Braumeisterin und mit gerade 25 Jahren macht sie vom Brauen und Abfüllen von Bier, über die Produktentwicklung, Bierseminaren und Verkostung, bis hin zur Azubi-Ausbildung alles.

„Die Frau ist die Henne im Korb", sagt Doreen Gaumann, die ihrem Lehrjahr die einzige Auszubildende war. Obwohl beide Geschlechter die Klassen besuchen, gibt es nur wenige Frauen, die die Ausbildung zur Brauerin und Mälzerin wählen. Die Universität Weihenstephan mit ihrem Studiengang Brauwesen und Getränketechnologie ist eine der besten Adressen in Deutschland, um Brauerin zu werden. Auch Carolin Münch hat dort gelernt und erzählt: „Im Studium waren wir insgesamt 6 Studentinnen und damit die absolute Minderheit."

Ich fand es wunderschön, mit den Jungs zusammen zu sein. Obwohl Witze gemacht wurden, wenn zum Beispiel was geputzt werden musste.

Für sie war nach einem ziemlich trockenen BWL-Studium klar, dass sie noch etwas Handwerkliches lernen wollte. Sie entschied eine Ausbildung zur Brauerin zu machen und den elterlichen Betrieb in Tüßling zu übernehmen. „Meine Leidenschaft für Bier und Bierbrauen wuchs von Semester zu Semester und wächst auch heute noch von Tag zu Tag", erzählt Münch.

Die kleine Anzahl an weiblichen Studierenden empfand Lohmeier-Opper nie als störend, die Liebe zum Bier hat sie geeint: „Ich fand es wunderschön, mit den Jungs zusammen zu sein." Auch Friedmann gefiel der Zusammenhalt unter den Studierenden. „Obwohl Witze gemacht wurden, wenn zum Beispiel was geputzt werden musste. Dann hieß es ‚das macht mal die Babsi!'—aber nur zum Spaß", erinnert sie sich lachend.

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Andere Frauen kommen ganz ohne formale Ausbildung zum Brauen. Mit dem Wachstum der Craft Beer Szene wächst auch die Beliebtheit von Homebrew-Kits, mit denen man sich zu Hause einfach dem Brauen annähern kann. Cristal Peck kommt ursprünglich aus Melbourne und hatte sich dort im Garten eine kleine Brauerei eingerichtet. „Ich war damals Biolehrerin an einer Schule und habe unter der Woche viel gearbeitet. Am Wochenende habe ich Bier gebraut, das war irgendwie therapeutisch." Heute leitet sie das Fachgeschäft Bierlieb in Berlin und gibt Braukurse.

Das Bierlieb in Berlin-Friedrichshain

Es begann mit einem Braukit, das ihr Bruder ihr schenkte. Peck experimentierte viel und hat viel von den Homebrew-Gemeinschaft in Melbourne gelernt. Mit ihren Kolleg_innen konnte sie sich über die Brauexperimente austauschen. „Im Biologieunterricht habe ich den Kindern genau die chemischen Prozesse beigebracht, die beim Brauen passieren, das mit den Enzymen und den Proteinen."

In Berlin kam dann das Sprungbrett: 2015 gewann sie bei der Berlin Beer Week mit ihrem hausgebrautem Raspberry Blonde Bier den ersten Preis. „Das Bier durfte ich dann als ‚gypsy brewer' in einer großen Brauerei brauen und es wurde in Bars rund um Berlin ausgeschenkt. Das war ein super Gefühl und hat mir wirklich viele Türen geöffnet." Auch wenn sie zugibt, dass die formale Ausbildung in Deutschland viel zählt, ermutigt sie jede, das Brauen einfach zu versuchen und sich in der lokalen Hobbybrauerszene einzubringen.

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„Der Einstieg als professionelle Brauerin hängt davon ab, wen du kennst", sagt Tiffany Herrington, die seit zehn Jahren braut. Angefangen hat es in ihrer südkalifornischen Küche, dann zog sie nach Seattle, wo sie in mehreren Brauereien arbeitete. „Ich kannte den Braumeister [head brewer] in der Brauerei persönlich, weil ich so oft da abhing. Also sprach er mich an, als eine Stelle frei wurde."

Mittlerweile lebt Herrington in Berlin, wo sie seit drei Jahren lebt und jährlich im Juli die Berlin Beer Week organisiert. Aber sie braut auch weiterhin. Für das Braufest Berlin, das im September stattfindet und dieses Jahr im Zeichen der Brauerinnen stand, hat sie gemeinsam mit Cristal Peck und zwei weiteren Brauerinnen das Festivalbier gebraut: ‚Swit & Saultry', ein belgisches Witbier, gebraut mit Rhabarber, Waldbeeren und Himalaya-Salz. „Als wir es im Laden anboten", erzählt Peck, „bestellten manche Leute gleich einen halben Liter. Das Bier ist erstaunlich gut angekommen."

Katharina Kurz mit ihren Brlo-Kollegen

Auch Katharina Kurz, Mitgründerin des Berliner Craft-Beer-Labels Brlo (sprich: Berlo), ist ohne Brauer-Ausbildung zum Biergeschäft gekommen. Nach Erfahrungen bei großen Firmen und einer Promotion wollte sie selber etwas starten—und kam auf's Bier: „In Deutschland steht man vorm Bier-Regal und kann sich nicht entscheiden, weil alles gleich ausschaut. Bier ist hier mega langweilig," sagt Kurz. Um die Vielfalt amerikanischer Craft Biere nach Deutschland zu bringen, startete sie deshalb mit zwei Freunden ihr eigenes Label. Bei Brlo ist sie zwar bei Probeversuchen für neue Biere dabei, aber sie kümmert sich hauptsächlich um das Marketing und die Business-Seite des Labels.

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Sie liebt den Zusammenhalt in der wachsenden Craft-Beer-Szene, die sie als egalitärer empfindet als die traditionelle Bierwelt. Dennoch hat sie als Frau Diskriminierung erlebt. „Auf Messen werde ich oft gefragt ‚Kann ich mal den Chef sprechen?', dabei sprechen die Besucher schon mit der Chefin", erzählt Kurz. Eine Frau als Leiterin einer Biermarke ist für viele seltsam. Besonders die oft sexistische Bierwerbung sieht Kurz kritisch: „An Frauen werden nur süße Biermischgetränke vermarktet, das ist totaler Bullshit!"

Das Schwierigste ist es wohl, Männern zum Verstehen zu geben, dass Frauen auch körperlich zum Brauen geeignet sind. Der Brauereiberuf erfordert harte körperliche Arbeit: 20-Kilo-Malzsäcke müssen geschleppt, 50-Liter-Fässer zur Auslieferung getragen werden. Barbara Friedmanns Mutter musste als Braumeisterin noch Absagen einstecken, weil sie als Frau angeblich Kompetenzprobleme hätte. Für Friedmann ist es klar, dass diese offene Diskriminierung heute nicht mehr akzeptabel wäre. Doch sie gibt zu: „Als Frau stößt man schon an die Grenzen"—beispielsweise bei besagten 50-Liter-Fässern.

An Frauen werden nur süße Biermischgetränke vermarktet, das ist totaler Bullshit!

„In den letzten sechs Jahren gab es immer mal wieder Situationen, in denen ich auf die körperlichen Merkmale einer Frau reduziert wurde und mir unmissverständlich klar gemacht wurde, dass ich hier nichts zu suchen hätte und man mich auch nicht einstellen würde", erzählt auch Doreen Gaumann. Allerdings bekräftigt sie, dass sie überwiegend Zuspruch erhält. Sie ist jung, in einer leitenden Position und hat Ambitionen. „Ich möchte hervorragende Biere für eine großartige Stadt brauen", sagt sie.

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Carolin Münch von Bräu im Moos

Peck und Herrington finden dagegen, dass die körperliche Arbeit kein Hindernis sein muss. „Niemand sollte seinen Körper überanstrengen", meint Cristal Peck. "Das ist einfach blöd. Wir sind hier nicht bei einem Pisswettbewerb." Wichtig sei es, seinen eigenen Körper gut zu behandeln, und nicht zu wetteifern, wer am meisten heben kann. Wenn man richtig schwere Sachen alleine tragen muss, gibt es dafür Hilfswerkzeuge. „Ich hatte nie ein Problem damit, in der Brauerei Sachen zu heben. Natürlich wurde ich stärker, das musste ich auch. Aber eine der kleinsten Frauen die ich kenne, leitet eine Brauerei in Oregon [dem Nordwesten der USA]", berichtet Herrington.

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Um der Diskriminierung entgegen zu wirken, helfen auch Netzwerke zwischen Brauerinnen. Carolin Münch ist froh, dass es in ihrer Region ein enges Netzwerk engagierter Brauerinnen gibt. Dieses kollegiale und vertrauensvolle Verhältnis untereinander ist ihr sehr wichtig, da der Preisdruck der Konzernbrauereien enorm ist. „Ich freue mich immer wieder sehr, wenn ich neue Frauen kennen lerne, die sich für diesen Beruf interessieren", sagt sie. Für Cristal Peck ist klar, dass jede anfangen kann zu brauen: „Mit einem Homebrewing-Kit ist es am einfachsten. Aber viele Orte haben jetzt Hobbybrauer-Gemeinschaften, die sich über Facebook-Gruppen austauschen. Das hilft sehr viel und der Austausch macht Spaß." Auch sie fand so ihren Weg und sieht sich als ‚echte' Brauerin. „Geht euren Weg", empfiehlt Doreen Gaumann jungen Brauerinnen. „Bewerbt euch und last euch von nichts unterkriegen!"

Die beiden Töchter von Barbara Friedmann, zwei und vier Jahre alt, sind sich schon jetzt sicher: Sie wollen auch mal Brauerinnen werden—„wie die Mama!"