Mit Massaker auf Stimmenfang: beim Event für schwule Trump-Unterstützer
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Politik

Mit Massaker auf Stimmenfang: beim Event für schwule Trump-Unterstützer

Bei einer Veranstaltung sollten homosexuelle Republikaner eigentlich auf die Gefahr durch radikale Islamisten und den Erlöser Donald Trump eingeschworen werden, doch es kamen gar nicht so viele schwule Männer.

Vor dem republikanischen Nationalkonvent werde ich von einer Gruppe wiedergeborener Christen begrüßt, die lautstark verkünden: „Wir wissen, dass deine Eltern dich nicht besonders geliebt haben!"

Sie protestieren gegen das „Wake up"-LGBT-Event, das von Milo Yiannopoulos, einem schwulen konservativen Breitbart-Redakteur, Pamela Geller, der Gründerin der Organisation Stop Islamization of America, und einem Verein namens „Twinks for Trump" organisiert wurde. Die Veranstaltung findet in der Cleveland State University statt, infolge des Attentats in Orlando, bei dem ein radikalisierter Muslim einen Schwulenclub stürmte und 49 Menschen tötete. 53 wurden bei dem Massaker verletzt. Der Attentäter, der von der Polizei getötet wurde, hatte sich zum Islamischen Staat bekannt.

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Die Botschaft der Wake-Up-Organisatoren ist simpel: Die Demokraten und der politisch linke Flügel haben es versäumt, sich dem Problem des islamistischen Extremismus anzunehmen und die Republikaner wollen nun einen härteren, militärischeren Kurs einschlagen. Ein vor allem deswegen ziemlich interessanter

Nach dem Anschlag in Orlando schrieb Yiannopoulos in einem Artikel:

Die LGBT-Community muss sich ebenfalls mit diesem Problem auseinandersetzen und eine Wahl treffen. Wenn das Problem weiterhin in den Händen der linken Beschwichtigungspolitik bleibt, begehen wir Selbstmord. Die christliche Rechte kommt mit Homos zwar überhaupt nicht klar und Trump mag Sachen sagen, die unsere zarten Gefühle verletzen, aber sie werden uns nicht umbringen oder in Lager stecken. Doch der Islam würde das tun—derselbe Islam, der bizarrerweise an der Spitze der linken Opferhierarchie steht.

Viele der Leute, die an der Veranstaltung in Cleveland teilnehmen, teilen Yiannopoulus Meinung. Die meisten von ihnen sind jedoch einfach nur gekommen, um mit dem platinblonden Badboy aus dem rechten Flügel Party zu machen.

Die schwulen Republikaner, die zu der Veranstaltung kommen, scheinen sich nicht weiter an der Begrüßung der Jesus-Freaks zu stören. Sie sind nur etwas enttäuscht. „Die Gruppe ist ziemlich billig und längst nicht so witzig wie die Westboro Baptist Church", sagt Lucian Wintrich, ein angehender konservativer Provokateur, der Fotos von „Twinks for Trump" auf seiner Instagram-Seite postet. „Ich wollte meine Liebe für Twinks [ein Begriff für sehr jungenhaft aussehende Männer] schon seit Langem mit meiner Liebe für Politik und Donald Trump verbinden", meint Wintrich, als wir an den vergrößerten Porträtaufnahmen von jungen, glatt rasierten Männern mit besonders ausgeprägten Kieferpartien vorbeilaufen, die posieren wie griechische Statuen—nur dass sie statt Lorbeeren Kappen tragen, auf denen „Make America Great Again" steht. „Trump ist eine sehr dominante Vaterfigur", sagt Wintrich weiter. „Er ist die Vaterfigur, auf die Amerika gewartet hat, um uns in eine neue Ära des amerikanischen Exzeptionalismus zu führen."

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Andere schwule Konservative betrachten Trump dagegen mit gemischten Gefühlen. Ein 18-jähriger Schwuler mit einer roten Fliege, der uns gebeten hat, seinen Namen nicht zu nennen, weil er für die Regierung tätig ist, war zunächst für Trump, weil er der LGBT-freundlichste Kandidat der Republikaner war. Er hat sich im Wohnheim sogar ein Wahlplakat von Trump über sein Bett gehängt. Allerdings fing er an, an Trump zu zweifeln, als er Mike Pence, den Gouverneur von Indiana, mit an Bord holte. Pence hat in der Vergangenheit ein Gesetz unterstützt, das es den Einwohnern von Indiana erlaubt, Homosexuelle, Bisexuelle und Transgender aus religiösen Gründen zu diskriminieren. (Nach heftigen Gegenreaktionen widerrief er seine Meinung jedoch wieder.)

Andere Trump-Unterstützer wurden durch die Wahl von Pence ebenfalls abgeschreckt. „Ich bin konservativ—aus wirtschaftlicher Sicht", sagt Michael, ein ergrauender republikanischer Aktivist, der aus der Gegend kommt. „Aber aus sozialer Sicht bin ich so liberal wie nur irgend möglich. [Die Regierung soll] mich in Ruhe lassen. Ich bin ein altmodischer Schwuler."

Gill, ein blonder junger Typ, steht auf der Tanzfläche und tanzt zur Musik. Er trägt khakifarbene Shorts und ein Hawaiihemd mit violetten und pinken Bäumen darauf. Das ist der schlechteste Schwule, den ich jemals gesehen habe, denke ich. Gill korrigiert mich: „Ich bin hetero, aber auf Milo stehe ich trotzdem. Das kannst du auch gerne so schreiben." Er und seine Kumpels sind 15 Stunden von Savannah hierher gefahren, um sich seine Rede anzuhören. „Ich mag seinen Sinn für Humor", sagt Gill über Milo. „Ich glaube alles, was er sagt, aber ich mag auch, dass er gerne provoziert. Das rüttelt die Leute auf!"

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Anstößige Witze scheinen heterosexuelle Republikaner anzuziehen wie Scheiße Fliegen. Eine halbe Stunde lang habe ich Schwierigkeiten, noch andere Homosexuelle zu finden. Ein Typ namens Kevin sagt, dass er wegen Yiannopoulos und Ann Coulter gekommen sei, die er als „mein Mädchen" bezeichnet (Sie ist jedoch nie aufgetaucht.) Zwei Jungs im Teenageralter stehen gemeinsam mit ihrem Vater an einem Tisch. Der glatzköpfige, heterosexuelle Mann trägt ein T-Shirt, auf dem „Milo Yiannopoulos Gefährliche Schwuchtel" steht.

Mit der Zeit werde ich immer genervter. Ich stelle mich an den Rand der Tanzfläche. Ein heißer Typ in einem Shirt mit blauem Kragen geht an eines der Podien. Er sagt allen Leuten, dass sie tanzen sollen, aber nur zwei Typen folgen seinem Aufruf. Einer von ihnen ist Gill, der Hetero im Hawaiihemd. Der heiße Typ wackelt wild hin und her wie ein heterosexueller Mittelschüler, der versucht, den „Cha Cha Slide" zu machen. Er greift nach meiner Hand und versucht, mit mir zu tanzen. Ich reiße mich schnell los. „Du bist hetero!", zische ich. Seine maskulinen Gesichtszüge verwandeln sich in das schwulste Schwulengesicht, dass mir auf dieser Seite des Mississippi jemals begegnet ist.

„Bin ich nicht!", ruft er und kommt näher.

„Tja, aber ich habe einen ziemlich heißen Freund", sage ich und strecke ihm meine Zunge raus, als wäre ich irgendein freches Kind auf dem Spielplatz. „Aber ich kann dich interviewen." Er sieht mich finster an. Schweigen. „Ich kenne Ann Coulter!", sage ich.

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Er seufzt und stimmt einem Interview zu. Zum Schutz seiner Privatsphäre soll ich ihn John nennen. Er lebt in Louisville in Kentucky und ist schon sein „ganzes Leben lang" Republikaner. Aber er schläft „erst seit einigen Jahren" mit Männern. Er sagt mir, dass er „Single ist und auf der Suche", aber meint auch, dass er auf dem Nationalkonvent der Republikaner nicht versucht, um jeden Preis flachgelegt zu werden. „Hier sind so viele verklemmte Leute", sagt er. „Kaum zu glauben." Meine Überraschung hält sich in Grenzen. Ich frage ihn, warum er schwul und trotzdem ein Republikaner ist. „Wo ist das Problem? Auf so eine Frage kann ich nur antworten: Warum nicht?", sagt er. Wir streiten uns ein wenig über seine Antwort, bis er schließlich doch noch mit der Wahrheit rausrückt: „Ich liebe Geld mehr als alles andere—mehr als ich einen Mann jemals lieben könnte."

Als Geert Wilders, der Gründer der migrationsfeindlichen niederländischen Partei für die Freiheit, die erste Rede hält, hören die Leute auf zu tanzen. Mit seinen gelben Haaren und seiner bunten Krawatte sieht es aus wie eine Kreuzung aus Willy Wonka und Donald Trump. „Ich bin hier, um euch von den Problemen in Europa zu erzählen—oder sollte ich sagen: Eurabien?" Die Menge klatscht. Pamela Geller ist als nächstes dran. Sie wurde in den USA landesweit bekannt, nachdem Terroristen bei ihrem „Mohammed-Zeichenwettbewerb" um sich schossen. Heute Abend sorgt sie nur für Aufsehen, weil sie ein regenbogenfarbenes, mit Pailletten bedecktes Oberteil trägt.

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Yiannopoulos hält die letzte Rede des Abends. Er kommt mit Sonnenbrille und einem Muskelshirt mit der Aufschrift „We shoot back" auf die Bühne. Die Menge jubelt so laut, dass ich Schwierigkeiten habe zu verstehen, was er sagt. Mittlerweile riecht es nur noch nach Schweiß und Parfum—wie in einer Umkleidekabine. Nachdem Yiannopoulos seine Rede beendet hat, stürzt sich die Meute auf ihn. „Ich liebe dich!", ruft ein schwuler Typ mit Lederjacke. Yiannopoulos sieht aus wie ein Rockstar. Zuvor wurde sein Twitter-Account gesperrt, weil ihn Leslie Jones von Saturday Night Life beschuldigt hatte, seine Follower dazu anzustacheln, rassistische Kommentare über sie zu machen. Mit dieser Geschichte schaffte es Yiannopoulos in die New York Times und gehörte zu den Trending-Topics auf Twitter. Während einer Uber-Fahrt durch Cleveland fragt mich mein älterer Fahrer dagegen nur: „Wer ist dieser Milo?"