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Vaginaldampfbäder sind das Gegenteil von glamourös

Durch Promis wie Gwyneth Paltrow wurde die ungewöhnliche Intimbehandlung zum neuen Lifestyle-Trend ausgerufen. Auf der indonesischen Insel Bali gehören sie für viele Frauen zum Alltag.
Photo by Alexey Kuzma via Stocksy

Als sie zwanzig war, wollte Made Karyati nicht länger arm sein. Sie bekam die Chance, sich ihren Kindheitstraum zu erfüllen und eine traditionelle balinesische Tänzerin zu werden, nachdem sie an der Kunsthochschule in Denpasar, der Haupstadt Balis, angenommen wurde. Viele Mädchen, vor allem aus ländlichen Gebieten, gehen dorthin, um etwas aus sich zu machen.

Heute—fünf Jahre später—lebt sie noch immer in Denpasar, aber sie tanzt nicht mehr. Stattdessen arbeitet sie in einem Brautgeschäft. Sie hilft Frauen jedoch nur äußerst selten bei der Anprobe von Hochzeitskleidern, sondern ist vielmehr für die Durchführung der Vaginal-Dampfbäder zuständig, die in dem Laden angeboten werden.

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Das bescheidene, kleine Beauty House liegt mitten auf dem Land, ungefähr eine Stunde vom Flughafen von Denpasar entfernt. Abgesehen von einigen bunten Kleidern und ein paar freien Stühlen ist der Laden fast leer. Wie in den meisten anderen Schönheitssalons und Spas in der Gegend wird auch hier eine Anwendung namens Ratus angeboten. Dabei handelt es sich um eine beliebte indonesische Dampfbehandlung mit Holzkohle und Kräutern, durch die die Vagina von Gerüchen, Ausfluss und Jucken befreit werden soll.

„Ratus wird hauptsächlich durchgeführt, um die Genitalien zu reinigen", sagt mir Made Karyati über einen Dolmetscher. „Außerdem riecht die Vagina danach besser. Wenn Frauen keine solche Behandlung durchführen lassen, dann haben sie weißen Ausfluss in ihrer Vagina."

Etwa vier Frauen kommen pro Woche wegen der Behandlung zu Made Karyati. Eine Sitzung dauert um die 25 Minuten und kostet ungefähr 36 Cent. Zu Beginn legen Made Karyati und ihre Cousine Ketut ein glühendes Stück Kohle in einen kleinen Hocker mit einer kreisförmigen Öffnung auf der Oberseite. Auf die glühende Kohle legen sie ein Bündel Kräuter. Wenn die Kräuter anfangen sanft zu qualmen, bitten sie ihre Kundinnen, sich hinzusetzen und zu warten.

„Normalerweise erzählen uns die Frauen währenddessen von ihrem Sexleben oder von den Beschwerden, die sie mit ihrer Vagina haben", sagt Ketut.

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Denpasar hat nur wenig mit den Villenvierteln von Ubud, Balis florierendem westlichen Touristenzentrum, zu tun, das die meisten aus Elizabeth Gilberts Bestseller Eat, Pray, Love kennen dürften. Aber obwohl es nur ungefähr eine Stunde entfernt liegt, konnte ich dort kein einziges Spa finden, in dem Ratus angeboten wurde.

„Einmal war eine Touristin bei uns, die mit ihren indonesischen Freundinnen hierher gekommen ist", sagt Made Karyati. „Aber sonst kommen fast ausschließlich einheimische Frauen zur Ratus-Behandlung."

Made Karyati und Ketut sagen, dass die Frauen, die zur Behandlung ins Beauty House kommen, alle sexuell aktiv sind—Jungfrauen bekommen nach Aussage der Cousinen keine Ratus-Behandlung. In der balinesischen Kultur heißt das, wie sie sagen, dass die Frauen, die zu ihnen kommen, fast alle verheiratet sind. Sie sind in der Regel in ihren Zwanzigern und „wollen sich nach dem Sex sauber machen", sagt Made Karyati.

Made Karyati und Ketut sind beide nicht verheiratet. Made Karyati kam ins Beauty House, nachdem ihre wohlhabendere Cousine Nayoman—eine Wirtschaftsdozentin an der Universität in Kuta, der Partyhochburg Balis—sie während der Semesterferien mit zu einem Kosmetikkurs genommen hatte. Sie begann neben ihrem Studium zu arbeiten, um ihr Tanzstudium zu finanzieren. Ihr Geld verdiente sie mit traditionellem balinesischen Make-up. Als Nayoman kurz darauf das Beauty House eröffnete—etwas versteckt in einer Gegend namens Renon, außerhalb von Denpasar—, sagte ihr ihre Familie, sie solle die Uni verlassen und stattdessen dort anfangen zu arbeiten.

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Ketut (links) und Made Karyati bereiten die Kohle für die Ratus-Behandlung vor.

Ketut folgte Made Karyati ein Jahr später. Erst als sie zurück zuhause bei ihrer Familie im ländlichen Karangasem, einer der östlichen Regentschaften der Insel, war, erfuhr sie, dass das Geschäft ihrer Cousine nur mäßig erfolgreich war. Es sei „einfach" zu lernen, wie man die Anwendung durchführt, meint Made Karyati. „Ich musste keinen Kurs besuchen, um es zu lernen—ich habe einfach nur zugesehen, wie es die anderen machen", sagt sie.

Über Geld will sie allerdings nicht sprechen, als ich sie frage, ob man mit so wenigen Kunden und so einer günstigen Behandlung über die Runden kommt. Laut ihr ist das ein sehr kompliziertes und sensibles Thema, über das man in der balinesischen Kultur nicht spricht. Made Karyati sagt außerdem, dass das Geld vom Brautladen an Nyoman geht, deswegen kann sie auch nicht genau sagen, was für einen Gewinn sie machen.

Weder Made Karyati noch Ketut wissen, was genau in der Ratus-Mischung drin ist. Sie sind allerdings davon überzeugt, dass die Kräuter, die sie direkt beim Großhandel kaufen, wirken. (Eine der indonesischen Firma, die solche Gewürzpackungen für diese sogenannten „V-Spas" verkauft, listet unter den Inhaltsstoffen auf der Verpackung „traditionelle Kräuter" eine Blumensorte, Lavendel und Jasmin auf, die alle für den Duft verwendet werden.)

Durchgeführt werden sollte die Anwendung höchstens einmal alle zwei Wochen. Wird die Behandlung öfter vorgenommen, könnte es dem Uterus schaden, sagen sie. Tatsächlich sagt das auch die VICE-Redakteurin Arielle Pardes, die 2014 versucht hat, bei sich zuhause ein DIY-Vaginal-Dampfbad vorzunehmen. Die Gynäkologin, mit der sie dazu gesprochen hat, zeigte sich am Anfang wenig begeistert von der Idee. Unter Ärzten gilt die reinigende Vaginal-Anwendung mit Kräutern nämlich als riskant und schädlich. Dennoch hat die Ärztin Pardes am Ende „ihren Segen" gegeben.

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Die Methode, die Made Karyati und Ketut anbieten, ist die geläufigste Form von Ratus, wie sie jede balinesische Frau kennt. Im Adi Spa in der südöstlichen Region Nusa Dua sind die Ratus-Behandlungen derweil sehr viel teurer. Für umgerechnet 67 Euro bekommt man dort neben dem Kräuterdampfbad auch noch ein Peeling, eine Massage, eine Badeanwendung und spezielle „natürliche" Getränke. Die gesamte Behandlung dauert zweieinhalb Stunden.

Auf dem Rest der Welt und vor allem in den USA wurde das Vaginal-Dampfbad zu so einer Art kontroverser Modeerscheinung, nachdem Gwyneth Paltrow letztes Jahr von dem Beifuß-Vaginal-Dampfbad im Tikkun Spa in Santa Monica geschwärmt hat. Das Spa bietet darüber hinaus noch viele weitere solcher Edelausführungen traditioneller koreanischer Saunatherapien an. „Du sitzt im Grunde auf einer Art Mini-Thron, während dein Uterus mit einer Mischung aus Infrarotstrahlen und Beifuß-Dampf gereinigt wird", schrieb Paltrow auf ihrer Website „Goop". In Korea ist das Vaginal-Dampfbad bekannt als Chai-yok und wird mit einer Schüssel heißen Wasser durchgeführt, in das verschiedene Kräuter gemischt werden. Das Vaginal-Dampfbad im Tikkun Spa dauert 30 Minuten und kostet rund 45 Euro pro Behandlung. Zusätzlich zu der „traditionellen" Anwendung bietet das Spa auch spezielle Dampf-Behandlungen zur Fettverbrennung, zur Förderung der Fruchtbarkeit und gegen postpartale Beschwerden an. Es gibt sogar Anal-Dampfbäder für Männer.

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Der schweißgetränkte Stuhl in dem kleinen balinesischen Brautladen hat dagegen nicht viel mit Wellness und Glamour zu tun. Made Karyati sagt, dass sie kaum Gelegenheit hat, ihr Wissen aus der Make-up-Schulung anzuwenden. Ins Beauty House, das am Rand einer breiten, ungeteerten Straße steht, verirren sich nur Kunden, die eine günstige Ratus-Behandlung haben wollen.

„Fast jeder Salon hier in der Näher bietet diese Anwendung an", sagt Made Karyati. „Damit können wir nur mithalten, wenn wir den Preis drücken."


Foto: Aaron Toth | Flickr | CC BY-ND 2.0