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Männer

Wer lang sein will, muss leiden: Das falsche Geschäft mit Penisvergrößerungen

Immer wieder stößt man auf Anzeigen, in denen Produkte beworben werden, die das männliche Geschlechtsorgan größer und dicker machen sollen. Unser Autor hat den Selbstversuch gewagt.
Photo by Guille Faingold via Stocksy

Angeblich wünscht sich jeder Mann nur eins: einen größeren Penis. Schon die alten Griechen haben große Penisse mit goldenen, 50 Meter langen Phallusstatuen und Lobgesängen verehrt. Heutzutage gibt es eine Fülle an Pillen, Pumpen und Expandern, die angeblich alles aufpumpen, verlängern oder verdicken können, was Mann zwischen den Beinen trägt. (Auch wenn es relativ wahrscheinlich ist, dass sich viele nur einbilden, einen Mikropenis zu haben.)

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Die meisten dieser Vorrichtungen wirken wie gut getarnte Folterinstrumente, die der Drogenfantasie eines Wirtschaftsstudenten entsprungen sein könnten. Wer kauft so was, dachte ich mir? Wer lässt sich von offensichtlich schlecht gephotoshoppten Werbe-Bannern auf Streaming- oder Porno-Seiten überzeugen? Dann stolperte ich auf Instagram eines Tages über "Stealth", einen Expander, der überaus geschmackvoll beworben wurde.

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Die Unternehmenswebseite zeigt einen lässigen Typen mit Sonnenbrille, der am Steuer eines teuren Autos sitzt und Penisverlängerungen ziemlich entspannt aussehen lässt – eine stressfreie Methode, um sein Selbstbewusstsein aufzupolieren. Stealth besteht aus einer kurzen schwarzen Röhre, die man über sein Gemächte stülpt und einem sprungfederartigen Korkenzieher aus Silikon, der oben drüber kommt. Auf diese Weise soll das männliche Geschlechtsorgan einem sogenannten "Extensionstraining" unterzogen werden, um am Ende eine Beule in der Hose zu haben, die eine bequeme Sitzstange für einen ganzen Taubenschwarm abgeben könnte.

Stealth ist nur einer von vielen sogenannten "Expandern" und nicht einmal der ausgefallenste. Der TLC Tugger beispielsweise besteht aus einem individuell angepassten Saugnapf, der über die Eichel gestülpt wird, um den Penis über ein Seilzugsystem in die Länge zu ziehen. Das Unternehmen empfiehlt die Vorrichtung täglich zwischen acht und zwölf Stunden zu tragen. Nein, danke!

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Mit seinem Hund Gassi zu gehen, während man einen Schraubstock in der Hose hat, ist genauso unangenehm, wie es sich anhört.

Stealth kostet umgerechnet rund 110 Euro und soll im Gegensatz zu anderen Modellen etwas diskreter anzuwenden sein. Als das Paket bei mir zu Hause ankommt, finde ich darin eine Fingerpuppe, einen Briefbeschwerer aus Silikon und zwei Futterale aus Silikon, die aussehen, als hätte man sie aus dem Müllcontainer hinter einem Erotikkino gezogen.

Ich starre die Spule eine Weile lang beunruhigt an. Wie zur Hölle kam ich auf die Idee, mich auf dieses "Experiment" einzulassen? Es kann mich doch jetzt unmöglich überraschen, dass Penisverlängerung an sich ein unangenehmer Vorgang sein muss – ganz egal, wie gut ihr Marketing auch sein mag.


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Wenig überraschend sieht die Beule in meiner Hose ziemlich eigenartig aus, nachdem ich die schwarze Röhre übergezogen und die Spule darüber geschraubt habe. Während ich mich anmutig vor dem Spiegel von einer Seite zur anderen drehe, stelle ich mir zwangsläufig die Frage: Fühle ich mich dadurch jetzt männlicher? Nein. Es fühlt sich an, als hätte ich meinen Penis in eine Federkernmatratze gesteckt. Ich gebe dem Ganzen aber noch eine Chance und beschließe, die Vorrichtung auf ihre Alltagstauglichkeit hin zu testen.

Spoiler Alert: Mit seinem Hund Gassi zu gehen, während man einen Schraubstock in der Hose hat, ist genauso unangenehm, wie es sich anhört. Schon nach wenigen Metern ist die gesamte Vorrichtung komplett verrutscht. "Vielleicht habe ich die falsche Größe bestellt?", frage ich mich, während ich spüre, wie sich die Spule immer weiter verselbstständigt und langsam in Richtung Innenschenkel abwandert. Es fühlt sich zwar nicht unbedingt unangenehm an, aber die Beule in meiner Hose sitzt nun eindeutig an einer Stelle, die sich nur schwer erklären lässt.

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Ich überlege kurz, wie ich mir unauffällig in die Hose greifen könnte, um den Expander wieder zurechtzurücken, als ich bemerke, dass mich mein Nachbar schon misstrauisch durch das Fenster beobachtet. Als meine Hose dann auch noch zu rutschen beginnt, beschließe ich, mich ohne weitere Umwege direkt nach Hause zu begeben.

Eine kurze Google-Suche bringt mich zu der Annahme, dass ich die Spirale nicht "korrekt" angezogen habe. Doch nachdem ich die Anleitung noch einmal genauestens studiert habe und versuchsweise eine Runde durch meine Wohnung gelaufen bin, spüre ich plötzlich einen heftigen Schmerz. Die Art von Schmerz, die nahegelegt, dass man einen großen Fehler begangen hat, der sich nicht mehr rückgängig machen lässt. Zwar habe ich es schlussendlich doch nicht geschafft, mein bestes Stück irreparabel zu schädigen, andere hatten da allerdings weniger Glück.

"Wir hatten bereits Patienten bei uns, die Nervenschäden, Quetschungen und oberflächliche Verletzungen an der Haut erlitten haben. Manche Männer verlieren sogar das Gefühl in der Eichel", sagt Thomas J. Walsh. Er ist Urologe an der Universitätsklinik in Washington und sieht das Thema Penisverlängerung überaus kritisch.

"Die meisten Schäden sind zwar nur temporär, aber es ist nie auszuschließen, dass der Expander nicht korrekt angewendet wird, was auch dazu führen kann, dass zu viel Druck auf die Eichel ausgeübt wird", prophezeit er düster. "Glaub mir: Wenn es einen Weg gäbe, um den Penis zuverlässig, sicher und effektiv zu vergrößern, dann würden wir es schon längst machen."

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Er würde solche Dehnungsvorrichtungen lediglich Patienten empfehlen, die sich von einer entsprechenden Krankheit erholen. Selbst dann könne mithilfe solcher Vorrichtungen allerdings nur die Länge wiederhergestellt werden, die der Betroffene auch schon vor der Krankheit hatte. Die natürliche Größe nimmt dadurch nicht zu. "Es gibt keine Untersuchungen, die nahelegen würden, dass man den Penis mit irgendeiner Form von Expander dauerhaft verlängern kann", sagt er.

Manchmal ziehe ich nach dem Training eine Stunde lang einen Dichtungsring drüber.

Tatsächlich scheint es aber Menschen zu geben, die positive Erfahrungen mit dieser Art von Selbstoptimierung gemacht haben. Im Online-Forum „Matters of Size" schreibt der Nutzer touchmyjunk, dass er Stealth länger tragen könne als andere Expander. Er hat angeblich auch schon Erfahrung mit einer "Penisröhre" namens Divosuits, die dazu dienen soll, den Penis ganztägig zu verlängern.

"Manchmal kombiniere ich die beiden auch und stülpe ein paar Schichten Divosuit über den Stealth, um den Druck zu erhöhen. Manchmal ziehe ich nach dem Training eine Stunde lang einen Dichtungsring drüber."

In einer 2010 erschienen Studie heißt es außerdem, dass die befragten Männer nach einer täglichen Anwendung von weniger als vier Stunden über einen Zeitraum von sechs Monaten von einer "signifikanten Verlängerung um 2,3 und 1,7 Zentimetern des schlaffen und gedehnten Penis" berichteten. Der Umfang blieb dagegen unverändert.

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Wie effektiv diese Art von Selbstoptimierungswerkzeug wirklich ist, bleibt also umstritten. Vielleicht ist es also an der Zeit, eine elementarere Frage zu stellen: Warum wünschen sich viele Männer überhaupt einen größeren Penis?

Der Grund dafür könnte in vielen Fällen eine "penile Körperschemastörung" sein: Die Überzeugung, einen zu kleinen Penis zu haben, obwohl die Größe objektiv gesehen absolut im normalen Rahmen liegt. Dabei handelt es sich um eine besondere Form der Dysmorphophobie, mit der sich mittlerweile auch die Wissenschaft aktiv auseinandersetzt.

Als Briefbeschwerer eignet er sich wirklich hervorragend.

Wer von dem Gedanken besessen ist, etwas an seinem Körper ändern zu müssen, spricht besonders leicht auf vermeintlich einfache Lösungen an. Ein gefundenes Fressen für Unternehmen, die den verzweifelten Wunsch vieler Männer nach zusätzlichen 1,5 Zentimetern zu Geld machen wollen. So verkaufte das amerikanische Unternehmen MegaVac im Jahr 2014 Penispumpen mit der Behauptung, dass diese Methode von der amerikanischen Gesundheitsbehörde zur Penisvergrößerung anerkannt wurde. Tatsächlich war die Pumpe aber nur zur Verbesserung von Erektionen zugelassen.

Auch Stealth verfügt weder über eine Zulassung, noch ein Gütesiegel – das Unternehmen umgeht es sogar ganz ausdrücklich, ihr Produkt als Penis-Expander zu bewerben. Stattdessen sagen sie, dass es "die Innenbänder des Penis ansprechen soll, um schnell an Länge zu gewinnen." (Laut Walsh gibt es überhaupt keine Innenbänder im Penis.) Die einzige Erklärung, die man auf der Webseite des Unternehmens findet, ist ein schwammiger Haftungsausschluss. In einem Statement gegenüber Broadly erklärt ein Vertreter von Stealth: "Wir machen keine Aussagen zur Erfolgsgarantie unseres Produkts, weil Penisverlängerungen kein Bereich sind, in dem man solche Aussagen machen kann."

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Wie viele Penisse müssen noch leiden, bevor man etwas dagegen unternimmt? Walsh beruhigt mich. Er sagt, er hätte noch nie einen Patienten gesehen, der seinem Gemächte mit einem solchen Expandern irreparable Schäden zugefügt hat. Allerdings gibt es sicherlich auch eine hohe Dunkelziffer. "Es könnte natürlich auch sein, dass sich Menschen verletzt haben, sich aber schämen und deswegen nicht zum Arzt gehen", sagt er.

Was mich angeht: Mir geht es (soweit) sehr gut. Mein Penis ist zwar nicht größer geworden, immerhin habe ich ihn aber noch. Der Expander steht mittlerweile auf meinem Schreibtisch. Als Briefbeschwerer eignet er sich wirklich hervorragend.


Titelfoto: Tookapic | Pexels | CC0