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frag eine hure

Frag eine Hure: Warum habe ich Vergewaltigungsfantasien?

Unsere hauseigene Sexexpertin Lydia beantwortet heute Fragen zu Vergewaltigungsfantasien, Kommunikation im Doggy Style und persönlichen Grenzen.
Image by Igor Madjinca via Stocksy

Lydia Faithfull arbeitet als Sexarbeiterin im Love-Ranch-Bordell in Nevada. Sie ist auf gute Gespräche und die Dominierung und Erniedrigung von Männern spezialisiert, küsst aber niemanden für Geld. In der Kolumne „Frag eine Hure" beantwortet sie regelmäßig intime Leserbriefe.

Liebe Lydia,

ich bin mit einem wundervollen Mann zusammen, der mir das Gefühl von Sicherheit und Liebe gibt. Ich weiß, dass er sich wohler fühlt, wenn wir beim Blümchensex bleiben, aber er ist auch offen dafür, Neues mit mir auszuprobieren. Ich habe extreme Missbrauchsfantasien, die sogar Gewalt miteinschließen. Ich befinde mich deswegen in einer echten innerlichen Zwickmühle—vor allem kämpfe ich mit der Tatsache, dass ich so etwas in keinem anderen Kontext außerhalb von einvernehmlichem Sex OK finden würde. Manchmal frage ich mich selbst: „Was ist falsch mit mir?" Was denkst du darüber? Wieso bin ich so verkorkst?

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Liebe Grüße
„Fiona"

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Fiona,

meine Liebe, du bist nicht verkorkst. Die Schuldgefühle und die Scham, die du beschreibst, fühlen sich für mich wie ein harter Schlag in die Magengrube an. Grundsätzlich ist keine sexuelle Fantasie falsch. Mit ist egal, ob etwas tabu ist. Es ist mutig, nach dem zu fragen, was man sich wünscht.

Ich freue mich sehr für dich, dass du einen Partner hast, der dich unterstützt und mit dem du deine Sexualität erforschen kannst. Eine liebevolle Beziehung, in der du über deine Fantasien sprechen kannst, ohne verurteilt zu werden, ist wirklich heilig. (Ich trauere meiner noch immer hinterher.) Hast du mit deinem Partner schon über ein mögliches Rollenspiel gesprochen? Er würde sich vielleicht wohler dabei fühlen, deine einvernehmlichen nicht-einvernehmlichen Fantasien auszuleben, wenn er eine Rolle spielt. Wenn er die Vorstellung, dich körperlich zu dominieren, nicht so prickelnd findet, solltet ihr vielleicht langsam anfangen, mit einem Nötigungsszenario. (Jemanden zu erpressen macht immer Spaß.) Ich befürworte es sehr, wenn man sich als Paar gemeinsam Pornos ansieht, um sich weiterzubilden. Das fördert die Kommunikation und ist die perfekte Gelegenheit, um über Vorlieben und Abneigungen zu sprechen. Hör auf, dich selbst zu verurteilen und hab Spaß.

Ich weiß nicht, ob du selbst schon einmal sexuelle Gewalt erlebt hast, aber viele Frauen fordern mit Missbrauchsfantasien etwas zurück. Denken wir mal über den möglichen Ursprung solcher Fantasien nach: Wenn man sich etwas vorstellt, dann schlüpft man selbst in eine Rolle, nicht wahr? Als Opfer deiner eigenen Geschichte verleihst du dir selbst eine ganz eigene Kraft. Du hast die Kontrolle über den Verlauf deiner Fantasie. Tatsächliche Tragödien in erotische Erfahrungen zu verwandeln ist ein ganz natürlicher Überlebensmechanismus. Wir Frauen lecken uns die tiefen Wunden des Patriarchats und ich befürworte alles, was zur Katharsis führt. Ich möchte, dass du dir selbst dasselbe Maß an Mitgefühl zuteil werden lässt, wie denjenigen bei der Telefonseelsorge oder im Frauenhaus. Du bist nicht antifeministisch. Du bist eine Frau, die sehr viel Leid ausgesetzt war und nun einen sicheren Ort gefunden hat, um sich diesen Schmerz selbst auszutreiben.

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Wenn du kein Geld dafür bekommst, dass du mit jemandem Sex hast, dann solltest du Wert darauf legen, dass du auch selbst auf deine Kosten kommst.

Liebe Lydia,

mein Freund ist ein wirklich lieber und warmherziger Typ, aber immer wenn wir Sex haben, fängt es damit an, dass ich vor ihm knie. Fast immer endet es damit, dass er mich von hinten nimmt, bis er kommt. In dem seltenen Fall, dass es nicht im Doggy Style endet, sitze ich auf ihm—aber mit dem Rücken zu ihm (umgekehrte Reiterstellung). Versteh mich nicht falsch, es gefällt mir, aber ich bin ein bisschen irritiert. Liegt es daran, dass ihm die Stellungen besser gefallen? Findet er meinen Hintern toll und will ihn sich ansehen? Will er mir nicht in die Augen schauen? Wenn ich mich von ihm wegdrehe, fällt es ihm durch die emotionale Distanz dann leichter zu kommen?

Liebe Grüße
Sarah

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Liebe Sarah,

es tut mir leid, dass du in so einer Situation steckst. Monotonie ist der Tod von Spaß und dass du nicht weißt, warum es passiert, sorgt sicher für Unmut. Bevor ich mit meinen wilden Spekulationen anfange, müssen wir über euren offensichtlichen Mangel an Kommunikation sprechen. Hast du das Thema schon mal angesprochen? Das solltest du nämlich unbedingt tun. Am Besten aber nicht während dem Sex.

Wenn ihr euch gegenübersteht, hält er dann Augenkontakt mit dir? Meiner Erfahrung nach schauen sich Männer, die einem solchen Blickkontakt nicht standhalten, unfassbar viele Pornos an und sind gegenüber der körperlicher Wärme abgestumpft. Er könnte aber genauso gut auch einfach verliebt in deinen Hintern sein. Das wirst du aber erst herausfinden, wenn du mit ihm sprichst.

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Ich würde es an deiner Stelle nicht so darstellen, als würde er etwas falsch machen. Das Wichtigste, was ich über Männer gelernt habe, ist, dass sie sich schnell an Veränderungen gewöhnen, wenn sie das warum verstehen oder du ihnen die Alternative direkt aufzeigst. Das heißt, sag ihm gegenüber nicht, dass dich der Doggy Style langweilt, wenn du keine konkreten Alternativen anbieten kannst. Ich garantiere dir, wenn du ihn fragst, ob er stattdessen nicht lieber in deinem Mund kommen will, wird er sicher nicht Nein sagen.

Wo bleibt dein Orgasmus bei der ganzen Sache? Du hast erwähnt, dass es dir gefällt, aber das klingt, als ginge es beim Sex nur um deinen Freund. Wenn du schon kein Geld dafür bekommst, dass du mit jemandem Sex hast (Sexarbeiterhumor!), solltest du zumindest dafür sorgen, dass auch du auf deine Kosten kommst. Männer kriegen auch so schon genug geboten.

Foto: pixabay.com | Pexels | CC0

Lydia,

wenn du mit einem Klienten zu tun hast, vor allem mit einem, der auf Dirty Talk steht, wo ziehst du da für dich persönlich die Grenze? Hast du auch schon mal die Notbremse gezogen, wenn es ausgeufert ist? Und wenn nicht, wie behältst du dann die Kontrolle über die Situation?

Gezeichnet
Neugierig

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Neugierig,

ich bin selten der Empfänger von Dirty Talk. Normalerweise bitten Klienten Sexarbeiter darum und dann wird im Voraus alles genau ausgehandelt. Das ist auch immer eine gute Gelegenheit, um etwas dazu zu verdienen und es kostet definitiv extra—vor allem, wenn sie wollen, dass ich sie verbal demütige. Das erfordert auch von einem Sadisten einen Haufen Improvisationstalent.

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Ich würde niemals irgendetwas zustimmen, womit ich mich selbst nicht wohl fühle. Ich biete zum Beispiel auch keine GFE (girlfriend experience) an, weil es für mich absolut unerträglich wäre, einen fremden Menschen zu küssen oder mit ihm zu kuscheln. In romantischen Beziehungen bin ich schrecklich anhänglich, aber eine solche Intimität könnte ich einem Klienten niemals anbieten. Das wäre gegen meine Natur und manche Dinge sind einfach heilig.

Erst vor Kurzem hat sich eine meiner Kolleginnen auf ein nekrophiles Rollenspiel eingelassen. Der Klient ist tatsächlich schmollend aus dem Bordell gestürmt, weil ihre Atmung nicht flach genug war und es ihm einfach nicht glaubhaft genug war. (Er hat vor Gericht versucht, sein Geld zurückzubekommen, aber die Anzeige wurde fallengelassen.) Ich persönlich hätte mich nicht auf diese Fantasie eingelassen und fand das Szenario äußerst problematisch. Glücklicherweise gibt es in der Sexindustrie für jeden noch so verbeulten Topf den passenden Deckel.

Ich würde die Party (Bordell-Slang für Sex) beenden, wenn ein Klient versuchen würde, mir den Hintern zu versohlen oder an meinen Haaren zu ziehen. Es wundert mich immer wieder, dass manche Männer glauben, dass ein solches Verhalten angemessen wäre, wenn sie mit einer Domina Sex haben. Ich habe einen lebensbegleitenden Grundsatz: Ich erkläre die Regeln nur einmal. Wenn ich mich wiederholen muss, heißt das, dass er seine Klamotten auf dem Parkplatz anziehen muss.

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Foto: Rocky Sun | Flickr | CC BY 2.0