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DNA

Diese neue Ziegenmilch ist durchzogen mit Spinnen-DNA

Mit Hilfe von Gentechnik entwickeln Forscher einer Universität in Utah gerade eine neue Art der Ziegenmilch. Sie ist durchzogen mit der Seide einer riesigen, fleischfressenden Spinne. Kein Scherz.
Photo via Flickr user Ken Mayer

Weicher, cremiger Ziegenmilchkäse auf einem Cracker. Sanfter, wohlschmeckender Joghurt, beträufelt mit duftendem Honig. Mexikanische Cajeta—dickflüssiges Karamell—dunkel, reichhaltig und bittersüß. In all diesen Dingen findest du herrliche, fettreiche Ziegenmilch. Zur Zeit tüfteln Wissenschaftler einer Universität in Utah an einer neuen Art des beliebten Milchprodukts, voll mit der Seide der goldenen Seidenspinne. Dieses riesige, beeindruckende Tier hat 2008 für ziemliche Aufregung im Internet gesorgt, als ein Foto aus Australien die Runde machte, auf dem ein besonders großes Exemplar einen ungefähr drei Mal so großen Vogel verschlang. Aber pass auf, es wird noch abgefahrener: Die Wissenschaftler bringen die Seide per Gentechnik in die Milch, indem sie Spinnengene mit Ziegenembryonen verbinden und diese dann in die Gebärmutter von nichts ahnenden Ziegen verpflanzen. Wenn diese kleinen Spinnen-Ziegen heranwachsen und mit dem Milchgeben anfangen, dann ist diese voller Seide der goldenen Seidenspinne.

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Du brauchst allerdings keine Angst vor Spinnweben in deinem Mund zu haben, wenn du das nächste Mal eine Tasse Ziegenmilch trinkst. Die Utah State University produziert die Milch nicht für Konsumzwecke, sondern um Spinnenseide herzustellen, die dann später bei vielen Handelsprodukten wie Fallschirmstoff, Fahrradreifen oder Kletterseilen Verwendung findet. Am vielversprechendsten sind jedoch künstliche Bänder und Sehnen, die es noch nicht gibt und die das Potenzial haben, die Medizinwelt zu revolutionieren. Moment, wie bitte?

„Die Möglichkeiten der medizinischen Anwendung sind sehr interessant", sagte Randy Lewis, der Leiter des Synthetischen Seiden-Programms der Universität. „Zum jetzigen Zeitpunkt ist jede davon ein Ziel für uns."

Jede Art von Spinnenseide ist bei gleichem Durchmesser fünf Mal so strapazierfähig wie Stahl. Zusätzlich ist sie noch wasserdicht und elastisch. Aber Lewis erklärte, dass die Seide der goldenen Seidenspinne—der Name kommt durch die hellgoldenen Farbe—sogar noch belastbarer als die von anderen Spinnen ist und selbst Schlangen und Vögel einfängt, wie du auf dem obigen Foto sehen kannst. Sie eignet sich also hervorragend als Faserstoff für eine ganze Reihe von Anwendungen, sowohl innerhalb als auch außerhalb des menschlichen Körpers.

Die Seide direkt von den Spinnen zu beziehen ist nicht möglich. Die goldenen Seidenspinnen sind nicht nur extrem selten und unkooperativ, sie sind auch Kannibalen. Laut Lewis sind Ziegen die perfekten Tiere fürs Labor, denn sie benötigen viel weniger Futter als zum Beispiel Kühe, um die gleiche Menge Milch zu geben. Zudem sind sie kleiner und es ist einfacher, mit ihnen zu arbeiten.

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„Außerdem sind kleine Ziegen einfach viel niedlicher als kleine Kühe", sagte er.

Das soll jetzt nicht heißen, dass die Gewinnung der Seide aus Ziegen einfach wäre. Im Jahr 2000 entwickelte das kanadische Biotech-Unternehmen Nexia eine Technologie, mit der das Team der Utah State University als ersten Schritt das für die Seidenproduktion verantwortliche Spinnengen isolierte. Danach verbanden sie dieses Gen mit E. coli-Bakterien (laborfreundlich und sehr vermehrungsfreudig), um so einen ganzen Haufen mehr davon zu bekommen. Im nächsten Schritt nahmen die Wissenschaftler eine Ziegenzelle aus einer Gewebeprobe, entfernten den Kern und pflanzten das modifizierte Spinnengen genau neben die milchproduzierenden Gene der Zelle ein. Nachdem die Laborumgebung so angepasst wurde, dass das Ei von seiner Befruchtung überzeugt ist, wird der Embryo in die Gebärmutter der Ziege eingesetzt, so Lewis.

„150 Tage später kommt der Nachwuchs", sagte Lewis.

Zur Zeit besteht die Herde der Universität aus ungefähr 42 Ziegen und 6 neuen Zicklein, ein neuer Wurf sollte noch in der gleichen Woche folgen. Die transgenen Tiere sehen ganz normal aus und verhalten sich auch so. Nur durch einen DNA-Test lässt sich herausfinden, ob eine kleine Ziege das Spinnengen in sich trägt.

Es wird erst wieder kompliziert, wenn die ausgewachsenen, transgenen Ziegen gemolken werden und das Spinnenseidenprotein ausgesiebt werden soll. Im Grunde genommen lässt das Wissenschaftlerteam die Milch durch eine Reihe von Filtern mit immer kleiner werdenden Löchern laufen. So wird zuerst die Flüssigkeit der Milch vom Fett getrennt und dann die natürlichen Proteine von den Seidenproteinen, die die Spinnen-DNA zur Party mitbringt. Als wäre dieser ganze Vorgang nicht schon beeindruckend genug, wird das Seidenprotein anschließend gefriergetrocknet, was zu einem Ergebnis führt, das Lewis zurückhaltend wie folgt beschreibt: „Na ja, halt ein kleiner Haufen weißes Pulver."

Bis jetzt wird das an der Utah State University erzeugte Seidenprotein noch nicht kommerziell verwendet, aber Lewis glaubt, dass die nicht medizinischen Artikel in etwa zwei Jahren auf den Markt kommen werden. Er sagte, dass es bei solchen Dingen wie Sehnen und Bändern wohl länger dauern wird, weil die Lebensmittelüberwachungs- und Arzneimittelzulassungsbehörde der USA diese erst testen und ihr OK geben muss. Es wird noch etwas Zeit vergehen, bis wir den ersten echten Spider Man sehen. Derweilen müssen wir uns stattdessen mit Spinnen-Fahrrädern zufrieden geben.