Warum Ärztinnen und Krankenschwestern häufiger Selbstmord begehen
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Warum Ärztinnen und Krankenschwestern häufiger Selbstmord begehen

Frauen in medizinischen Berufen leiden im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung deutlich häufiger unter psychischen Problemen. Die Gründe hierfür sind ernüchternd und machen deutlich, dass Sexismus am Arbeitsplatz nach wie vor ein schwerwiegendes Problem...

Sie war 21, als sie reinging und 27, als sie wieder rauskam. Mittlerweile ist sie 29 und erinnert sich an die sechs Jahre Hölle, die dazwischen liegen.

Kardiologie, Orthopädie, Allgemeinmedizin, Reha—es schien keinen Unterschied zu machen, wo Sarah war oder welcher Form der Pflege sie nachging, das Problem was immer dasselbe: „Egal, wie viel Gutes man an einem Tag getan hat, am Ende der Schicht geht man raus und hat immer das Gefühl, dass man noch mehr hätte tun können."

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Patient A war vielleicht sehr froh darüber, dass man seine Wunde neu verbunden hat und sich um seine Schmerzen gekümmert hat, „aber es kann auch sein, dass Patient B unter extremer Übelkeit gelitten hat und du einfach keine Zeit hattest, ihm die richtigen Medikamente zu besorgen."

„In der Zwischenzeit fühlt sich Patient C vielleicht nicht nur schlecht, sondern auch ziemlich einsam und du hattest keine Zeit, ihm eine Tasse Tee zu bringen, die ihm mehr bedeutet hätte als alle Medikamente der Welt. Wenn man nach der Schicht nach Hause geht, denkt man nicht an die gute Arbeit, die man bei Patient A geleistet hat. Man ist traurig, weil man nicht in der Lage war, auch Patient B, C und D zu helfen."

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„Hinzu kommen lange Arbeitszeiten, die allgemeine Erschöpfung und das fordert seinen Tribut."

Eines Tages ist dann das Undenkbare passiert: Ein Patient ist zusammengebrochen und gestorben, während sie Pause gemacht hat. „Er sollte an dem Tag eigentlich entlassen werden und nachdem er eine Woche lang unter Aufsicht geduscht hatte, ließ ich ihn allein", sagt Sarah.

„Die Ärzte versicherten mir, dass es aus medizinischer Sicht keinen Unterschied gemacht hätte, wenn ich da gewesen wäre, aber weil ich ihn allein gelassen hatte, fand ihn letztendlich seine Frau auf dem Boden liegend und gab mir die Schuld. Ich wusste, dass ich nichts falsch gemacht hatte, aber wegen mir muss seine Frau nun mit diesem letzten, schrecklichen Bild von ihrem Mann leben."

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Sarah bekam schwere Depressionen und hatte über lange Zeit große Angst, ihre Patienten allein zu lassen. Das hatte zur Folge, dass sie Pausen nicht mehr einhielt und während ihrer Schicht kaum aß oder trank. Man sagte ihr, dass sie mit einem Kliniktherapeuten über den Vorfall sprechen könnte, wenn sie wollte, aber „das war ein solches Prozedere", dass sie beschloss „einfach weiterzumachen."

Die meisten Mitarbeiter auf Station machten das so, sagt Sarah. „Als junge Krankenschwester möchte man nicht schwach wirken. Es ist wichtig, sein Gesicht zu wahren. Keiner hier hat es leicht, aber niemand spricht darüber."

„Man tratscht und meckert, aber man will nicht die sein, die Hilfe braucht."

Dass Menschen in medizinischen Berufen im Vergleich zur Normalbevölkerung deutlich häufiger unter Ängsten und Depressionen leiden, ist seit Langem bekannt. Ärzte, Krankenschwestern und Medizinstudenten stellen—ironischerweise—die Bevölkerungsgruppen dar, die sich am seltensten Hilfe suchen, wenn sie selbst unter psychischen Problemen leiden.

Das gilt vor allem für Frauen, die im medizinischen Bereich tätig sind, wie Studien gezeigt haben. Laut Angaben der Zeitschrift Psychiatrische Praxis sind die Selbsttötungsraten nach den Ergebnissen von 14 internationalen Studien bei Medizinern 1,3 bis 3,4-mal höher als unter der Normalbevölkerung und bei Medizinerinnen sogar 2,5 bis 5,7-mal als bei vergleichbaren Nichtmedizinerinnen. Was diese Geschlechterverteilung besonders interessant macht, ist die Tatsache, dass sich Männer in der Allgemeinbevölkerung 2,5-mal häufiger umbringen als Frauen.

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Dr. Allison Milner von der australischen Deakin University ist die führende Autorin einer umfassenden australischen Studie, die im Oktober erschien und Expertin für berufsbedingte Selbstmorde. Sie stellte im Rahmen ihrer Untersuchungen fest, dass Krankenschwestern in Australien fast viermal häufiger Suidzid begingen als der Rest der berufstätigen Frauen. Unter Ärztinnen war die Selbstmordrate dreimal höher. Männliche Ärzte brachten sich zwar ebenfalls sehr häufig um, allerdings entsprach die Zahl der allgemeinen Selbstmordrate von berufstätigen Männern.

Wenn eine Ärztin oder eine Krankenschwester einen Fehler macht, kann das katastrophale Folgen für den Patienten und deren Angehörige haben.

Sie glaubt, dass die Gründe für die erhöhte Selbstmordrate unter Ärztinnen und Krankenschwestern vielfältig sind—allem voran spielen hierbei „die langen Arbeitszeiten, die hohen Anforderungen des Berufs, der Spagat zwischen Beruf und Mutterschaft und der Umgang mit Patienten und deren Familien" eine wichtige Rolle.

„Beide Berufe [als Krankenschwester und als Ärztin] fordern emotional sehr viel von einem", sagt Milner weiter. „Außerdem leben sie mit der ständigen Angst, Fehler zu machen. Wenn eine Ärztin oder eine Krankenschwester einen Fehler macht, kann das katastrophale Folgen für den Patienten und deren Angehörige haben."

Grundlage für Milners Untersuchungen waren statistische Daten des National Coronial Information System von insgesamt 10.000 Selbstmorden aus den Jahren 2001 bis 2012. Frauen, sagt sie, versuchen oft alles selbst zu erledigen—da stellen Frauen in der Medizin keine Ausnahme dar. Viele haben Probleme damit, Beruf und Familie unter einen Hut zu bekommen und haben Schwierigkeiten „mit der Belastung, die die starren Rahmenbedingungen medizinischer Berufe mit sich bringen."

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Dann ist da noch der leichte Zugang zu (und die praktischen Kenntnisse über) verschreibungspflichtige Medikamente—ein „zentraler" Faktor.

Hinzu kommt auch, dass Ärzte befürchten müssen, „dass sie ihre Zulassung verlieren, wenn sie zugeben, dass sie suizidale Gedanken oder psychische Probleme haben."

Illustrationen: Ashley Goodall

In Australien gibt es seit einiger Zeit eine nationale Meldepflicht, wie sie infolge des Flugzeugabsturzes der German-Wings-Maschine auch in Deutschland diskutiert wurde. Diese verlangt, dass Ärzte Kollegen melden müssen, wenn sie „Grund zu der Annahme" haben, dass diese unter „beeinträchtigenden" psychischen Störungen leiden, erklärt Milner. Auch in Deutschland können „Unzuverlässigkeit oder Unwürdigkeit zur Ausübung des Arztberufs" laut der Bundesärztekammer zum Entzug der Approbation führen. Diese Formulierungen klingen sehr vage, was daran liegt, das sie es auch sind. Die Probleme werden hierdurch allerdings oftmals nicht gelöst, sondern zusätzlich verschärft, da viele Ärzte Angst haben, sich die notwendige Hilfe zu suchen. In Deutschland unterliegen Depressionen allerdings nach wie vor der ärztlichen Schweigepflicht. Das heißt, dass der Arbeitgeber—anders als in Australien—nicht informiert werden darf.

„Die australische Gesetzgebung macht Ärzten mit ernstzunehmenden Depressionen die Entscheidung, ob sie sich in Behandlung begeben sollen oder nicht, noch schwerer", sagt Majorie Cross, Sekretärin der Australian Federation of Medical Women (AFMW) und Allgemeinärztin. „Die Stigmatisierung von psychischen Erkrankungen bleibt nach wie vor ein schwerwiegendes Problem unter Medizinern."

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„Es ist augenscheinlich so, dass die meisten Frauen in diesen Berufszweigen weder ernstzunehmende Erkrankungen haben noch Selbstmord begehen", sagt Cross weiter. Allerdings überraschen sie die krassen Ergebnisse von Milners Studie nicht—„und ich würde sagen, dass die tatsächliche Inzidenz sogar noch viel höher sein könnte."

Sie spricht von einer Kombination aus drei Komponenten: Stress, Diskriminierung und fehlender Autorität. „Ich kann mir nur allzu gut vorstellen, wie enttäuscht man als Frau sein muss, wenn man aufgrund seines Geschlechts keine Stelle findet. Medizinstudentinnen haben konkrete und hohe Erwartungen, nachdem sie jahrelang studiert haben und womöglich auch die Familiengründung aufgeschoben haben. Außerdem haben medizinische Berufe bewiesenermaßen ein Problem mit Mobbing und sexueller Belästigung."

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„All die Probleme, die die psychische Gesundheit beeinflussen können—frühkindliche Traumata oder Gewalt in der Partnerschaft—, betreffen genauso auch die Frauen in medizinischen Berufen. Vielleicht schaut man nur nicht genau genug hin oder ist nicht bereit, diese Tatsache anzuerkennen."

„Das hat wieder mit der Stigmatisierung zu tun."

Das Thema Mobbing und Sexismus in medizinischen Berufen rückte 2015 in den Fokus der Öffentlichkeit, als eine Chirurgin offen über Diskriminierung und sexuelle Belästigung sprach. „Ich sage meinen Auszubildenden immer", erklärte Dr. Gabrielle McMullin gegenüber ABC, „dass es für die Karriere am besten wäre, wenn man sich sexuellen Annäherungen einfach fügen würde."

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Infolgedessen erschien ein unabhängiger Bericht, für den rund 3.500 Chirurgen befragt wurden. Dabei stellte man fest, dass in den chirurgischen Abteilungen in ganz Australien eine „feinselige Arbeitsatmosphäre" herrscht und knapp die Hälfte aller Chirurgen bereits Erfahrung mit Diskriminierung, Mobbing oder sexueller Belästigung gemacht hat.

In Deutschland warnen Berufsverbände derweil auch immer wieder vor den hohen Zahl an Fällen von sexueller Belästigung in Pflegeberufen. Wie die Ärztezeitung berichtet, stellte eine Studie des Kriminologischen Forschungsinstitutes Niedersachsen fest, dass 18 Prozent der weiblichen Pflegekräfte in ambulanten Pflegediensten bereits Erfahrungen mit sexueller Belästigung am Arbeitsplatz machen mussten.

Darüber hinaus stößt man in medizinischen Berufen noch immer auf eine gläserne Decke. Obwohl es laut Angaben des Statistischen Bundesamtes seit einigen Jahren mehr weibliche als männliche Medizinstudenten gibt, sind Frauen in der Krankenhausleitung und in speziellen Fachrichtungen nach wie vor unterrepräsentiert. Das liegt, wie Forscher festgestellt haben, daran, dass Frauen angeblich weniger glaubwürdig wirken, das Arbeitsumfeld sehr genderspezifisch ist, viele Frauen in bestimmte Bereiche der Medizin gedrängt werden und die Arbeitszeiten für Mütter äußerst unflexibel sind.

Melanie* arbeitet als Ärztin in einer Notaufnahme in Queensland. Sie musste nach nur zwei Jahren im Arztberuf zum ersten Mal in ihrem Leben einen Psychiater aufsuchen. Sie bekam Depressionen und entwickelte Suizidgedanken. „Bevor ich zur Medizin kam, habe ich jahrelang in verschiedenen anderen Branchen gearbeitet", sagt die 31-Jährige, „aber ich habe Sexismus, Mobbing und Vetternwirtschaft noch nie in einem solchen Ausmaß erlebt wie als Ärztin—in der Medizin gehört das zum Alltag."

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Männliche Ärzte, sagt sie, genießen im Krankenhausumfeld insgesamt ein höheres Ansehen. Das hatte auch zur Folge, dass sie viele Pflegetätigkeiten selbst übernehmen musste und somit mehr Arbeit, aber weniger Zeit für die Patienten hatte.

„Wenn wir von Patienten oder Kollegen sexuell belästigt werden, haben wir es einfach hinzunehmen", sagt sie weiter. „Man soll einfach nur kichern und still sein." Wie in den meisten anderen Branchen gibt es auch in Kliniken offizielle Stellen, um Fälle von sexueller Belästigung zu melden. Wenn man sich allerdings zu Wort meldet, sagt Melanie, muss man damit rechnen, dass „man seine Karriereaussichten aufs Spiel setzt."

„Ich habe auch schon in anderen Ländern gearbeitet und muss sagen, dass gerade Australien entsetzlich sexistisch ist. Das trägt enorm dazu bei, dass Ärztinnen mit ihrem Beruf unzufrieden sind. Ich habe schon unzählige Male mit anderen Ärztinnen darüber diskutiert."

Dennoch „sollte man vor Kollegen niemals erwähnen, dass man Probleme hat oder depressiv ist."

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Der Psychiater Dr. Geoff Riley ist auf die Behandlung von Ärzten spezialisiert und sagt, dass die meisten Ärztinnen und Krankenschwestern, die zu ihm kommen, unter identischen Beschwerden leiden. „Es wiederholt sich einfach immer und immer wieder", sagt er. „Man stößt immer wieder auf dieselben Probleme."

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Er sagt, dass „Frauen noch immer in einem Männerverein arbeiten und versuchen mitzuhalten. Frauen bekommen nicht dieselbe Wertschätzung und Anerkennung wie Männer. Es geht meistens darum, dass Frauen versuchen, jeder Rolle gerecht zu werden, den Haushalt zu schmeißen und perfekte Arbeit abzuliefern. Oftmals sind sie überaus intelligent, genießen aber nicht dasselbe Ansehen wie ein Mann und werden auch nicht so oft befördert. Das führt in den meisten Fällen zu Depressionen und oftmals auch zu Angststörungen.

„Ein anderer wichtiger Punkt sind Eheprobleme, die oftmals auf die Unausgewogenheit zu Hause zurückzuführen sind sowie auf den Stress und den Druck, alles am Laufen halten zu wollen."

Ärztinnen und Krankenschwestern werden oft auch, ohne es zu merken, zur emotionalen Lebensader ihrer Patienten, sagt Riley. „Sie tragen die zusätzliche Bürde [eines emotionalen Berufes], was genauso lähmend sein kann. Daran gibt es keinen Zweifel."

Im Jahr 2013 hat die australische Organisation für psychische Gesundheit, Beyond Blue, eine richtungsweisende Studie über die psychische Gesundheit von medizinischen Berufen in Australien veröffentlicht und hat damit bestätigt, was wir bereits wussten: Im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung und den Männern in der Medizin leiden Ärztinnen häufiger unter „psychischen Problemen" und erleben auch sehr viel öfter „einen Konflikt zwischen Karriere und Familie/persönlichen Verantwortlichkeiten."

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Die Studie stellte darüber hinaus auch fest, dass Frauen in der Medizin in den vergangenen zwölf Monaten häufiger über Selbstmord nachgedacht und/oder einen Selbstmordversuch unternommen haben. Das bestätigt auch Milners aktuelle Studie. Wie eine deutsche Studie festgestellt hat, litten auch in Deutschland rund die Hälfte aller Mediziner im Laufe ihres Lebens bereits unter Suizidgedanken. Zwei Drittel der Befragten gaben sogar an, dass die Möglichkeit bestünde, dass sie sich in Zukunft umbringen werden.

Ich hatte das Gefühl, dass ich für alles, was schief lief, verantwortlich gemacht werden würde.

Allerdings, sagt Marjorie Cross von der Australian Federation of Medical Women, „sind die psychiatrischen Ressourcen [ähnlich wie in Deutschland] allgemein nur sehr begrenzt. Psychiater, die die entsprechende Ausbildung zur Behandlung von Kollegen haben, gibt es entsprechend noch weniger, was es Ärzten und Krankenschwestern noch schwerer macht, sich Hilfe zu suchen." Es gibt zwar auch Telefonseelsorger, die man anrufen kann, aber Cross sagt, dass diese meist vollkommen unterbesetzt sind und kaum in Anspruch genommen werden.

Milner ist dennoch zuversichtlich. Sie weiß noch nicht, welche Folgen ihre Untersuchungsergebnisse haben werden, „aber die Studie von Beyond Blue wurde von der Ärzteschaft in Australien wirklich diskutiert und ernst genommen", sagt sie. „Deswegen denke ich, dass wir auf dem besten Weg sind, um gegen die hohe Selbstmordrate vorzugehen. Ich denke, dass sich dieses Problem wirklich lösen lässt."

Nachdem sie mit einem Hausarzt gesprochen hat, der ihr versichert hat, dass sie nur gemeldet werden würde, wenn sie eine echte Gefahr für ihre Patienten darstellen würden, ging Melanie schließlich zum Psychiater. „Ich hatte unglaubliche Angst", sagt sie, „aber ich habe dem Hausarzt mehr vertraut als sonst irgendwem und habe der Überweisung schließlich zugestimmt."

Die Qualitäten, die sie ihrer Meinung nach überhaupt erst zu ihrer Berufswahl gebracht haben, wurden ihr schließlich zum Verhängnis: „Empathie, echte Sorge um andere und der Wunsch, den Menschen zu helfen."

Einige Leute glauben auch, dass das erhöhte Risiko für psychische Erkrankungen mit der Persönlichkeit der Ärzte und Pfleger selbst zusammenhängt. Wenn man sich die Suizidraten ansieht, würde das allerdings bedeuten, dass das eher auf Ärztinnen und Krankenschwestern zutrifft als auf Ärzte und Pfleger.

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Als Reaktion auf Milners Studie schrieb der Suizidexperte Professor Robert Goldney im Medical Journal of Australia: „Ein Faktor, über den nur selten gesprochen wird, könnte auch sein, dass Menschen, die sich für einen Helferberuf entscheiden, auf diese Weise versuchen, ihre eigenen Abhängigkeitsbedürfnisse zu befriedigen. […] Keiner von uns ist vor seinen eigenen persönlichen Bedürfnissen gefeit."

Da könnte etwas dran sein, meint Marjorie Cross. „[Allerdings] bin ich der festen Überzeugung, dass man diese Behauptung unabhängig von geschlechtsspezifischen Vorurteilen untersuchen müsste."

Melanie hat es auf jeden Fall hinter sich. Sie weiß nicht, was sie als nächstes tun wird. Sie hat wegen ihres Studienkredits umgerechnet rund 210.000 Euro Schulden, doch ihre Erleichterung darüber, dass sie ihren Beruf an den Nagel hängt, ist deutlich spürbar. „Ich habe mich verloren und allein gelassen gefühlt. Ich hatte das Gefühl, dass ich für alles, was schief lief, verantwortlich gemacht werden würde", sagt sie, „und wenn in der Medizin mal etwas schief läuft, dann läuft es in der Regel richtig schief."