Wieso Frauen es in der Skateboard-Szene schwerer haben
Foto mit freundlicher Genehmigung von Candy Jacobs

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Wieso Frauen es in der Skateboard-Szene schwerer haben

Die Niederländerin Candy Jacobs will es als professionelle Skaterin in die Weltspitze schaffen – und hofft darauf, dass die Kürung von Skateboarding zum Olympischen Sport Frauen endlich eine Bühne bietet.

Skateboarding wird endlich zur olympischen Sportart. Schon 2020 sollen Skater die Möglichkeit bekommen, um olympisches Gold gegeneinander anzutreten—für viele Anhänger ein längst überfälliger Schritt. Adelt dieser Tatbestand Skaten doch ganz hochoffiziell zu einer „richtigen" Sportart, während es von manchen immer noch als albernes Hobby für Ewig-Junggebliebene gesehen wird. Auch Candy Jacobs freut sich über die Entscheidung, die Gründe für ihre Euphorie sind allerdings etwas differenzierter.

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Die Niederländerin ist eine professionelle Skaterin, aktiv in einem Sport, der noch immer von Männern dominiert wird. Ein Tatbestand, der von Initiativen wie SuckMyTrucks, die in Berlin regelmäßig Skate-Wettbewerbe veranstalten, deutlich kritisiert wird. Dass Skateboarding nun olympisch ist, könnte eine große Chance für Frauen wie Candy bedeuten und Skaterinnen deutlich mehr in den Fokus der Öffentlichkeit rücken.

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„Ich glaube, dass es dadurch mehr Möglichkeiten für Frauen geben wird", schreibt sie mir per Mail. Aktuell befindet sie sich in den USA und nutzt jede Gelegenheit, im Mutterland ihres Lieblingssports auf dem Brett zu stehen. Das macht einen Skype-Termin schwer. „Viele Wettbewerbe werden ab jetzt auch Frauen miteinbeziehen müssen, um den Sport gleichberechtigt zu repräsentieren und vielleicht gibt es dadurch auch mehr Sponsorendeals." Mehr Frauen in der Szene zu sehen, ist für Candy eine Herzensangelegenheit.

Ich habe damals ehrlich gesagt noch nicht darüber nachgedacht, ob es irgendwelche anderen Mädchen geben könnte, die auch Skateboard fahren.

Die richtige Leidenschaft packte sie mit 13 Jahren, als ihre Mutter sie—samt Board—am örtlichen Skatepark absetzt. „Das war der Tag, an dem ich mich in Skateboarding verliebt habe" sagt sie. Dass sie die einzige Skateboarderin in ihrem Bekanntenkreis war, hinderte sie nicht daran, sich Hals über Kopf in ihr neues Hobby zu stürzen. „Ich habe damals ehrlich gesagt noch nicht darüber nachgedacht, ob es irgendwelche anderen Mädchen geben könnte, die auch Skateboard fahren. Erst nach ein paar Jahren habe ich dieses 411VM-Video gesehen, in dem auch Elissa Steamer war." Kurze Zeit später sieht sie Evelien Bouilliart bei einer Veranstaltung in Belgien. Candy ist fasziniert. Dass es andere Frauen gibt, die es in der Szene bereits „geschafft" haben, motiviert sie umso mehr, an sich zu arbeiten. „Um es zu schaffen, braucht es jeder Menge Willen, Beharrlichkeit und Einsatz. Das Wichtigste ist aber Leidenschaft und die Liebe zum Sport." Um so fit wie möglich zu sein, trainiert Candy regelmäßig im Fitnessstudio und versucht, sich möglichst gesund zu ernähren.

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Foto mit freundlicher Genehmigung von Candy Jacobs

Heute ist Candy Jacobs 26. Die Liebe zum Board bestimmt noch immer ihr Leben, mittlerweile macht sie aber nicht mehr nur die niederländische Provinz, sondern die halbe Welt unsicher. 2009 wird sie Erste bei den European Championships in Basel, zwei Jahre später folgt die erste Teilnahme bei den prestigeträchtigen X-Games in Los Angeles, wo sie 6. wird. In den darauffolgenden Jahren gewinnt und platziert sie sich bei Wettbewerben in Berlin, Montreal, Barcelona und Austin. Aktuell belegt sie Platz 4 der Weltrangliste bei den Frauen und ist die amtierende niederländische Skateboard-Meisterin.

So positiv sie sich auch von anderen Sportlern und der Szene an sich aufgenommen fühlt: Es gibt durchaus Bereiche, in denen für sie klar ersichtlich ist, dass es immer noch einen großen Unterschied in der Behandlung zwischen Skatern und Skaterinnen gibt.

Bei den meisten Wettbewerben unterscheiden sich die Preisgelder zwischen Männern und Frauen immer noch sehr.

„Frauen haben es im Skateboarding nicht zwingend schwerer, es ist einfach anders. Marketingmäßig passiert da nicht viel, deswegen ist es insbesondere in Europa fast unmöglich, als Frau vom Skateboarding zu leben—auch wenn es Frauen wie Leticia Bufoni gibt, die sehr erfolgreich sind. Es passiert ziemlich viel. Es werden ‚Streetparts' gefilmt, die Wettbewerbe werden immer größer und auch die Community als solche wächst" sagt Candy. „Aber bei den meisten Wettbewerben unterscheiden sich die Preisgelder zwischen Männern und Frauen immer noch sehr. In Werbeanzeigen sieht man eigentlich keine Skateboarderinnen und in Magazinen werden sie auch kaum gezeigt. Firmen sind einfach noch nicht bereit, in Skaterinnen zu investieren."

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Ein Problem, das auch für Candy eine ständige Herausforderung darstellt, die ihren Vollzeit-Job gekündigt hat, um sich vollkommen auf ihre Skate-Laufbahn konzentrieren zu können. Mit einer GoFundMe-Kampagne hofft sie auf zumindest etwas Unterstützung von außen. Rund 5000 Euro hat sie damit in den vergangenen vier Monaten gesammelt—10.000 Euro braucht sie, um sich die Anreise zu den Wettbewerben zu finanzieren, die ihrer Sportlerkarriere den entscheidenden Schub nach vorne geben könnten. Viele finanzieren sich diese Reisen durch Sponsoren-Deals.

„Es ist natürlich nicht zwingend notwendig, eine große Firma im Rücken zu haben, aber es hilft definitiv dabei, zu reisen, an Wettbewerben teilzunehmen und Videos drehen zu können", sagt Candy. Sie selbst wird von Firmen wie Etnies oder Blackriver unterstützt, muss sich also zumindest um ihr Equipment keine Sorgen machen. Dass es bei anderen Marken aber trotzdem noch die Annahme zu geben scheint, dass es sich nicht lohnt, Skaterinnen zu unterstützen, ärgert sie trotzdem. „Ich glaube ehrlich gesagt, dass die meisten Firmen Frauen-Skateboarding für nicht interessant genug halten, auch wenn das definitiv nicht wahr ist. Wenn sie einfach echte Skateboarderinnen in ihren Werbungen zeigen, lokale Skater-Mädels unterstützen und auf medialer Ebene der Welt da draußen einfach zeigen würden, dass es uns gibt, würden sie auch sehen, dass ein Markt dafür da ist."

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Es bleibt abzuwarten, wie schnell ein Umdenken in der Szene stattfinden kann. Schließlich gibt es immer mehr Skaterinnen, die keine Lust mehr haben, im Schatten ihrer männlichen Kollegen zu leben und sich offen zu den Problemen der männerdominierten Szene äußern. Vielleicht ist die Miteinbeziehung in die Olympischen Spiele der Wendepunkt. Für Candy ist es zumindest ein Ansporn, sich weiterhin reinzuhängen. „Meine Ziele sind nach wie vor dieselben: Ich möchte so viel wie möglich skaten, mich jeden Tag aufs Neue herausfordern, immer besser werden und dazu beitragen, dass die nächste Generation eine Plattform bekommt. Sollte ich die Chance bekommen, 2020 an den Olympischen Spielen teilzunehmen, werde ich sie aber mit beiden Händen greifen und jede einzelne Minute genießen!"