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Mutterschaft

Was wir unseren Müttern schon immer sagen wollten – und uns nie getraut haben

Mutter-Tochter-Beziehungen gestalten sich oft sehr schwierig und auch mit der Kommunikation ist es immer so eine Sache. Wir haben Frauen gefragt, was sie ihren Müttern gerne mal sagen würden, wenn sie nur wüssten wie.
Illustration: Ashley Goodall

„Unsere Mütter", sagte die französische Schriftstellerin Marguerite Duras, „werden immer die seltsamsten, verrücktesten Menschen bleiben, die wir jemals getroffen haben."

Im besten Fall ist die Frau, die dich in diese Welt gesetzt hat, deine Retterin vor der grausamen Welt da draußen. Bei denjenigen, die weniger Glück hatten, kann die bloße Präsenz der eigenen Mutter tief vergrabene, schmerzvolle Erinnerungen hervorrufen. Bei vielen—oder den meisten—ist es eine fein abgestufte Mischung aus beidem.

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Wie auch immer diese Mutter-Tochter-Dynamik aussieht, es kann unfassbar schwer sein, Lob und Leid in Worte zu fassen—aus Angst, sie traurig zu machen, aus reinem Unbehagen oder aus irgendeinem anderen Grund, der meist so einzigartig ist wie die Beziehung selbst.

Ich habe einige Frauen gebeten, es stattdessen einfach aufzuschreiben.

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Janine*

Ich wünschte, du hättest mir vertrauen können. Ich wünschte, du hättest mir vertraut, dass ich dir trotz allem—dem Geschrei, der Gehässigkeit—einfach nur helfen wollte. Wer auch immer sich den Begriff „funktionierender Alkoholiker" ausgedacht hat: Ich bin mir ziemlich sicher, dass derjenige kein Elternteil hatte, das tatsächlich getrunken hat. Nur weil jemand in der Lage ist, seine Arbeit zu machen und nach außen hin den Eindruck zu erwecken, als wäre alles in Ordnung, bedeutet nicht, dass die gesamte Fassade nicht immer kurz davor ist einzustürzen. Man kann die Wirklichkeit nicht vor den Leuten verstecken, mit denen man zusammenlebt.

Ich wünschte, dir wäre klar gewesen, dass ich es niemals irgendwem erzählt hätte. Mittlerweile scheint es zu spät zu sein: Die Erinnerung an dich wird auf ewig mit Alkohol verbunden sein. Es gibt so viele Momente, in denen ich mich zurückerinnere—an Zeiten, die eigentlich glücklich gewesen sein sollten, aber sie sind getrübt. Mein 16. Geburtstag, als ich entdeckt habe, dass du Wodka in deinen Wein mischst, damit er ein bisschen mehr Pfiff bekommt. Heute habe ich deswegen eine echte Abneigung gegen den Geruch von Rotwein. Allein beim Gedanken an all diese Dinge, die mir oft erst im Nachhinein klar wurden, verkrampft sich mein Körper. Ich wünschte einfach nur, du hättest mir vertrauen können, dass ich all das immer nur aus Liebe getan habe und tun werde.

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Katie

Ich wünschte, du würdest mich tatsächlich antworten lassen, wenn du mir eine Frage stellst. Dass du mir immer ins Wort fällst, wenn ich dir etwas erzählen soll, gibt mir das Gefühl, dich würde gar nicht wirklich interessieren, was ich zu sagen habe. Ich bekomme den Eindruck, dass du dich eigentlich gar nicht für mich als ganzen Menschen mit Gefühlen und einem eigenen Leben interessierst. Es wirkt fast so, als würdest du dich nur für die Version von mir interessieren, die zu dir gehört.

Sarah

Es war ziemlich seltsam, als du mich wenige Monate nach dem Tod von Papa gebeten hast, ein Profilfoto von dir für dein Online-Dating-Profil zu machen. Jetzt ist es raus. Ich finde trotzdem nach wie vor, dass du toll darauf aussahst. Ich weiß auch nicht. Wir können uns beide nicht so gut mitteilen, oder? Ich finde es ziemlich schwer, mich mit dir zu unterhalten, weil ich immer das Gefühl habe, du würdest dich aus der Verantwortung ziehen.

Ich habe allgemein das Gefühl, als wären dir deine Kinder nicht mehr so wichtig, seit du wieder geheiratet hast. Es fällt mir schwer, das zu sagen, weil ich ja will, dass glücklich bist und als Feministin finde ich nicht, dass sich dein Leben allein um deine Kinder drehen sollte. Manchmal schockiert es mich aber trotzdem. Ich beneide meine Freunde, die „normale" Eltern haben, wirklich sehr.

Außerdem hast du mir auch mal gesagt, dass du es nicht wissen wollen würdest, wenn ich abtreiben lassen würde. Darüber denke ich sehr viel nach. Ich würde jede fremde Frau von der Straße zur Abtreibungsklinik fahren, wenn sie mich darum bitten würde. Abgesehen davon bist du aber ein unglaublicher Mensch. Du bist stark und ich glaube wirklich, dass du dein Bestes gibst.

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Ich frage mich, ob ich dir diese Worte jemals schicken werde.

Abigail

Es liegt nicht so sehr an deiner Schizophrenie—daran habe ich mich gewöhnt. Es geht um deinen Narzissmus und darum, dass du mich behandelst, als wäre ich zu deiner Unterhaltung da. Als wäre ich irgendein dummes Püppchen. Du tust nichts, um dir selbst zu helfen. Du wartest immer nur darauf, dass ich dich rette, aber das kann ich nicht, weil ich es leid bin, mich selbst über Wasser zu halten. Du stößt andere Leute zurück, um dann einfach nur herumzusitzen, um auf mich zu warten und mir dann ein schlechtes Gewissen zu machen, damit ich dich besuchen komme. Du bist eben krank. Da kann ich wohl kaum auf dich wütend sein, oder?

Georgina

Es macht mich immer wieder sprachlos, wie du erzogen worden bist. Du erzählst mir immer, dass du nicht an Geschlechterquoten glaubst und dass Frauen nicht arbeiten gehen sollten, „einfach weil" sie Frauen sind. Du erklärst mir, wie glücklich du jetzt bist, wo ich jemanden gefunden habe, der sich „um mich kümmern" kann. Ich meine, er ist großartig, aber ich war auch allein ziemlich glücklich. Außerdem kümmert er sich nicht um mich, wir sind Partner.

Du erinnerst mich immer wieder an all die Male, die ich gescheitert bin. Ja, danke dafür—ich kann mich daran auch noch gut erinnern und ich werde auch noch öfter scheitern, weil ich nicht aufhören werde, Dinge zu versuchen. Ich finde aber auch, dass ich erfolgreich bin. Du sagst mir immer wieder, dass ich mich festlegen sollte, aber ich bin froh, dass ich mich in meinen 20ern nicht festgelegt habe und auch mit 33 bin ich noch nicht bereit dazu. Ich bin ziemlich dankbar für das, was ich habe, aber ich bin noch nicht fertig.

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Ich verstehe vieles von dem, was du sagst, nicht und ich bin sicher, dir geht es ganz genauso mit mir. Es gibt aber auch etwas oder einiges, was du getan hast, womit du mir das Leben, so wie ich es lebe, ermöglicht hast und ich finde, ich habe ein verdammt gutes Leben.

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Denise

Ich liebe dich, aber ich kann dich nicht leiden. Du hast mich mein gesamtes Leben über schikaniert. Als ich noch ein Kind war, hast du mich gepiesackt, wenn wir nicht einer Meinung waren und hast meine Gefühle gegen mich verwendet. Du hast mich so sehr eingeschüchtert, dass ich vor dir auch heute noch nicht für mich selbst einstehen kann. Du musst mich immer niedermachen. Ich war so glücklich, als ich meinen ersten Buchvertrag unterschrieben habe. Ich habe dir gesagt, dass ich einen Bonus bekommen würde, wenn mehr als tausend Exemplare meines Buchs verkauft werden würden. Deine Antwort? „Du wirst niemals tausend Exemplare verkaufen." Am Ende warst du beleidigt, als ich gehen wollte—damit du nicht siehst, wie wütend und traurig ich war. „Was? Ich bin nur realistisch", meintest du. Wieso konntest du nicht einfach glücklich sein, weil ich ich glücklich war? Vielleicht liebe ich dich auch gar nicht.

Hannah

Als Teenager habe ich dir vorgeworfen, du würdest zu viel arbeiten und wärst nicht „mütterlich" genug. Ich konnte damals nicht sehen, wie sehr du dich in Wirklichkeit gekümmert hast. Mittlerweile habe ich ziemlich großen Respekt vor dem, was du erreicht hast, vor deiner Stärke und Entschlossenheit. Du leitest dein eigenes Unternehmen, managst deine eigenen Angestellten, du und Papa seid immer noch glücklich miteinander und aus euren Kinder sind (überwiegend) funktionsfähige Erwachsene geworden.

Ich frage mich, ob ich dir diese Worte jemals schicken werde. Rührseligkeit finden wir beide ziemlich unangenehm und um ehrlich zu sein, glaube ich, dass wir in dieser Situation beide ziemlich unbeholfen reagieren würden. Ich glaube gern daran, dass ich es eines Tages doch tun werde—vielleicht, wenn ich einmal selbst Mutter bin. Bisher ist das alles hier nur ein stummer, eingetippter Gedanke, den du vielleicht niemals lesen wirst. Mama, ich weiß, was du für mich getan hast und ich bin dir sehr dankbar. Ich hoffe du bist nicht allzu enttäuscht von dem Ergebnis.


*Namen wurden geändert.