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Sex

Wie bekomme ich einen vaginalen Orgasmus?

Drei Viertel aller Frauen kommen nur durch die Stimulation der Klitoris zum Höhepunkt. Warum also sind so viele davon besessen, "rein vaginal" durch Penetration zu kommen?
Eine Frau liegt auf einem Bett, mit Blüten auf ihrer Vagina
Image by Nabi Tang via Stocksy

Der vaginale Orgasmus—einer der großen Mythen der weiblichen Sexualität. Gibt es ihn? Gibt es ihn nicht? Darüber streiten sich auch im Jahr 2016 noch viele Menschen. Schuld ist daran, wie an so vielen Dingen: Sigmund Freud. 1905 erklärte Freud, dass Frauen, die nur durch klitorale Stimulation zum Höhepunkt kommen, „unreif" seien und dass sich jede vernünftige Frau auf Orgasmen durch vaginale Penetration konzentrieren sollte. Aus anatomischer Sicht gibt es keinen Grund für die Unterscheidung zwischen klitoralen und vaginalen Orgasmen und auch ansonsten gab es keinerlei Beobachtungen, die diese strikte Trennung rechtfertigen würden. Dennoch hat sich die Vorstellung, dass sich die richtigen Orgasmen einer Frau im Inneren ihrer Vagina verstecken, bis heute gehalten.

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Stell dir vor, man würde Männern sagen, dass sie aufhören müssten, mit ihren Penissen Spaß zu haben und anfangen sollten, ganz bewusst nur durch—sagen wir mal—Rimming zum Höhepunkt zu kommen. Die, bei denen das nicht klappt, würden anschließend eingewiesen werden. Eine seltsame Vorstellung oder? Tatsächlich gab es aber noch bis 1966 einige psychoanalytische Quacksalber, die Sachen gesagt haben wie: „Wenn eine Frau nicht in der Lage ist, beim Koitus zum Höhepunkt zu kommen—vorausgesetzt ihr Ehemann ist ein zulänglicher Partner—und sie die klitorale Stimulation allen anderen sexuellen Akten vorzieht, kann davon aus gegangen werden, dass sie an Frigidität leidet und psychiatrisch betreut werden sollte." Diese Zitat stammt aus Frank S. Caprios Buch The Sexually Adequate Female (also „Die sexuell zulängliche Frau"), das ein ganzes Kapitel über „Die Menopause" enthält und genauso ermutigend ist, wie es sich anhört.

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Tatsache ist, dass nur 25 Prozent aller Frauen beim vaginalen Verkehr zum Höhepunkt kommen. Die restlichen 75 Prozent müssen hierfür direkt klitoral stimuliert werden. „Die Klitoris ist so etwas wie das Kraftwerk des Orgasmus", sagt Ian Kerner, Sexual- und Beziehungstherapeut und Autor von Mehr Lust für sie: Was Frauen beim Sex verrückt macht. Kerner sagt gegenüber Broadly, dass der Großteil der Gerüchte über vaginale Orgasmen dadurch entstehen, dass viele Menschen keine Ahnung haben, wie wichtig die Klitoris wirklich ist. „Wenn wir uns die Glans clitoridis [der offizielle Name für den Kitzler] ansehen, dann sehen wir nur die Spitze des Eisbergs.

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Von dem gesamten klitoralen Eisberg wurde erst 2009 eine vollständig Karte erstellt. Dadurch wird deutlich, dass die Klitoris nicht nur ein kleines Bündel aus Nerven und Gewebe ist, das oberhalb der inneren Schamlippen liegt, sondern eigentlich aus einem ganzen Netz aus Nerven und Schwellkörpern in der Form eines Schwans besteht. Bei Erregung füllt sich der Kitzler mit Blut und poppt aus seinem Versteck, damit er leichter zugänglich ist. Außerdem wird auch eine Klitoris hart—ähnlich wie ein Penis. Genauer gesagt bestehen die Vorhofschwellkörper der Vagina, die um den Scheideneingang herum liegen, aus demselben Gewebe wie die Penissschwellkörper, die Corpus cavernosum penis. Bei Erregung füllen sich diese vaginalen Vorhofschwellkörper mit Blut und machen dich enger. Und obwohl allein der Kitzler schon mehr als 8.000 Nervenenden besitzt—zwei Mal so viele wie ein Penis—, gibt es in und um die Vagina und den Anus herum noch weitere 15.000 Nervenenden. „Die Nervenenden, die sich von der Klitoris aus über den gesamten Beckenbereich ausbreiten, bilden ein riesiges Netzwerk", sagt Kerner, „aber die Klitoris ist das Zentrum diese Netzwerkes."

Ein Orange, die eine Vagina symbolisiert, die durch vaginale Stimulation zum Orgasmus kommt

Foto: Sharon McCutcheon | Unsplash | CC0

Jetzt fragst du dich wahrscheinlich: „Aber was ist mit dem G-Punkt? Kommt man nicht zum Höhepunkt, wenn man ihn irgendwie stimuliert?" Wahrscheinlich schon, doch. Viele Frauen sagen, dass sie durch die Stimulation des G-Punkts zum Höhepunkt kommen. Andere dagegen nicht. Das liegt vermutlich daran, dass der G-Punkt kein eigenständiges Organ ist, sondern vielmehr „die Wurzel der Klitoris", wie Kerner sagt. Jedes Geschlechtsorgan ist wunderschön und einzigartig, was auch heißt, dass jedes klitorale Netz anders gespannt ist.

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„Was sich für den einen gut anfühlt, finden nicht zwangsläufig alle gut", sagt Chad Braberman, leitender Geschäftsführer des Sexspielzeugimperiums Doc Johnson. „Es gibt kein Patentrezept dafür, wie Frauen zum Höhepunkt kommen." Bravermans Unternehmen verkauft seit über 40 Jahren Sexspielzeuge. „Wenn man sich den Markt mal ansieht, stellt man fest, dass die meisten Leute auf der Suche nach klitoraler Stimulation sind", sagt er. Ihr beliebtestes Spielzeug ist der Pocket Rocket—ein Vibrator, der sich „noch nicht einmal einführen lässt", so Braverman. Johnson verkauft auch G-Punkt-Vibratoren, aber der mit Abstand beliebteste Vibrator—der Häschenvibrator—ist der, mit dem man auch die Klitoris stimulieren kann.

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Warum also rennen wir trügerischen vaginalen Orgasmen hinterher, wenn man doch überall einwandfreie klitorale Orgasmen kriegen kann? „Wir leben in einem—wie ich es gerne nenne—‚Verkehrsdiskurs'", sagt Kerner. In unserer Gesellschaft wird vornehmlich Penis-in-Vagina-Sex als „richtiger Sex" betrachtet—alles andere gilt dagegen als minderwertiger. Fragt man aber all die lesbischen Frauen dieser Welt werden die einem zurecht sagen: Sex ist all das, wodurch man zum Höhepunkt kommt. „Geschlechtsverkehr wird überall als die Hauptform der sexuellen Interaktion angepriesen", sagt Kerner, der sich selbst für Sex ausspricht, der „auch außerhalb stattfindet"—also alles, was man mit seinem Partner machen kann, was aber nichts mit Penetration zu tun hat. „Die gleichbleibende, anhaltende Stimulation der Klitoris ist der sicherste Weg zum Orgasmus."

Ähnlich wie das Portal zwischen unserer Welt und dem paranormalen Universum bei Stranger Things, ist auch unsere Vagina ein komplexes Netzwerk aus Schleim und Gewebe. So etwas wie einen „rein vaginalen Orgasmus" gibt es nicht und kann es auch nicht geben, weil unsere Vagina mit der Klitoris verbunden ist und somit nicht unabhängig funktionieren kann. „Wir sollten uns darauf konzentrieren, dass jede Frau sexuelle Lust erlebt", sagt Kerner. In anderen Worten: Nimm jeden Orgasmus, den du kriegen kannst. Wenn du durch Penetration zum Höhepunkt kommen kannst, Glückwunsch. Wenn nicht, dann mach dir keinen Stress. Es ist alles in Ordnung, denn das Geheimnis liegt in deiner Klitoris.