Wie man die Abhängigkeit von seinem Ex überwindet
Illustration: Grace Wilson

FYI.

This story is over 5 years old.

Liebe

Wie man die Abhängigkeit von seinem Ex überwindet

Eine biologische Anthropologin erklärt, warum das Gehirn auf Liebe genau so reagiert wie auf Kokain—und wie uns diese Erkenntnis dabei helfen könnte, über Liebeskummer hinwegzukommen.

Ach, junge Liebe! Mit dem ersten Schwung der romantischen Anziehungskraft fühlt man so viel Neues: Den Liebesschwindel, das schnellere Herzklopfen, das Zahnfleisch fühlt sich taub an und plötzlich habt ihr die Idee schlechthin für ein neues Drehbuch und werdet es noch heute Nacht runterschreiben, denn ihr seid einfach großartig! Ach nein, sorry, das war Kokain.

Trotzdem ist der Vergleich nicht ganz unpassend.

Anzeige

„Man kann kaum schlafen und essen, man ist sehr konzentriert und hochmotiviert", sagt die Anthropologin Helen Fisher über die Ähnlichkeiten zwischen Liebe und Kokain. Fisher, die das Buch Anatomy of Love geschrieben hat, hat bei hunderten von Leuten, die sich in unterschiedlichen Stadien der Verliebtheit befanden, das Hirn untersucht. Sie fand Hinweise auf starke Ähnlichkeiten zwischen der ersten Verliebtheit und dem ersten Hochgefühl direkt nach dem Koks-Konsum. Beide aktivieren die Dopamin-Produktion in einem Bereich des Gehirns, der sich das ventrale Tegmentum nennt.

Dopamin löst im Körper und Gehirn so einiges aus, einschließlich unterschiedlicher Verlangen. Die Dopamin-Belohnungssysteme sind unter anderem für unsere Reaktionen auf Liebe, Glücksspiel, PTBS und Drogen verantwortlich. Der Hauptunterschied zwischen den Auswirkungen von Liebe und Koks ist die Dauer. „Bei Kokain lässt das Gefühl nach einigen Stunden nach", erklärt die Wissenschaftlerin. „Bei der Liebe kann es Wochen, Monate, oder sogar Jahre dauern."

Mehr lesen: Die Wahrheit hinter der einen großen Liebe

Das bringt uns zu einer ziemlich wichtigen Frage: Wenn Liebe und Sucht so viel ähnliche Gehirnchemie zugrunde liegt, kann uns eine Suchttherapie dann auch dabei helfen, eine unglückliche Beziehung zu beenden?

Wenn wir verliebt sind, produziert unser ventrales Tegmentum massenhaft Dopamin. Dopamin ist ein Neurotransmitter, der lange Zeit von vielen lediglich als Chemikalie des Vergnügens angesehen wurde. Doch wie in einer neuen Theorie angenommen wird, ist Dopamin viel mehr für eine hohe Aufmerksamkeit verantwortlich; es sagt uns, worauf wir uns konzentrieren—ob es nun ein Muster ist, das wir erkennen können, ein schmerzvoller Reiz oder ein süßer Rausch. Dopamin wird vom ventralen Tegmentum in einen anderen Bereich in unserem Gehirn geschickt, dem sogenannten Nucleus accumbens. Dieser Bereich ist für die Motivation verantwortlich und bringt uns bei, nach welchen Dingen wir streben und welche wir lieber vermeiden sollten. Dopamin wird in Folge einer Handlung produziert, was dazu führt, dass das Verlangen steigt, ebendiese Handlung zu wiederholen.

Anzeige

„Es ist ein Suchsystem", sagt Fisher. Dieses Suchsystem ist nützlich, wenn man ein Jäger und Sammler ist, der lernen muss, giftige von essbaren Beeren zu unterscheiden, doch wenn man gerade dabei ist, seinem Ex um drei Uhr nachts zu schreiben, ist es nicht mehr ganz so nützlich.

Gleichzeitig mit den steigenden Dopamin-Werten sinken die Serotonin-Werte beachtlich. Sie ähneln sehr stark dem Zustand einer Person mit einer Zwangsneurose. Der frontale Kortex, der für das Treffen von Entscheidungen verantwortlich ist, funktioniert ebenfalls nicht mehr wie sonst. Wenn ihr also das Gefühl habt, dass ihr in der Nähe einer geliebten Person nicht klar denken könnt, habt ihr höchstwahrscheinlich nicht ganz Unrecht.

„Bisher haben wir uns die negativen Abhängigkeiten vorgenommen", sagt Fisher, „aber Liebe kann durchaus auch eine positive Sucht sein." In einer funktionierenden Beziehung werden eure Dopamin-Rezeptoren glühen und auch die anderen Bereiche eures Lebens werden sich dadurch verbessern. Euer Gehirn lernt, dass diese Person es wert ist, ihr Aufmerksamkeit zu schenken. Solltet ihr euch von dieser Persin abwenden, kann es jedoch ziemlich hart sein, den Dopamin-Zyklus zu durchbrechen.

Schreibt eurem Ex-Partner nicht, ruft ihn nicht an und besucht ihn auch nicht auf der Arbeit.

„Man muss es wie jede andere Sucht behandeln", erklärt Fisher. „Schreibt eurem Ex-Partner nicht, ruft ihn nicht an und besucht ihn auch nicht auf der Arbeit." Kurz gesagt, unterlasst jede Art des Kontakts, geht auf kalten Entzug. Aus einer Studie aus dem Jahr 2007 ging hervor, dass es manchmal schon ausreicht, nur den Namen seines Partners zu hören, um eine Dopamin-Flut auszulösen.

Anzeige

Chris Albert von der Indiana Recovery Alliance sagt Broadly, dass bei der Behandlung von Drogenmissbrauch oft der Ansatz einer Zwangsabstinenz herangezogen wird.

Ein Beispiel dieser Herangehensweise, die starke Überwachung und Strafmaßnahmen beinhaltet, wäre zu sagen: „Du hörst mit den Drogen auf, oder wir werden dir deine Kinder wegnehmen oder dich ins Gefängnis stecken." Doch diese Methode ist eher kontraproduktiv. „Es hat zu der schlimmsten Drogen-Epidemie seit 100 Jahren und der größten HIV-Epidemie [in den USA] geführt", sagt Albert. Die Indiana Recovery Alliance wendet stattdessen ein Modell der Schadensminderung an, in dessen Rahmen den Süchtigen saubere Nadeln und Naloxon zur Verfügung gestellt werden. Auf Anfrage der Patienten sprechen sie auch Behandlungsempfehlungen aus. „Abstinenz ist an sich kein schlechter Ansatz", sagt Albert, „aber medikamentengestützte Behandlungen schlagen ebenso gut an und sind auf lange Sicht effektiver."

Eine medikamentengestützte Behandlung bei Drogensucht kann von Medikamenten wie Methadon begleitet werden, die „eine geringe Menge an pharmazeutischen Opiaten freisetzen", erklärt Albert. Doch tauscht man damit nicht einfach nur eine Sucht gegen die nächste? „Diese Denkweise zeugt von Unwissen", sagt er. „Man hilft den Patienten, von einem kriminalisierten Drogenkonsum loszukommen und einen Ersatz anzunehmen, der gesellschaftlich akzeptiert wird."

Anzeige

Außerdem lässt man damit außer Acht, wie das Gehirn funktioniert. Das Dopamin-Belohnungssystem kann nicht einfach ausgeschaltet werden. Es könnte sogar das System sein, das unseren Lebenswillen antreibt. Statt also diesen Willen nach einer Trennung direkt stillzulegen, ist es wichtig, neue Dinge zu finden, für die es sich lohnt zu leben. „Geht mit neuen Leuten aus", rät Fisher, „denn neue Erfahrungen kurbeln das Dopamin-System an."

Frauen tendieren dazu, sich selbst zu retraumatisieren, indem sie immer wieder durchgehen, was passiert ist.

Fisher empfiehlt auch Sport als schnelle Dopamin-Beschaffung. Durch sportliche Aktivität können sogar neue Dopamin-Rezeptoren im Gehirn entstehen. Bewegt euch öfters und ihr werdet merken, wie ihr auch an andere Bereiche in eurem Leben optimistischer herangehen werdet. Unterschätzt auch nicht die anderen Neurotransmitter in eurem Gehirn. „Trefft euch weiterhin auch mit alten Freunden und lasst euch oft umarmen", sagt Fisher, „das bringt das Oxytocin [das Hormon, das ausgeschüttet wird, wenn ihr einen Orgasmus habt oder kuschelt] in Schwung, wodurch ihr besser schlafen könnt."

Fisher warnt außerdem davor, eine Trennung zu überanalysieren. „Frauen tendieren dazu, sich selbst zu retraumatisieren, indem sie immer wieder durchgehen, was passiert ist." Die niedrigen Serotonin-Werte, die an den Zustand von Personen mit Zwansneurosen erinnern, legen außerdem eine weitere Möglichkeit nahe, um von den negativen Gedanken wegzukommen, die wir mit einer schlimmen Trennung verbinden.

Anzeige

Mehr lesen: Sex, Essen oder die einzig wahre Liebe—warum Frauen ihren Ex zurücknehmen

Susan* leidet an PTBS und einer Zwangsneurose. Im Juni wurde sie wegen zwanghafter Gedanken an Selbstverletzung ins Krankenhaus eingewiesen. Ausgelöst wurde das Ganze durch den Fall des verurteilten Stanford-Vergewaltigers Brock Turner: „Meine Gedanken kreisten immer wieder um Vergewaltigung und Tod", berichtet sie. Ihr Psychiater empfahl ihr daraufhin, einfach zu versuchen, diese Gedanken zu verdrängen. Im Krankenhaus riet ihr ein neuer Arzt hingegen zu einer anderen Methode. „Er schlug mir vor, meine negativen, zwanghaften Gedanken umzulenken", sagt sie, „indem ich zwanghaft positive Dinge wiederholen sollte." Nachdem sie das Krankenhaus verließ, begann sie zu stricken, was auch eine zwanghafte und sich wiederholende Beschäftigung ist, von der sie aber zum Schluss immerhin etwas Schönes hat.

Wenn ihr euch also schnell aus einer unglücklichen Beziehung verabschieden wollt, liegt das Geheimnis darin, euer Leben mit neuen, schönen Dingen zu füllen. Euer Gehirn wird zwar einen Moment lang Entzugserscheinungen haben, doch ihr könnt es austricksen, indem ihr es dazu bringt, vom Leben selbst besessen zu sein, statt nur von einer bestimmten Person. Wenn sich in eurem Gehirn ständig eure Trennung abspielt, müsst ihr ein neues, positives Mantra finden, das ihr ihm einspeisen könnt. Kokain ist in jedem Fall nicht die Antwort.


*Name wurde geändert