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„Willkommen zu Hause“ — Mein Besuch im Maid Café

Bei einem Maid Café trägt das Personal Dienstmädchen- und Butleruniformen und die Rollen sind klar verteilt: Die einen befehlen, die anderen bedienen.
Keine Maid aus Wien, ein Symbolfoto. Foto: Nayuki | Flickr | CC BY 2.0

„Willkommen zu Hause"—so wird man in einem Maid Café traditionell begrüßt. Auch in der Wiener Variante hört man diesen Spruch sofort, nachdem man eintritt. Eine Reihe förmlich angezogener Maids und Butler stehen bereit, eine von ihnen begleitet mich zu meinem Tisch. Auf ihrem Namensschild steht „Usagi", aber ich bezweifle ein bisschen, dass dies ihr richtiger Name ist.

Maid Cafés wurden in Japan um die Jahrtausendwende sehr schnell sehr beliebt. Sie reihen sich in die Tradition der Cosplay Cafés ein, die es dort en masse gibt. Die Spielarten dieser Cafés sind dabei fast grenzenlos: An jeder Ecke in Tokio findet man Cafés, in denen das Personal entweder als Hello Kitty oder als Schulmädchen verkleidet ist. Bei einem Maid Café handelt es sich im Grunde um ein Kaffeehaus, in dem das Personal in Dienstmädchen- und Butleruniformen die Gäste begrüßt und sie nicht nur hoheitlich bedient, sondern sich auch sehr viel und intensiv mit ihnen beschäftigt. Die Maid-Variante ist unter anderem deswegen besonders begehrt, da die Rollen zwischen den Maids und Butler auf der einen, und den Masters und Mistresses auf der anderen Seite klar verteilt sind: Die einen bedienen, die anderen befehlen.

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Das Prinzip der Maids und der Unterwürfigkeit in Gestalt von Gastfreundschaft hat so eingeschlagen, dass sich die Maid Cafés untereinander mit knappen Röcken, Hasenöhrchen und Extraservices wie Fußmassagen zu über-, beziehungsweise unterbieten begonnen haben. In diesem Zusammenhang spielen auch Sexualisierung und Fetischisierung eine große Rolle. Wer schon einmal einen Manga in der Hand gehabt oder einen Anime gesehen hat, weiß aber auch, dass kurze Röcke und große Augen zur japanischen (Jugend-)Kultur gehören.

Der Trend hat mittlerweile in Europa Fuß gefasst und erfreut sich auch im deutschsprachigen Raum großer Beliebtheit. In Deutschland trifft man die Maids und ihre „Event Cafés" vor allem auf einschlägigen Conventions, in Österreich hat es sich der Verein „Maid Café Vienna" zum Ziel gesetzt, ein Maid Café nach japanischem Vorbild, aber mit unverkennbarem Wiener Einschlag auf die Beine zu stellen. In unregelmäßigen Abständen gibt es zu diesem Zweck Pop-Up-Cafés, um Geld zu sammeln. Diesmal findet das Event im Café Benedikt statt, gleich neben dem Rochusmarkt im dritten Wiener Gemeindebezirk.

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Kaum habe ich Platz genommen, wird mir von Usagi die Speisekarte gereicht. Auf der Rückseite werden die Hausregeln ausführlich dargelegt: Fotos von den Maids sind verboten, es sei denn, man gewinnt ein Spiel mit ihnen. In Maid Cafés ist es nämlich üblich, dass die Maids mit ihren Gästen Spiele spielen, um sich gemeinsam die Zeit zu vertreiben. Anfassen ist ebenfalls strengstens untersagt und führt zum sofortigen Lokalverweis. Um komplett sicherzustellen, dass sich keine Schaulustigen ins Maid Café verirren, gibt es zusätzlich zur Konsumationspflicht auch einen Eintrittspreis von fünf Euro.

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Von Schaulustigen fehlt hier tatsächlich jede Spur. Die anderen Gäste sind mehrheitlich Anfang Zwanzig oder noch jünger, also etwa in der gleichen Altersstufe wie das Personal. Der Kleidung nach zu urteilen sind alle in irgendeiner Form Manga- oder Animefans. Hier kommt man nicht wegen der guten Bedienung her, sondern um einen Hauch von japanischer Popkultur zu erhaschen.

Auf der Karte finden sich typische Wiener Spezialitäten wie Melange und Verlängerter (ein Kaffee mit einer Extraportion heißem Wasser), aber auch Omuraisu (eine Art Reisomelette) und Onigiri. Ich bestelle verwirrt einen Café Latte und spiele während der Wartezeit ein Kartenspiel mit meiner Maid. Als ich die Partie tatsächlich gewinne, kommt ein Butler mit Kamera um die Ecke gebogen und macht ein Foto von uns. Gleich am Nebentisch hat jemand eine schnelle Partie „Schere, Stein, Papier" gewonnen und darf sich nun ebenfalls aufstellen und für ein Foto posieren. Usagi verlässt mich danach, um meinen Café Latte zu holen und lässt mich dann kurz allein, damit ich mein Getränk genießen kann.

Mit einem Blick auf die Herkunft der Maid Cafés wird schnell klar, dass sich Prostitution, Mangakultur und Alltagsleben näher stehen, als man annehmen könnte.

Das Konzept ist für eingefleischte, grantige Wiener und Wienerinnen etwas schwer nachzuvollziehen. Geht es nur darum, besonders guten und persönlichen Service anzubieten? Oder ist es ein Versuch, mit verrückten Kostümen mehr Publikum anzulocken? Mit einem Blick auf die Herkunft der Maid Cafés wird schnell klar, dass sich Prostitution, Mangakultur und Alltagsleben näher stehen, als man annehmen könnte. Die Idee, dass das Personal sich beim Servieren von Getränken nicht nur kostümiert, sondern diese Rolle als Dienstmädchen auch schauspielerisch darstellt, ist ein kleiner Luxus, den man sich in Tokio zwischendurch gönnen kann. Dass das Personal meistens sehr jung und attraktiv ist, die Röcke sehr kurz und der Ausschnitt sehr knapp sind, ist außerdem ein großer Anreiz für viele. Die Gesetze bezüglich Alkohol und Sexarbeit sind in Japan sehr streng und müssen daher geschickt umgangen werden, falls man nicht gleich im Rotlichtviertel sein Café aufmacht. Lässt man die ganzen Kostüme und Getränke beiseite, wird klar, dass die Maids eigentlich nur ihre Zeit und Anwesenheit verkaufen, was für schüchterne Gäste nicht gleich erkennbar ist.

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Die Autorin (Mitte) mit zwei der Angestellten. Foto mit freundlicher Genehmigung des Maidcafé Vienna

Man vergisst in einem Maid Café tatsächlich schnell, dass hier geschauspielert wird. Anders als „normale" Verkleidungen zielt ein Cosplay darauf ab, auch einen Charakter realitätsnah darzustellen. Keine Maid verwendet ihren richtigen Namen und der Austausch von persönlichen Informationen wird in den meisten Cafés mit der Kündigung bestraft. Persönliche Gespräche sind verboten—auch, um keine Stalker anzuziehen.

Im Gespräch mit Broadly erzählt Nicole Zeiner, die den Verein rund um die Idee des Wiener Maid Cafés gegründet hat, von den Schwierigkeiten einer solchen Pop-Up-Veranstaltung: „Es ist sehr schwierig, ein Kaffeehaus in Wien zu finden, das wir tageweise mieten können. Außerdem ist es verdammt aufwendig, die Kostüme der Maids zu schneidern. Wir legen großen Wert darauf, dass jedes Kleid ein Unikat ist und auf die jeweilige Maid zugeschnitten ist." Während des laufenden Betriebes findet man Nicole in der Küche, in der sie reihenweise Pandatoast zubereitet (weißes Kastenbrot mit eingefärbtem Pandagesicht in der Mitte, stilecht österreichisch serviert mit Schinken und Käse). Als gelernte Köchin ist zumindest letzteres eine Hürde, die sie meistern kann.

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Auch Männer sind bei den Pop-Up-Events dabei, die Nicole und ihr Verein veranstalten: „Wir haben sechs männliche Mitglieder im Verein, drei davon sind fast jedes Mal als Butler dabei." Sie könne sich vor Bewerbungen von interessierten Maids aber kaum retten, meint sie. Viele wollen lieber mitarbeiten, als nur als Gast ins Café zu kommen. Es sei aber organisatorisch nicht möglich, alle aufzunehmen; auch wegen der maßgeschneiderten Kleider.

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Zu den Kleidern sagt Nicole: „Wir halten die Rocklänge und auch die Ausschnitte bewusst nicht zu knapp. Wir möchten mit den Outfits das Sexuelle nicht in den Fokus stellen. Außerdem sollen sich die Maids in den Kleidern wohlfühlen."

Dass die Liebe zur japanischen Kultur, Mangas und Animes ausschlaggebend für den Wunsch nach dieser Beschäftigung ist, und nicht der Traum nach einem Job als Kellner oder Kellnerin, liegt auf der Hand. Dabei sind Maid Cafés in Japan an die Hausmädchenuniformen aus dem 19. Jahrhundert in Frankreich angelehnt.

Untereinander gibt es bei den Maid Cafés keine Vernetzung, sagt Nicole. Es ist ein umkämpfter, noch ziemlich kleiner Markt: wer zuerst einen Fuß in die Tür bekommt, hat gewonnen. In Brno soll es bis vor einigen Jahren noch eines gegeben haben, aber die Spuren im Internet verlieren sich. Nicht einmal Deutschland kann von sich sagen, dass es ein permanentes Maid Café hat. Die Personalkosten sind durch den zeitintensiven Service so hoch, dass es sich mit vergleichbaren Cafés nicht messen kann. Zu wenige potentielle Gäste wissen, was ein Maid Café ist und was dort geboten wird. Das ist für jeden möglichen Betreiber und jede Betreiberin ein großes Risiko.

Nachdem mein Kaffee leer ist, verabschiede ich mich höflich von Usagi und zahle meine Rechnung inklusive dem Eintrittspreis. Als Dankeschön bekomme ich noch ein kleines Geschenk, eingepackt in eine Origamibox. Einen derartigen Service habe ich in einem Kaffeehaus in Wien, die in erster Linie für die Unfreundlichkeit der Kellner und Kellnerinnen bekannt sind, noch nie erlebt. Beim nächsten Pop-Up-Event werde ich bestimmt wieder dabei sein—auch wenn ich mir nicht ganz sicher bin, ob es an meiner Faszination für die Kostüme oder tatsächlich der exzellenten Bedienung liegt. Bis dahin kann ich mich aber auch ganz wunderbar damit arrangieren, wie man anderswo bedient wird: ohne viel Gerede und mit einem passiv-aggressiven Kommentar auf den Lippen.


Titelfoto: Nayuki | Flickr | CC BY 2.0