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Politik

Wir haben die Wahrsagerin aller Wahrsagerinnen gefragt, wie furchtbar 2017 wird

Die legendäre blinde Seherin Baba Vanga mag vielleicht tot sein, mittels eines Mediums haben wir trotzdem Kontakt zu ihr aufgenommen und festgestellt: Die vielleicht legendärste Seherin überhaupt ist ziemlich fremdenfeindlich.
All photos by Alice Zoo

In einer Zeit, die Historiker womöglich irgendwann als „das Ende aller Tage" beschreiben werden, ist es schwierig sich vorzustellen, was als nächstes passieren wird. Das vergangene Jahr hat schließlich gezeigt: Wenn das Zeitalter der Fakten vorbei ist, fallen auch die letzten Bastionen der Wahrheit. Alles was uns bleibt, ist Donald Trumps Frisur und die Gewissheit, dass die AfD sich mit menschenverachtenden Twitter-Memes auf die nächste große Katastrophe vorbereitet.

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Andererseits: Es ist nicht so, dass wir die desaströsen Entwicklungen der letzten Jahre nicht hätten vorhersehen können. Eine Frau hat das nämlich getan: Die legendäre bulgarische Seherin Baba Vanga.

Die Frau, die 1911 als Vangeliya Pandeva Dimitrova in Strumica, damals Teil des osmanischen Reichs, geboren wurde, soll Dinge wie 9/11, das Erdbeben im Indischen Ozean, das 2004 mehrere Tsunamis auslöste, denen insgesamt 230.000 Menschen zum Opfer fielen, den Aufstieg des Islamischen Staates und die Erderwärmung vorhergesagt haben.

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Zu ihren Lebzeiten reisten Menschen aus der ganzen Welt in ihr obskures, kleines Dorf und warteten Tage darauf, eine Audienz bei der sagenumwobenen Prophetin zu bekommen. Meine Lieblingsanekdote: Vanga schickte eine berühmte bosnische Schauspielerin mit den Worten „Ich möchte nicht mit dir sprechen. Zumindest nicht jetzt. Gehe und komm in drei Monaten wieder" nach Hause. Zwei Monate später war die Schauspielerin tot. Baba Vanga wollte also wirklich nicht mir ihr sprechen.

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In Zeiten der allgemeinen politischen Verunsicherung möchten wir alle wissen, ob 2016 einfach ein unglaublich beschissenes Jahr war, oder erst ein Vorgeschmack darauf, was uns in den kommenden Monaten erwartet. Als Investigativjournalistin ließ ich mich also nicht von der Tatsache abhalten, dass Vanga bereits 1996 im Alter von 85 Jahren verstorben ist. Wozu gibt es schließlich Medien, die sich damit brüsten, Kontakt zu den Toten aufnehmen zu können?

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Also wandte ich mich an Madame Vanya, eine ebenfalls aus Bulgarien stammende Wahrsagerin, die wusste, dass sie eine Gabe hatte, als Baba Vanga ihr im Traum erschien. Als ich mich—bewaffnet mit einem Diktiergerät und einem Notizbuch—in der gemütlichen Wohnung einfand, die sie sich mit ihrem Mann Richard, einem ehemaligen Hotel-Manager teilt, war mein erster Gedanke: Für eine Wohnung voller Porzellanpuppen, ist das Ganze hier überraschend geschmackvoll eingerichtet! Mein zweiter Gedanke: Eigentlich glaube ich gar nicht an Wahrsagerinnen, aber harte Zeiten erfordern harte Maßnahmen.

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Vanya steckt voller faszinierender Geschichten, wie mir schnell klar wurde. Einmal war sie in eine russische Gaming-Show eingeladen, in der die beste Wahrsagerin der Welt gesucht wurde. Vanya sollte, festgebunden an einem Stuhl über einem Becken voller Wasser, eine Frau beschreiben, die sie nicht sehen konnte—zumindest nicht mit ihren Augen. Sie konnte nicht nur exakt sagen, wie besagte Frau aussah, sondern diagnostizierte sie außerdem mit Krebs. Womit sie traurigerweise ebenfalls Recht behielt.

Ob die Frau noch am Leben ist, konnte mir Vanya allerdings nicht sagen. Anscheinend ist das mit der Gabe nicht so einfach.

„Baba [Vanga] hat zu mir gesagt: ‚Meine Tochter, du bist auf dieser Welt, um Menschen zu helfen und jeder wird von deiner Gabe wissen und über dich sprechen'", erzählt sie mir, während ich nicht umhin komme, den riesigen Elefantenanhänger anzustarren, den sie um den Hals trägt. „Entweder man glaubt an diese Dinge, oder man tut es nicht", ergänzt Richard und beweist damit ein ziemlich schlechtes Gefühl für Timing.

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Nachdem wir uns länger darüber unterhalten haben, wie Vanya zu Vanga kam (Zusammenfassung: Sie träumt von ihr, geht nach Bulgarien, trifft eine nette Dame namens Vanessa, bringt Vanga etwas Zucker, freundet sich mit ihr an und bleibt bis zu ihrem Tod), gibt mir die Wahrsagerin ein Geschenk.

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„Diese Blumen stammen vom Schrein der Marianna, einer russisch-orthodoxen Heiligen", erklärt Vanya, packt zwei Rosenblüten in ein Kleenex-Tuch und reicht sie mir. „Das ist eine neue Handtasche, richtig? Pack diese Blüten in deine Tasche und sie werden dir Glück bringen", sagt sie.

Ich habe mir in über einem Jahr keine neue Handtasche gekauft, andererseits sitze ich in einem sehr kleinen Wohnzimmer, habe eine Kamera auf mich gerichtet und die Seherin ist wirklich sehr nett, deswegen nicke ich einfach—und fühle mich dabei ein bisschen wie ein dummer Hund.

Endlich kommen wir zu dem Anliegen, dass mich überhaupt erst zu Madame Vanya gebracht hat: Ein Gespräch mit der vielleicht einzigen Frau, die weiß, was die Zukunft noch an Grausamkeiten für uns bereit hält. Unglücklicherweise scheint es nicht ganz so einfach zu sein, Kontakt zu Baba Vanga aufzunehmen.

„Also, ich wüsste ganz gerne, was 2017 so für uns bereit hält", stottere ich, langsam nervös werdend.

Vanya nickt und fragt mich, was ich konkret wissen möchte. Irgendwie hatte ich gedacht, wir würden uns zumindest an den Händen halten und nicht einfach nur angespannt gegenübersitzen, als befänden wir uns gerade bei einem besonders unangenehmen Date. Zögernd stelle ich die Frage, die großen Teilen der Weltbevölkerung gerade wichtig sein dürfte: Wird Trump ein guter Präsident sein? Vanya starrt ins Leere.

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Wir müssen vorsichtig sein, was Immigranten aus anderen Ländern angeht.

„Es gibt nicht viele Leute die glauben, dass Trump ein guter Präsident sein wird", antwortet sie schließlich. „Zu Beginn werden ihm die Leute sehr negativ gegenübertreten, am Ende wird er aber alles richtig machen und Amerika wird sehr glücklich mit ihm sein." Nun gut, das war nicht die Antwort, die ich erwartet hatte—aber wer bin ich, mit einer toten bulgarischen Frau zu diskutieren?

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Vanya inmitten einer Wahrsagung

Auf meine Frage, wie sich Brexit auf Europa auswirken wird, antwortet Vanya ebenfalls nicht so, wie erwartet. „Der Brexit ist keine schlechte Sache für England. Die ersten beiden Jahre werden hart sein, das dritte Jahr hingegen wird sehr gut für England, die Engländer werden sehr stark sein."

Für eine tote Frau scheint mir Baba Vanga politisch ziemlich rechts, reaktionär und fremdenfeindlich zu sein. Als ich Vanya beispielsweise frage, was Baba von der Bedrohung durch den Islamischen Staat hält, bekomme ich als Antwort, dass die wahre Bedrohung von unkontrollierter Immigration ausgeht.

„Wir müssen vorsichtig sein, was Immigranten aus anderen Ländern angeht", sagt die Bulgarierin Madame Vanya/Baba Vanga. Irritierenderweise scheint Baba auch ganz genau zu wissen, in welchen Bereichen Englands—der Wahlheimat ihres Mediums Vanya—sich Muslime ganz besonders schlecht integrieren („Nottingham, Birmingham und im Norden Londons"). Spreche ich gerade mit Vanya oder mit Vanga? Könnte es sein, dass die hochverehrte osteuropäische Baba eine Rassistin ist?

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Während es für uns Frauen zumindest eine gute Nachricht gibt („Die Gehälter werden für Männer und Frauen gleich sein"), wird 2017 das Jahr, in dem wir auf Aliens stoßen—zumindest entnehme ich das der etwas wirren Antwort, die ich auf meine diesbezügliche Frage bekomme.

„Ich habe sie gesehen und an dem Tag, an dem ich Vanga gesehen habe, hat sie gesagt ‚Wo sind deine Aliens?'. Ich habe sie angesehen und ihr gefragt ‚Du bist blind, wie kannst du sie sehen?'. Darauf hat sie geantwortet: ‚Ich brauche keine Augen, um diese Dinge zu sehen.'"

Bereiten wir uns neben allem anderen also auch lieber auf eine Invasion der kleinen grünen Männchen vor. Immerhin: Sie scheinen in friedlicher Absicht zu kommen. „Sie haben drei Augen und sind ungefähr so groß", sagt Vanya und hält ihren Arm einen knappen Meter über den Boden. „Und nein, sie sind nicht gefährlich."

Eigentlich habe ich noch viele Fragen, wie „Wann geht die Welt unter? Kannst du mir ein konkretes Datum geben?" oder „Wir sollen wir uns auf den unabwendbaren Zusammenbruch der westlichen Zivilisation vorbereiten?". Das Alien-Gespräch hat mich allerdings ein bisschen nervös gemacht, ich habe das Gefühl, dass die Porzellanpuppen mich beobachten und ich will einfach nur noch hier raus.

Ich verlasse Vanya mit einer Hand voll gesegneter Blüten, einem Stein, der meiner Mutter angeblich mit ihren Brustschmerzen helfen wird und der tiefen, unerschütterlichen Gewissheit, dass das kommende Jahr das beste aller Zeiten wird. Danke, Baba Vanga, du blindes, fremdenfeindliches Weib. Wenn du das hier von deinem Grab heraus liest, verfluche mich bitte nicht.