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Sex

Warum manche Frauen beim Sex einfach nichts spüren

Oft ist es nur eine Sache der Einstellung und des Trainings, zum Höhepunkt zu kommen – sagen Experten. Wir sind der Frage nach der fehlenden Lust nachgegangen.
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Symbolfoto: IMAGO / Panthermedia

Wer das Internet so oft nach Sexsachen durchstöbert wie ich, stößt auf unzählige Aussagen von Frauen, die sagen, dass sie beim Sex "überhaupt nichts spüren". Für manche von ihnen ist Sex mit einem Partner zu haben zugegebenermaßen noch Neuland, aber einige von ihnen hatten auch schon Sex, als Frasier noch im Fernsehen lief. Viele von ihnen haben auch schon versucht zu masturbieren, haben aber trotzdem nichts gespürt.

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"Selbst wenn ich erregt bin, spüre ich dabei keine Lust oder ähnliches—auch beim Masturbieren nicht", sagt ein Mädchen auf der Aufklärungswebsite Scarleteen.

"Wurden wir nur dazu gemacht, Männer zu befriedigen oder so, weil ich ziemlich sicher bin, dass 99,99 Prozent der Typen auf ihre Kosten kommen?", fragt eine Frau auf Yahoo! Answers.

Wir haben in der Regel einen ziemlich eng gefassten Begriff von Sex—fast so als wäre der menschliche Körper ein Warenautomat. Wirf eine Münze in den richtigen Schlitz, drück die richtigen Knöpfe und schon kommt der perfekte Orgasmus raus. Doch was muss man als Frau tun, wenn der Schokoriegel in der Maschine stecken bleibt? Warum gibt es Frauen, die sagen, dass sie beim Sex nichts spüren?

"Frauen müssen sich sicher fühlen, um irgendeine Form der sexuellen Lust zu verspüren—das ist der Schlüssel", sagt Dr. Tammy Nelson, Autorin von Getting the Sex You Want, die eine weitere mechanische Allegorie für den sexuellen Lustgewinn von Frauen hat. "Frauen sind wie ein Antivirenprogramm: Sie fahren alles runter, wenn sie das Gefühl haben, das System könnte in Gefahr sein." Sexuelles Verlangen wird durch unzählige Neurotransmitter gesteuert, darunter auch cyclisches Guanosinmonophosphat (cGMP)—derselbe Botenstoff, der Männern mitunter auch dabei hilft, einen Ständer zu kriegen. Ähnlich funktioniert cGMP auch bei der Klitoris: Es sorgt dafür, dass diese stärker durchblutet wird. Der Körper kann einfach keinen Spaß haben, solange er nicht die richtigen Anweisungen von unserem Gehirn und dem Hormonsystem bekommt.

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Um die "Frauen sind Computer"-Metapher noch etwas weiter auszubauen, frage ich Nelson und die Sexualexpertin Dr. Emily Morse, wie die Fehlerbehebung bei einer Frau, die keine Lust beim Sex verspürt, aussehen würde. "Masturbation ist der beste Weg, um sich mit seinen eigenen grundlegenden sexuellen Wünschen und Fantasien zu beschäftigen", sagt Morse. "So erinnern sie sich daran, wie es sich ohne den Druck eines Partners anfühlen kann. Man nimmt quasi seine Trainingsroutine wieder auf."

Es braucht Zeit, um herauszufinden, was sich gut anfühlt und was nicht. Diese Erfahrung wird dich wahrscheinlich auch mit deiner Klitoris bekannt machen—dem einzigen Organ des menschlichen Körpers, das einzig und allein dazu da ist, Lust zu bereiten. Bei manchen Frauen ist sie allerdings so empfindlich, dass die direkte Stimulation schmerzhaft sein kann. Ein weiteres Problem sieht Nelson darin, dass Frauen sich zu sehr auf diese eine Lustquelle konzentrieren würden. "Die meisten bewegen sich äußerst zielstrebig auf die Genitalien zu und vergessen dabei, den Rest des Körpers miteinzubeziehen", sagt sie. "Es ist ein Marathon und kein Sprint." Wie ganzheitlich sexuelle Erfahrungen sich auf den kompletten Körper ausweiten lassen, beweist auch eine Studie aus dem Jahr 1994, nach der sich die sexuelle Erfahrung durch tiefe Atemzüge und stärkere Bewegungen während dem Sex steigern lässt.

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Es geht dabei aber natürlich nicht nur um den Körper. "Ein Orgasmus beginnt im Kopf, nicht in den Fingern", sagt Nelson. Deine Klitoris ist also wie ein NPC (ein nicht spielbarer Charakter) in einem Videospiel. Sie wird nur etwas tun, wenn es das Spiel so vorgesehen hat. Du kannst den NPC den ganzen Tag lang anklicken, aber wenn die Quest noch nicht angefangen hat, wird auch nichts passieren.

Beim Sex kommt es immer auf das Drumherum an. Es könnte auch sein, dass du einige der körperlichen Aspekte von Lust einfach nicht als angenehm empfindest. Eine Studie über Pornografie aus dem Jahr 1994 hat gezeigt, dass eine sexuelle körperliche Reaktion nicht immer als Lust wahrgenommen wird. Hierfür bekamen die Teilnehmer der Studie einen vaginalen Photoplethysmographen—ein Gerät, das in die Vagina eingeführt wird und misst, wie stark sie durchblutet wird. Anschließend wurden den Probanden Pornos gezeigt, die von Männern wie auch von Frauen gemacht wurden. Frauen wurden durch beide Formen von Pornografie gleichermaßen erregt, gaben aber an, dass sie von den von Frauen gemachten Schmutzfilmchen stärker angetörnt wurden. Die Studie stellte auch fest, dass "die Filme, die von Männern gemacht wurden, bei Frauen eher ein Gefühl von Scham, Schuld und Abneigung hervorriefen", selbst wenn sie dieselben Zeichen von sexueller Erregung zeigten.

"Angst ist der absolute Lustkiller für Frauen", sagt Morse. "Wenn wir gestresst oder ängstlich sind oder unsere Aufmerksamkeitsspanne auf die einer Stechmücke gesunken ist, dann ist Sex das Letzte, woran wir denken." Nelson betont auch, wie wichtig es ist, für eine stressfreie Erfahrung beim Masturbieren zu sorgen. "Hast du es eilig? Hast du Angst, dass jemand reinkommen und dich beim Masturbieren erwischen könnte? Schämst du dich?"

Es kann aber auch sein, dass Frauen, die in der Vergangenheit Probleme hatten, zum Höhepunkt zu kommen, Leistungsängste haben oder sich dabei so unter Druck setzen, dass sie Angst bekommen. Außerdem bekommen manche Frauen auch einfach keinen Orgasmus und das ist vollkommen OK. Es gibt viele schöne Seiten am Sex—auch ohne das große Finale.

"Natürlich will jeder von uns zum Höhepunkt kommen", sagt Morse, "aber viele Frauen setzen sie selbst so unter Druck, dass gar nichts mehr geht."