Soko über Exzess, Ruhm und warum sie mit ihrer Musik kein Geld macht
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Kultur

Soko über Exzess, Ruhm und warum sie mit ihrer Musik kein Geld macht

Als Teenager feierte sie sich als Nachwuchsschauspielerin quer durch Paris, jetzt lebt die Indiepop-Ikone und Exfreundin von Kristen Stewart straight edge. Wir haben sie in Los Angeles getroffen.

Soko sitzt in einem Café namens Lamill Coffee in Los Angeles. Sie trinkt nichts, trägt ein Violent-Femmes-Shirt und lehnt mit dem Rücken an einer Wand, auf die eine alte griechische Göttin gemalt ist, die Tiger an einer Leine führt. Sie ist zu Fuß von zu Hause hierher gekommen. Ihr Haus liegt nicht weit entfernt in den verwilderten und grün überwucherten Hügeln von Silver Lake.

Viele Leute kennen Soko nur als die Sängerin aus Frankreich, dabei werden ihre letzten drei Indie-Alben seit fast zehn Jahren auf jeder Studentenparty rund um die Welt aufgelegt. Sie spielt all ihre Instrumente selbst, hängt mit dem Promi-Hater Ariel Pink rum und schreibt Songs mit Titeln wie „We might be dead by tomorrow", „Ocean of Tears" oder „I'll kill her". Soko ist die Antithese zur sonnigen Stadt der Engel, in der jeder nach Berühmtheit strebt. Doch in den letzten vier Jahren wurde sie dort vor allem bekannt, weil sie als DJ auflegt, Kristen Stewart gedatet hat und in französischen Filmen wie Augustine mitspielte, die von Kritikern hochgelobt wurden. In diesem Jahr lief sie sogar über den roten Teppich in Cannes.

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Trotzdem sagt Soko, dass sie sich nicht groß verändert hat. „Ich führe nicht das Leben einer Schauspielerin—ganz und gar nicht", sagt sie. „Aber letztes Jahr musste ich einfach eine Auszeit von der Musik nehmen, [weil] ich zwei Filme hintereinander gedreht habe."

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Soko ist vor neun Jahren nach Los Angeles gezogen und hat dort auch all ihre Alben aufgenommen. Sie lebt gerne in den Hügeln von Silver Lake, zwischen Wiesen und Bäumen. „Ich mag Stadtzentren nicht besonders. Ich mag Parkanlagen und Berge und den Strand und die Wüste und den Wald."

Aufgewachsen ist sie in einer ganz anderen Gegend: einer Kleinstadt in der Nähe von Bordeaux in Frankreich. Als zweitjüngstes von sechs Kindern hat Soko den Großteil ihrer Zeit mit ihrem kleinen Bruder verbracht. „Schon als Kind habe ich mich für Kultur und solche Sachen interessiert", erinnert sie sich. Sie ging gerne ins Museum oder ins Kino, schauspielerte und wurde schneller erwachsen als ihre Altersgenossen.

„Ich bin zum ersten Mal weggegangen als ich 13 war", sagt sie. „Ich habe niemals Drogen genommen oder so was, aber dafür habe ich getrunken und war feiern. Ich habe mir oft die Leute angesehen und gedacht: ‚Oh Mann! Ich will mit 30 kein solches Wrack sein, das nichts erreicht hat."

Mit 16 ist sie von zu Hause ausgezogen und nach Paris geflogen, um Schauspielerin zu werden. „Ich komme aus einer kleinen Stadt in Frankreich, deswegen wollte ich unbedingt nach Paris", sagt sie. „Ich bin allein dorthin gezogen, weil ich dachte: ‚Ich ziehe in die Hauptstadt und versuche mein Glück!'"

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Ihre Familie machte sich zwar Sorgen, aber sie unterstützte sie. Soko bezahlte all ihre Rechnungen selbst. Ihren ersten Filmauftritt bekam sie gleich, nachdem sie in Paris gelandet war. Sie lebte wie eine kleine Erwachsene. Soko selbst ist schockiert, wenn sie heute darüber nachdenkt. „Wenn ich heute eine 16-Jährige sehen würde, die sagt: ‚Ich lebe allein und zahle meine Rechnungen, gehe arbeiten und brauche meine Familie nicht', würde ich sagen: ‚Ja, genau. Geh nach Hause zu deiner Mama!'", lacht sie.

Die Schauspielerei langweilte Soko irgendwann: Die Arbeit beim Film erfordert die umfassende Zusammenarbeit von allen Beteiligten—von den Darstellern über den Regisseur bis hin zur Technik. Als Teenager ist man jedoch mehr auf der Suche nach Unabhängigkeit. „Ich wollte etwas finden, wo ich das Gefühl habe, dass ich etwas erschaffen und selbst an der Quelle sitzen kann, wo ich meine eigenen Ideen zum Ausdruck bringen und unabhängig sein kann. Etwas, bei dem ich auf niemanden sonst angewiesen bin", erinnert sich Soko. Also fing sie an, Songs zu schreiben.

2007 veröffentlichte Soko die Single „I'll kill her", der ein riesiger Hit in der Indieszene wurde. Wie der Guardian berichtete, kamen nach dem plötzlichen Erfolg des Songs immer mehr Musikproduzenten auf sie zu, aber sie lehnte all ihre Angebote ab und postete auf ihrer MySpace-Seite den Satz: „Soko Is Dead" (dt.: „Soko ist tot"). All ihre anderen Seiten löschte sie. Ihr Debutalbum I Thought I Was An Alien, das 2012 erschien, führte später dann zu einer Welle von Artikeln über die „Rückkehr von Soko".

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Soko ist der Musik treu geblieben, aber wegen ihres vollen Terminkalender fehlt ihr oft die Zeit, zu schreiben. „Ich wünschte, ich hätte eine feste Routine", sagt sie. Der perfekte Tag beginnt für sie damit, dass sie aufwacht, meditiert, laufen geht und dann „bis spät, spät in die Nacht" Musik macht.

Sie schreibt meist, wenn sie unterwegs ist. Wegen der Arbeit muss sie so oft verreisen, dass sie all ihre Habseligkeiten in Koffern aufbewahrt. Vor Kurzem hat sie aufgehört, sich Platten zu kaufen und ist auf Spotify umgestiegen, weil sie nur begrenzt Platz hat. Auf ihrer Playlist finden sich vor allem kalifornische Bands wie Cherry Glazerr, Warpaint und Ariel Pink. Die französische Band La Femme ist ebenfalls vertreten. Sie ist mit ihnen befreundet.

Der Sound von Ariel Pink—eine Mischung aus Pop und Indie—hatte einen großen Einfluss auf Sokos letztes Album My Dreams Dictate My Reality, das letztes Jahr erschienen ist. (Er ist auch auf der Platte zu hören.) Es ist ganz anders als Sokos bisherige Alben, bei denen sie bewusst auf traditionellere Songstrukturen verzichtete, weil sie Struktur damals generell ablehnte.

„Ich glaube, es ist viel fröhlicher und tanzbarer", sagt Soko über ihr neuestes Werk, dessen Songs mehr an „die 80er erinnern—mit Refrain."

Sie tritt auf, weil sie gerne auf der Bühne steht, doch aus rein wirtschaftlichen Gründen ist sie dazu gezwungen, ihren Lebensunterhalt durch Influencer-Marketing zu verdienen: als DJ, Model und Schauspielerin. Wie viele andere zeitgenössische Künstler hat auch sie das Problem, dass sie kein Geld verdient, wenn sie auf Tour geht. Wenn sie die Band und die Proberäume bezahlt hat, hat sie sogar oft Geld verloren. „Das ist scheiße, aber ich nehme es einfach hin", sagt sie. „Außerdem bin ich ein absoluter Musik-Nerd: Irgendwo hinzugehen, mich auf die Bühne zu stellen und all meine Lieblingssongs zu spielen, ist noch immer ein ziemlich privilegierter Nebenjob. Ich kann mich nicht beschweren."

Obwohl Soko ihren Lebensunterhalt als DJ auf Partys verdient, trinkt sie, wie sie sagt, seit sie 18 ist nicht mehr und lebt Straight Edge. Als ich sie frage, was der größte Irrglaube ist, der über sie existiert, antwortet sie: „Dass ich ständig Party mache. Die Leute glauben, ich bin punk und wild und völlig außer Kontrolle, aber eigentlich lebe ich ziemlich gesund. Ich lebe vegan, Straight Edge und bin gerne allein zu Hause."

Obwohl sie die Zeit allein sehr schätzt, verflüchtigte sich ihre Privatsphäre im letzten Jahr schnell, als Paparazzi anfingen, Fotos von ihr und ihrer damaligen Freundin, dem Twilight-Star Kristen Stewart, zu machen. (Das Paar hat sich im Mai getrennt.) Künstler tauschen ihr Privatleben in Los Angeles oftmals gegen Ruhm ein: Es ist angeblich durchaus üblich, dass aufstrebende Künstler die Paparazzi selbst anrufen oder Beziehungen für die Presse inszenieren. Soko hingegen sieht in einem solchen Lebensstil keinen Reiz. Auf die Frage, wie sie über Ruhm denkt, wirkt sie vollkommen desinteressiert.

„Das ist einfach nicht meine Szene, deswegen kann ich dazu auch nicht viel sagen", meint sie. „Es ist mir egal."