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Was die NASA kann, können Astro-Geeks schon lange

Weltraumenthusiasten wollen die lange vergessene ISEE-3-Sonde einfangen und wieder zum Leben erwecken.
Bild: NASA

Die NASA ist arm. Das Shuttle-Programm wurde eingestampft, der Transport von Gütern zur ISS an private Orbit-Logistiker wie SpaceX und Orbital ausgelagert und jetzt wollen Space-Freaks aus Kentucky der NASA weitere Arbeit abnehmen—in diesem Falle handelt es sich jedoch um Arbeit auf die die NASA wohl gar nicht gekommen wäre: die ausrangierte Raumsonde ICE (International Cometary Explorer), die seit 16 Jahren ohne Kommunikation einsam im All unterwegs ist, soll wieder zum Leben erweckt werde, und zwar vollständig finanziert und unter Federführung von unabhängigen Weltraumenthusiasten.

Bis 1982 untersuchte die besagte Sonde unter dem Namen ISEE-3 den Sonnenwind, auf einem Orbit zwischen Sonne und Erde. Danach wurde sie von der NASA zur Kometenjagd umfunktioniert und heisst seither ICE (International Cometary Explorer). Auf ihrer neuen Mission besuchte die Sonde dann auf einer neuen Umlaufbahn um die Sonne die Kometen Giacobini-Zinner und Halley. Im August 2014 kommt die ICE-Sonde auf Ihrem jetzigen Orbit erstmals der Erde wieder so nahe, dass man sie einfangen könnte, also auf eine Umlaufbahn um die Erde lenken könnte.

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Genau das ist der Plan von erfahrenen Technolgiearchäologen wie Keith Cowing und Dennis Wingo. Mit dem Lunar Orbiter Image Recovery Project haben sie schon mit kleinem Budget und altem Equipment wiedergefundenen NASA-Magnetbändern einige Mondfotos entlockt. Jetzt bereiten sie und andere Astro-Geeks sich auf eine ähnliche Retrooperation vor, um Kontakt zur ICE aufzunehmen und diese zum Umlenken zu bewegen. Es ist nicht so, dass die NASA eine solche Aktion für nicht durchführbar hielte, aber neben dem Budget fehlt der NASA auch das passende Equipment—es ist längst verschrottet oder eingemottet.

Da war die ISEE3 noch auf der Erde. Bild von Tests vor dem Start via Wikimedia.

1997 wurde die ICE Mission offiziell eingestellt, obwohl die Instrumente der Sonde nach wie vor funktionieren und es sogar noch Treibstoff an Bord gab. 2008 nahm die NASA noch einmal Kontakt zur ICE auf—über ihr Deep Space Network, einem Netzwerk von über den Globus verteilten Parabolatnennen. Die Funkgeräte der Sonde funktionieren auch heute noch und im März 2014 konnten deutsche Amateur-Astronomen von der Bochumer Sternwarte Signale der ICE empfangen.

Die Sonde hatte ein zweites Leben als Kometenjäger, warum sollte man Ihr also nicht ein Drittes schenken, zum Beispiel als Sonnenwetter-Satellit, wie sie es schon einmal war? Leonard Garcia, ein Forscher am Goddard Space Flight Center (USA) erzählte in einem Interview mit der Planetary Society, dass die ICE das perfekte Beispiel von mehr für weniger ist, was ja eigentlich das neue Mantra der NASA ist. Seinen Artikel im Fachblatt Space Weather beginnt Garcia mit folgender Proklamation:

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„Die ISEE 3/ICE könnte viele weitere Aufgaben erfüllen. Dieses alte Raumschiff—inzwischen weit über seinem Haltbarkeitsdatum—wäre die ideale Trainingsmöglichkeit für junge Wissenschaftler und Ingenieure.“

Die Mission ist so überzeugend, dass ausser den Jungs aus Kentucky (Cowing und Wingo) auch grosse Institutionen wie das Johns Hopkins Applied Physics Laboratory (APL) mit der ICE Kontakt aufnehmen wollen. Dazu haben sie sowohl Ihre eigenen Satellitenantenne mit 18 Meter Durchmesser und den Segen der NASA. Aber Cowing sagte mir dazu am Telefon, dass das APL nur eine weitere hierarchische und schwerfällige Institution sei, deren Antenne obendrein im Elektrosmog zwischen Baltimore und Washington aufgebaut ist—nicht ideal um einen halbtauben Satelliten aufzuwecken.

„Wir haben sie gehört, wir haben mit der Satellitenschüssel Kontakt aufgenommen und jetzt beginnen wir uns mit ihr zu unterhalten”

Um ihr Projekt von Geldsorgen zu befreien haben die Kentucky-Amateure eine Crowdfunding-Seite für den Neustart der alten ISEE-3 Software aufgesetzt. Ihr Team besteht aus „Ingenieuren, Programmierern und Wissenschaftler” und sie versuchen jeden ausfindig zu machen, der beim Originalprojekt des ISEE-3 dabei war und noch lebt.

Das Team aus Kentucky hat auch Zugang zu einem Radioteleskop von der Morehead State University zum Kontaktieren der ICE. Es ist recht einfach das Signal der anfliegenden ICE aufzufangen. Die grössere Herausforderung ist es der Sonde sinnvolle Antworten zu senden, denn der Code der die Hardware der Sonde kontrolliert ist dummerweise schon lange gelöscht. „Wir haben sie gehört, wir haben eine Satellitenschüssel und jetzt beginnen wir uns mit ihr zu unterhalten”, sagte Cowing, „Nun müssen wir noch die Hardware der Sonde simulieren und damit die Sprache wiederfinden mit der die Hardware kommandiert wird”.

Klar, schnell mal die Kommandos für eine Uralt-Hardware finden die in den 70ern mit der Programmiersprache Fortran gesteuert wurde. Aber auch wenn das gelingt ist noch nicht klar, was dann am Besten mit der Sonde anzufangen ist. Wieder durch den Sonnenwind segeln, wie Cowing vorschlägt, oder es bei der Inspiration für andere belassen? „Sollten wir scheitern“, fügt Cowing hinzu, „fliegt sie einfach an uns vorbei und wir sehen sie in 40 Jahren das nächste Mal.”

Also steht nicht allzu viel auf dem Spiel, aber nach den früheren Erfolgen der NASA bei der Reanimation von Raumsonden—zum Beispiel den Voyagers und Keplers dieses Universums—sollte man so eine Gelegenheit nicht zusammen mit der Sonde an sich vorbeiziehen lassen.