Bratensoßen-Wrestling-WM – Zwei Männer die in einem mit Bratensoße gefüllten Wrestling-Ring miteinander ringen
Alle Fotos von Bekky Calver
Menschen

Ich war bei der Bratensoßen-Wrestling-WM. Es war das pure Chaos

So was gibt es nur in Großbritannien.

"Wer mag Soße? Hoch die Pfote!", schreit ein Teilnehmer, der den Namen Pyrexeler trägt (wie das, ähm, Kochgeschirr) und als rote Dose der Instant-Soße Bisto verkleidet ist, das UK-Äquivalent zu Maggi. Er öffnet seine Kopfbedeckung, in der sich tatsächlich Pulver befindet, das er über das Publikum streut. Wie ein Blumenmädchen beim Gang zum Altar.

Ich habe eine lange und entbehrungsreiche Reise auf mich genommen, um hier in einem Dorf im Nordosten Englands von den "World Gravy Wrestling Championships" berichten zu können. Niemand kann meinen Einsatz für die Dokumentation dieser absurden Veranstaltung infrage stellen, und niemand kann die Tatsache bestreiten, dass diese Veranstaltung in der Tat absurd ist.

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Normalerweise gießt man die leckere braune Soße vielleicht über den Festtagsbraten, aber dafür ist hier keine Zeit. 1.500 Liter warme Bratensoße werden im Hinterhof des "Rose N' Bowl"-Pubs im Örtchen Stackstead in einen Wrestlingring gegossen, in dem 16 Männer und 8 Frauen in je zweiminütigen Kämpfen gegeneinander antreten. Die Teilnehmenden müssen verkleidet sein und alle Einnahmen gehen an eine Wohltätigkeitsorganisation – bis auf 50 Pfund Preisgeld für die ersten Plätze bei den Männern und Frauen.

Der Pub selbst ist voller als die sechs Fässer Soße neben dem aufblasbaren Ring, der einem Pool ähnelt, aber ich kämpfe mich rechtzeitig zur Kostümparade in den Hinterhof. Die Wrestler tänzeln zum tosenden Applaus des Publikums über die Bühne, während ein Mann mit Mikrofon wirre Kommentare abgibt: "Brüste, Eier, Ärsche, und man wird sie sehen." Ein Mann trägt einen Wrestling-Slip, auf dem Bisto steht. "Sieht aus wie ein TicTac!", ruft der Kommentator dieses angeblichen Familienevents in sein Mikrofon. Die einzige Aufwärmphase ist eine entsetzlich peinliche Interpretation von "YMCA".

Bratensoßen-Wrestling-WM –  Ein Porträt eines Mannes mit einem Beret, falschen Zähnen und einem gelben T-Shirt das mit Bratensoße überschüttet ist

Der Organisator Andrew Holt

Diese jährliche Veranstaltung nahm vor 15 Jahren auf einem Parkplatz ihren Anfang, als "Werbegag für ein Food Festival, das auf der Strecke geblieben war", erklärt der Veranstalter Andrew Holt. Er trägt eine winzige, soßenbeschmierte Brille und eine Baskenmütze. Die Wettkämpfe jedenfalls kehrten nach einem erfolgreichen ersten Bratensoßen-Wrestling Jahr für Jahr als lustige Wohltätigkeitsveranstaltung zurück und wurden schließlich in den Hinterhof des Pubs verlegt.

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Die Bratensoße wird in Holts Black-Pudding-Fabrik hergestellt und in sechs 200-Liter-Fässern transportiert. "Man kann diesen Job nicht so ernst nehmen", lacht er. Ich schließe mit der langweiligsten Frage überhaupt: "Wie kriegt man das alles wieder sauber?" Wie sich herausstellt, kümmert sich die örtliche Feuerwehr darum.

Das Wrestling selbst ist chaotischer als eine Reise mit der Deutschen Bahn. Es ist eine Mischung aus purem Slapstick-Humor und etwas, das man vielleicht bei WWE sehen würde. Zwei Namen werden aufgerufen und die Wrestler heizen dem Publikum vor dem Kampf ein. Die meisten scheinen fast choreografierte Abläufe zu haben, bestehen aber alle darauf, dass sie vorher nicht geübt hätten. Die Musik reicht von "Yakety Sax" (dieser Song, der bei quasi jeder lustigen Verfolgungsjagd in Film und Fernsehen zu hören ist) zu "Eye of the Tiger". Der Schiedsrichter stellt sich als der wahre Held heraus: Er ist die Zielscheibe fast jedes Witzes und wird in so einige Kämpfe verwickelt. Zum Glück überlebt er die ganzen dreieinhalb Stunden im rutschigen Wrestling-Ring. 

Bratensoßen-Wrestling-WM – Zwei Männer die in einem mit Bratensoße gefüllten Wrestling-Ring miteinander ringen

"Ich mache dieses Jahr 40 verrückte Sachen, weil ich 40 werde", erklärt die Finalistin Lauren Bricknall mit dem Wrestling-Namen Ocean Fury. "Ich habe versprochen, dass ich einen Käfigkampf mache, wenn ich gewinne. Und daran werde ich mich auch halten." Unter der Woche arbeitet sie mit Menschen mit Behinderung. Heute kämpft sie, um eine Wohltätigkeitsorganisation für Autismus zu unterstützen. "Ich kämpfe eigentlich nie, aber als ich in den Ring gestiegen bin, dachte ich mir: 'Los geht's!'", sagt sie.

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Die Regeln sind fast so fragwürdig wie der unglaublich geschmacklose Moderator. Ich bin überrascht, dass niemand versucht, ihn umzuhauen, als er einer Teilnehmerin gegenüber Kommentare bringt wie: "Du warst noch nie dabei, oder? Denn an dich würde ich mich erinnern", und dass er gegen ihren Mann um sie kämpfen würde. Weiter geht es mit klassischem Bodyshaming, als eine Frau den Ring betritt, die "mal Angelina Jolies Körperdouble war, ob ihr es glaubt oder nicht". Aber das ist genug Sendezeit für ihn.

Bratensoßen-Wrestling-WM – Zwei Männer die in einem mit Bratensoße gefüllten Wrestling-Ring miteinander ringen

Photo: Bekky Calver​

Einige Regeln scheint man an Ort und Stelle zu erfinden. Die Teilnehmerin "Moody Cow" zum Beispiel wird disqualifiziert, weil sie den Schiedsrichter in den Kampf zieht, obwohl andere, die dasselbe tun, seltsamerweise trotzdem in die nächste Runde kommen. Im Laufe des Tages verstehe ich, dass man eine höhere Punktzahl bekommt, je unterhaltsamer man ist. Ein Wrestler wird als "Cranberry-König" vorgestellt. "Einst fand er das längste Nippelhaar der Welt", erklärt der Host, während der König selbst vor Stolz strahlend durch den Ring läuft. Die Beweglichkeit einiger Teilnehmenden ist ebenfalls beeindruckend. Man bestaunt Rückwärtssaltos, Vorwärtssaltos und einige Kopfsprünge von oben, direkt auf den Gegner am Boden. Richtig chaotisch wird es, als die Wrestler es nicht schaffen, ihren Kampf auf das Innere des Rings zu beschränken. Sie rutschen herum wie Nacktschnecken und versuchen, wieder hineinzuschlüpfen, um den Kampf zu Ende zu bringen.

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Bratensoßen-Wrestling-WM – Das Publikum beobachtet Ringer, die in einem mit Bratensoße gefüllten Wrestling-Ring miteinander kämpfen

Bratensoße gelangt an Stellen, wo ich keine Bratensoße haben wollte. Sie ist immer noch auf meiner Jeans. Als ich versuche, die Teilnehmenden zu interviewen, werde ich immer wieder von Tropfen schweißgetränkter Bratensoße durchnässt. Die meisten sprechen wie im Delirium. Dann eilen sie so schnell wie möglich davon, um sich von der örtlichen Feuerwehr abspritzen zu lassen. 

"Wir haben uns aus Spaß angemeldet, aber jetzt haben wir 52 Wochen, um fürs nächste Mal zu trainieren", sagt ein Teilnehmer. Sein mit einer mexikanischen Flagge bekleideter Kumpel springt wie ein Flummi herum. "Ich bin ein glücklicher Mann, ich bin aus Tijuana abgehauen!", schreit er in einem seltsamen, vermutlich mexikanisch gemeinten Akzent. Wie zur Antwort fängt der ursprüngliche Interviewpartner an, wiederholt "USA" zu rufen, bis sein Kumpel sagt, er könne nicht atmen, und aus dem Interview flüchtet. Er muss von einem Sanitäter aus der Flagge geschnitten werden, die zu eng um seinen Hals gewickelt war. In der ausbrechenden Hektik sind ihre Namen untergegangen.

Bratensoßen-Wrestling-WM – Zwei Männer die in einem mit Bratensoße gefüllten Wrestling-Ring miteinander ringen

Das chaotische Duo El Bisto und Gravy Seal​

Aber alle guten Tage müssen einmal zu Ende gehen, sogar solche, die mit mehr Lachen gefüllt sind als ein Parkplatz in Neukölln, auf dem Kinder Lachgas ausprobieren. Am Ende tragen "Ravin Gravy" (Nathan Kendall) und "The Bacup Bavarian" (Patina Bury) verdientermaßen den Sieg davon. Unglaubliche 5.444 Pfund (6.288 Euro) sind für das East Lancashire Hospice zusammengekommen. Leider wurden vor Ort so viele Pommes mit Bratensoße verzehrt, dass für mein Abendessen nichts übrig geblieben ist. Aber zum Glück habe ich genug auf meiner Jeans.

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Bratensoßen-Wrestling-WM – ein Mann inn Speedos wird mit Bratensoße übergossen
Bratensoßen-Wrestling-WM – Zwei Männer die in einem mit Bratensoße gefüllten Wrestling-Ring miteinander ringen
Bratensoßen-Wrestling-WM – Zwei Männer die in einem mit Bratensoße gefüllten Wrestling-Ring miteinander ringen
Bratensoßen-Wrestling-WM – Ein Mann ohne Shirt mit einer mexikanischen Wrestlingmaske ist über und über mit Bratensoße übergossen

Photo: Bekky Calver​