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Kultur

Wenn die Vagina zurückbeisst – Geschichten eines patriarchalen Mythos

Vaginas mit Zähnen finden sich in Kulturen auf der ganzen Welt und sind viel mehr als eine skurrile Gruselgeschichte.

Titelbild: TMagen | Wikimedia Commons | CC BY-SA 4.0 [bearbeitet]

Geschichten über die mystische "Vagina dentata", dem lateinischen Namen für die bezahnte Vagina, gibt es in nahezu jeder Kultur dieser Welt. Einige Erzählungen wollen Männer davor warnen, dass sie sie in Acht nehmen müssen, wo sie ihren Penis reinstecken. Andere, verstörendere Stories handeln davon, dass Frauen gegen ihren Willen von Männern penetriert werden, um ihrer Vagina die Zähne zu ziehen.

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Eines haben die Geschichten allerdings alle gemeinsam: Sie vermischen die berühmte Kastrationsangst mit dem vererbten kulturellen Glaube an die sexuelle Vormachtstellung des Mannes, die als eine der Säulen der Männlichkeit dient. Nach dem patriarchalen Weltbild ist die weibliche Sexualität und der Körper der Frau etwas Bedrohliches, das man kontrollieren muss. Die Kriege, die gegen Frauen weltweit geführt werden, sind oftmals tief verwurzelt in dem uralten Mythos von der bezahnten Vagina und allem, wofür sie steht. Wir haben euch die zehn bemerkenswertesten Beispiele aus der ganzen Welt zusammengesucht.

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Österreich

Der Begriff "Vagina dentata" wurde um 1900 von dem Vater der Psychoanalyse, Sigmund Freud, geprägt. Damit beschrieb er das Motiv des "fressen oder gefressen werdens", für das er Mund und Vagina gleichsetzte. Das Motiv selbst gab es allerdings schon lange vor Freud. Später wurde der Begriff dann von feministischen Freudschen Revisionistinnen wieder aufgegriffen, um auf die akute Kastrationsangst von Männern und ihre allgemeine Furcht vor Frauen hinzuweisen – einem Grundpfeiler der phallozentrischen Kultur des Menschen.

Indien

In Indien gibt es unzählige Geschichten von Männern, die eine bezahnte Vagina bezwungen haben sollen. Die Washington Post hat sogar die Theorie aufgestellt, dass diese Geschichten eine der Wurzeln der Vergewaltigungsepidemie in Indien sein könnten.

Eine der bekanntesten Erzählungen aus dem indischen Bundesstaat Madhya Pradesh handelt von einem Brahmanen, der davon überzeugt war, dass seine Angebetete einen bezahnte Vagina hätte. Also beauftragte er vier Männer aus einer niedrigeren Kaste, um seine Angebetete zu entführen und ihrer Vagina die Zähne zu ziehen. Nachdem sie fertig waren und die Frau durch das Trauma nachweisbar gezähmt war, nahm sie der Brahmane dann zur Frau. Und sie lebten glücklich, bis an ihr Lebensende. (Vorausgesetzt ihre Zähne sind nicht mehr nachgewachsen – obwohl ihm das eigentlich nur Recht geschehen würde.)

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Südafrika

Ähnlich wie in Indien gibt es auch in Afrika unzählige Erzählungen über bezahnte Vaginas. Einige Menschen sagen auch, dass die Geschichten die Grundlage für die Beschneidung von Frauen und die Unterdrückung der weiblichen Sexualität wären. Als Reaktion auf die alarmierend hohe Zahl an Vergewaltigungen in Südafrika (einer der höchsten weltweit) hat sich Sonette Ehlers schließlich von dem Mythos inspirieren lassen und Rapex erfunden – ein Kondom mit mehreren spitzen Zahnreihen, das Frauen vor Vergewaltigungen schützen soll.

Japan

In einem Shinto-Mythos heißt es, ein verliebter Dämon hätte sich in der Vagina einer jungen Frau versteckt und aus Eifersucht zwei ihrer Bräutigame in der Hochzeitsnacht den Penis abgebissen. Die junge Frau nahm ihr Schicksal daraufhin selbst in die Hand und bat einen Schmied, einen eisernen Phallus anzufertigen, an dem sich der Dämon im wahrsten Sinne des Worts die Zähne ausbiss.

Diese Geschichte ist weltweit eine der wenigen, in der die Frau die Kontrolle über ihren eigenen Körper übernimmt und nicht gegen ihren Willen von einem Mann penetriert wird, der ihr damit die bedrohlichen Zähne ziehen möchte. Der stählerne Phallus wird in einem Schrein in Kawasaki nach wie vor als Heiligtum verehrt. Vor allem Sexarbeiter bringen regelmäßig Opfergaben dar und bitten darum, sie bei ihrer Arbeit zu beschützen.

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Neuseeland

In der Mythologie der Māori gibt es die Geschichte von dem Halbgott Māui, der beschließt, die Unsterblichkeit für die Menschen zurückzugewinnen. Dafür steigt er in die Vagina von Hine-nui-te-pō, der Göttin der Unterwelt, und verlässt ihren Körper durch ihren Mund wieder, um so den Prozess von Geburt und Tod umzukehren. Als er sich dann allerdings in einen Schmetterling verwandelt und beginnt, in die schlafende Göttin zu kriechen, müssen die Pīwakawaka (Vögel), die ihn begleitet haben, anfangen zu lachen und wecken dadurch Hine-nui-te-pō. Die Göttin reißt Māui daraufhin mit den Zähnen ihrer Vagina entzwei und bestraft die Menschen mit der Sterblichkeit.

Griechenland

Die Gorgonen aus der griechischen Mythologie haben zwar keine bezahnten Vaginas, das Konzept ist allerdings dasselbe. Eine der Gorgonen, Medusa, konnte Männer allein durch ihren Anblick zu Stein erstarren lassen. Sie wird üblicherweise mit vielen spitzen Fangzähnen, Schlangenhaaren und und einem schlangenhaften Unterkörper dargestellt. Barbara Creed schreibt in The Monstrous Feminine: "Der Fluch der Medusa ist somit auch ein Kastrationsfluch, der mit dem bloßen Anblick von etwas verbunden ist." In anderen Worten: Nicht nur unsere Geschlechtsorgane sind gruselig, Frauen sind generell furchteinflößend.

"Medusa" von Peter Paul Rubens. Bild: Bilddatenbank KHM | Wikimedia Commons | Public Domain

Südamerika

Die Mapuche, ein indigenes Volk aus Chile und Argentinien, haben eine ziemlich schaurige Redewendung: "Eine Frau mit einer auffallenden Erscheinung hat eine bissige Vagina." Damit werden Instagram und Co in ein ganz neue Licht gerückt.

Russland

In The Folklore of Northeastern Asia, as Compared with that of Northwestern America erzählt Waldemar Bogoras von der Geschichte einer wunderschönen jungen Frau, die an einen schrecklichen, alten Mann verheiratet wurde. Um nicht mit ihm schlafen zu müssen, steckt sich die junge Braut schließlich einen Fischkopf zwischen die Beine, sodass er sich jedes Mal an den Zähnen schneidet, wenn er sich ihr intim nähert. Irgendwann ist der Mann dann vollkommen traumatisiert. Sie hingegen "nennt ihn einen Dummkopf, weil er nicht wusste, dass die Vaginas junger Frauen normalerweise Zähne haben." Und sie lebte glücklich bis an ihr Lebensende, ohne Sex mit ihm haben zu müssen.

Nordamerika

Bei den nordamerikanischen Ponca gibt es die Geschichte "Teeth in the Wrong Places", also "Zähne an den falschen Stellen", die von den unzähligen sexuellen Begegnungen eines listigen Kojoten handelt.

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Eines Tages begegnet der Kojote einer Frau und ihren beiden wunderschönen, gefährlichen Töchtern, die mit ihren bezahnten Vaginas angeblich schon zahlreiche Männer aus der gesamten Gegend gefressen hätten. Der Kojote verbringt den Tag mit der Familie und wird schließlich dazu eingeladen, die Nacht neben den beiden Töchtern der Frau zu verbringen. Als ihm die jüngere Tochter verrät, dass ihre Mutter eine Hexe ist, die ihren beiden Töchtern bezahnte Vaginas gegeben hat, versucht ihn die ältere Tochter mit ihrer Vagina zu beißen, woraufhin er sie tötet. Anschließend bringt er auch noch die Hexe um und zieht der jüngeren Tochter die Zähne aus ihrer Vagina – er lässt ihr nur "einen letzten stumpfen Zahn, der ziemlich anregend war, wenn sie Liebe machten."

England

Wer glaubt, dass bezahnte Vaginas reine Fiktion wären, liegt falsch. In England gab es tatsächlich den Fall einer sogenannten Dermoidzyste, bei der einer Britin ein Zahn in ihrem Uterus gewachsen ist. Das Exemplar ist in der pathologischen Sammlung des University College London ausgestellt und mindestens genauso furchteinflößend, wie es klingt.

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