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Sex

Der Typ, der Barney den Dino spielte, ist jetzt Tantra-Guru – mit bedenklichen Methoden

Er löse die Energieblockaden von zwei bis vier Frauen pro Woche, sagt er: "Die Energie, die ich für meine Arbeit im Barney-Kostüm genutzt habe, ist dieselbe Energie, auf der Tantra basiert."
Foto: Getty Images

"Ich mag dich, du magst mich, 'nen bessren Freund als dich gibt's nicht …" – Kaum ein Kind der letzten Jahrzehnte kennt nicht Barney, den lila Dinosaurier. Das Riesenplüschtier hüpft und tanzt mit Kindern über die Mattscheibe und singt dabei lehrreiche Songs. Aber in dem großen Kostüm steckt ein echter Mensch, den kaum jemand kennt. Die ersten zehn Jahre, von 1991 bis 2001, war dieser Mensch David Joyner, ein bis dato unbekannter Schauspieler aus dem US-Staat Illinois.

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Die Schauspielerfahrung als Barney brachte dem ehemaligen Software-Analysten eine Rolle als tanzender Bär in der Kinderserie Hip Hop Harry ein. In den vergangenen zehn Jahren hatte er noch weitere kleine Rollen in TV-Serien, ohne Kostüm. Parallel dazu hat er sich ein Standbein geschaffen, das so manche Kindheitserinnerung erschüttern dürfte: Der ehemalige lila Dino ist mittlerweile Tantra-Guru.

Eine Session mit dem Mann, der einst Barney war, kann drei bis vier Stunden dauern und kostet 350 Dollar. Dafür bietet er Frauen – und zwar nur Frauen – ein rituelles Bad, einen "Chakrenausgleich" und Massage. Ach ja, und Sex. Dabei soll es aber nicht einfach um Orgasmen gehen, sondern um "Energien". Joyner spricht mit Elan von der spirituellen Ebene seiner Arbeit. Aber andere sehen seine Auffassung von Tantra kritisch.

"Wenn Lingam und Yoni sich begegnen, erschafft das eine Energie, die Berührungen mit den Händen nicht erzeugen können", sagt Joyner, 54, im Interview mit VICE. Lingam und Yoni sind Sanskrit-Wörter, die hier für Penis und Vagina stehen. "Nicht einmal bei einer G-Punkt-Massage können die Hände dieselbe Energie erzeugen." Mit seinem warmen Lächeln hat Joyner tatsächlich ein wenig Yogi-Ausstrahlung – aber betreibt er wirklich "Tantra"?


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Eigentlich handelt es sich bei Tantra um uralte Traditionen innerhalb des Hinduismus und Buddhismus, die recht wenig mit Sex zu tun haben. In der westlichen Moderne verbinden wir mit dem Wort in erster Linie "spirituellen Sex", eine Art New-Age-Erotik mit Mindfulness. Experten sagen deshalb häufig zu der westlich-modernen Interpretation "Neotantra".

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David Joyner bespaßt heute nicht mehr Millionen Kinder, sondern laut eigener Aussage eine Klientel aus etwa 30 Frauen ­– oder "Göttinnen", wie er sie nennt. Er löse die Energieblockaden von zwei bis vier Frauen pro Woche, sagt er. "Die Energie, die ich für meine Arbeit im Barney-Kostüm genutzt habe, ist dieselbe Energie, auf der Tantra basiert: Liebe", erklärt er. "Energieblockaden löst man am besten mit Liebe, und ersetzt die dann mit göttlicher Liebe. Das heilt und lässt einen weiter wachsen."

Durch seine liebe, übertrieben gut gelaunte Art wurde Barney zum Star der Kinderzimmer – und für manchen Erwachsenen zum Dinosaurier gewordenen Inbegriff nerviger Kindersendungen. Es waren Joyners Bewegungen in dem Kostüm, die Barneys sonniges Gemüt bildlich vermittelten, die Stimme stammte von einem Sprecher.

"Bevor ich mir das Kostüm anzog, betete ich zu Gott, dass er seinen Heiligen Geist durch mich fließen lässt, damit das die Kinder anzieht", sagt Joyner. "Und diese Energie zog sie auch immer an." Kinder seien spirituell noch empfänglicher als Erwachsene. Oft sehe er beim Einkaufen ein Kind, das ihn anstarrt: "Du weißt, wer ich bin", scherze er dann.

Seine Tantra-Erfahrung habe er auch dazu genutzt, es in dem mehr als 30 Kilo schweren Kostüm auszuhalten. Die Temperatur darin habe bis zu 50 Grad erreicht, doch Tantra habe ihm geholfen, "beim ganzen Vorgang eine überschäumende Freude" zu verspüren.

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Wer Tantra hauptsächlich im sexuellen Zusammenhang kennt, mag das befremdlich finden, aber auch westliche Praktizierende konzentrieren sich nicht nur auf die sexuelle Ebene. Matthias Rose ist Tantra-Lehrer in der Source School of Tantra und Gründer des Moksha Tantra Center in Seattle. Er bezeichnet die Lehre als "spirituelle Wissenschaft des Bewusstseins". Ihr Ziel sei, das Bewusstsein über den Tellerrand des eigenen Egos zu erweitern und den Menschen die Augen für das Göttliche in ihnen und allen anderen Wesen zu öffnen. "Wenn diese Vorstellung verdreht worden ist, dann durch Bücher, Videos und letztendlich auch Escort-Services, die Tantra als eine Art spirituelle Sexualität verkaufen", sagt Rose.

"Wenn du eine Frau leckst, dann sollte es sein, als ob du ein Tischgebet sprichst. Sprich ein Dankgebet, bevor du den Nektar einer Göttin kostest." – David Joyner

Joyners Äußerungen über Tantra helfen aber nicht im Geringsten, die Missverständnisse des westlichen Neotantra aufzuklären. Er sagt Dinge wie: "Wenn du eine Frau leckst, dann sollte es sein, als ob du ein Tischgebet sprichst. Kein Essen der Welt kommt an den Nektar einer Göttin ran, weil das spirituell ist. Sprich ein Dankgebet, bevor du den Nektar einer Göttin kostest. Ich wünsche mir, dass Frauen verstehen, wie mächtig diese Energie ist." Im "Mission Statement" auf seiner Website heißt es: "Dein Geist, dein Körper und deine Seele werden vereint, in totaler Harmonie. Du erreichst einen höheren und freudigen Zustand der Erkenntnis über deine Sexualität und dein spirituelles Wesen."

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Joyner zufolge erreichen Kundinnen diesen höheren, freudigen Zustand häufig durch penetrativen, am besten ungeschützten Sex. Kondome würden "die Energie blockieren", sagt er, deshalb verwende er lieber keine. Joyner sagt, er zeige seine Geschlechtskrankheiten-Tests potentiellen Kundinnen und bitte sie im Gegenzug, ihm etwaige sexuell übertragbaren Krankheiten im Rahmen der Einverständniserklärung mitzuteilen. Laut anderen Tantra-Coaches sind dies höchst unorthodoxe Methoden.

Kaya Kwan Yin ist Tantra-Lifecoach mit mehr als 100 Ausbildungsstunden in diesem Gebiet. Sie arbeitet in Vollzeit mit Tantra, hauptsächlich mit männlichen Kunden. Dass Kondome "Energie blockieren" sollen, klingt für sie "zwielichtig" und "gefährlich", denn für tantrischen Sex müsse man nicht einmal nackt sein. "Penetration der Vagina durch den Penis wird im Tantra heute oft als 'vollständige Vereinigung' bezeichnet", erklärt Kaya per Skype aus Tokio. "Dabei kann sexuelle Energie Kleidung, Kondome und Ländergrenzen überwinden, und viel mehr. Mit Kunden Sex zu haben, ist in der Tantra-Welt eine Anomalie und nicht die Norm."

Doch Joyner wirkt sehr überzeugt von seinen Methoden. "Wenn der Lingam in der Yoni ist, gibt es eine Technik, bei der man sich nicht einmal bewegt. Man harmoniert spirituell, man schaut sich in die Augen und fühlt die Energie des anderen. Es geht um aufsteigende Energie." Viele Frauen, so Joyner, hätten zuvor noch nie richtig spirituellen Sex gehabt.

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"Ich bin da ganz anderer Meinung", sagt Tantra-Lehrer Rose. "Ich will nicht sagen, dass es überhaupt keinen Raum für Geschlechtsverkehr gibt, das gehört durchaus zu den tantrischen Werkzeugen, aber in einem Kundenverhältnis braucht es das so gut wie nie ­– vor allem nicht zur Heilung." Rose ist der Meinung, ein Tantra-Praktiker könne allein mit den Händen alles für eine Kundin tun, das energetisch vonnöten ist. Um Chakren auszugleichen, müsse man die Person nicht einmal berühren. Um den Körper von Traumata zu befreien, seien zwar Berührungen nötig, aber am besten mit den Händen, denn "unsere Herzenergie sitzt in den Händen", so Rose. "Abgesehen davon ist das Risiko groß, noch mehr Traumata zu verursachen, wenn es zum Geschlechtsverkehr kommt."

Kimberly Resnick Anderson ist Sex-Therapeutin und Dozentin für Psychiatrie an der University of California, Los Angeles. Sie teilt Roses Bedenken zu Joyners Methoden, vor allem in Bezug auf den ungeschützten Verkehr.

"In Kalifornien müssen sogar Porno-Darsteller Kondome tragen", sagt sie. "Das ist Gesetz. Dass er keine Kondome verwendet, ist medizinisch unethisch und verantwortungslos. Das hat nichts mehr mit einer gesundheitlichen Versorgung zu tun."

Joyner hat mit seiner Tantra-Praktik 2004 begonnen, seine Kundinnen findet er meist durch persönliche Empfehlungen – oder er überzeugt Frauen, die er auf Tinder kennengelernt hat. Er fährt zu den Kundinnen nach Hause, im Großraum Los Angeles und selbst außerhalb von Kalifornien. Seine Website enthält mehrere "Goddess Testimonials", in denen Frauen atemlos von den Freuden einer Session mit Joyner schwärmen. Joyner sagt, er führe mit jeder Interessentin ein Gespräch, um einzuschätzen, ob sie für die spirituelle Erfahrung bereit sei. Wenn nicht, lehne er sie als Kundin ab.

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Eine Kundin ist Lisa*, 50. Am Telefon erzählt sie VICE, sie habe Joyner auf Tinder kennengelernt. Etwa bei der dritten Session habe sie Sex mit ihm gehabt, ein Erlebnis, das sie als "spirituelles Erwachen" bezeichnet. Seit drei Jahren ist sie Stammkundin. Ab und zu habe sie darauf bestanden, dass Joyner ein Kondom trägt, sagt sie.

Indigo*, 53, arbeitet als Krankenschwester. Im Telefoninterview erklärt sie, die Sessions mit Joyner seien für sie ein Ausgleich für die viele Zeit, in der sie sich nur um andere kümmert. "Beim ersten Mal haben wir nicht das volle Programm gemacht, weil er gespürt hat, dass ich zögerlich war", sagt sie. "Aber nach den ersten paar Sessions fing ich an, mich zu lockern."

David Joyner während seiner Zeit als Barney | Foto: Barbara Laing/The LIFE Images Collection/Getty Images

VICE hat insgesamt drei Kundinnen interviewt, die alle durch Joyner vermittelt wurden. Alle drei sagten, sie hätten sich von Joyner nie unter Druck gesetzt oder gezwungen gefühlt, Sex zu haben. Joyner selbst weist diese Vorstellung ebenfalls entschieden von sich. In Los Angeles liegen keine Anzeigen wegen sexualisierter Verbrechen gegen ihn vor, wie das Los Angeles Police Department VICE mitteilt.

Zwischen Heiler und Patientin, oder Guru und Schüler, herrscht dennoch ein gewisses Machtgefälle, das nicht alle so leicht mit einvernehmlichem Sex vereinbaren können. Zum Beispiel Laura Palumbo, Kommunikationsdirektorin der Nonprofit-Organisation National Sexual Violence Resource Center. "Wenn man sich ein solches Szenario genauer ansieht", sagt sie VICE am Telefon, "erkennt man durchaus Dynamiken, die das Ganze ein bisschen komplizierter machen als einfach nur Sex zwischen gleichgestellten Erwachsenen."

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Weiter erklärt Palumbo, eine sehr bekannte Person könne etwa ihren Status ausnutzen, um jemanden zu eigentlich ungewollten sexuellen Handlungen zu bewegen. "Und die spirituelle Komponente macht das hier nur noch komplizierter. Die Teilnehmerinnen wollen sich an die spirituellen Vorgaben halten – gerade wenn sie jemanden suchen, der sie führen kann. Das sind keine Partner auf Augenhöhe."

Außerdem verstößt Joyner vielleicht auch gegen das Gesetz. In Kalifornien ist es verboten, kommerzielle Massagen anzubieten, die sexuell erregen sollen. Um sich zu schützen, hat Joyner mit der Hilfe eines befreundeten Polizisten einen Vertrag aufgesetzt: Alle potentiellen Kundinnen müssen ihm schriftlich versichern, dass sie nicht für die Polizei arbeiten. Außerdem behauptet er, ein Schlupfloch zu haben, denn die erste Session sei gratis, womit das Einvernehmen der Parteien vor dem Gesetz gültig sei.

David Joyner heute | Foto mit freundlicher Genehmigung von David Joyner

Der kalifornische Strafverteidiger Jonathan Kelman hat da schlechte Nachrichten für Joyner. Da er bei weiteren Sitzungen Geld für Sex und erotische Massagen verlange, könnten die Behörden Joyner wegen Prostitution anzeigen, so Kelman.

Die Tantra-Therapeutin Anderson sagt dazu: "Wenn ich mit einem Patienten Sex hätte, wäre das eine Straftat, man würde mich anzeigen und mir meine Zulassung wegnehmen."

Joyner sagt, er habe Tantra und spirituelle Sexualität entdeckt, als er in den 1980ern mit etwa 20 schwedische Massage lernte. Er jobbte neben dem Studium als Masseur, und als andere ihm sagten, wie erregend seine Berührungen seien, habe er angefangen, Tantra und Massage zu kombinieren.

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Als er 1991 die Rolle des Barney bekam, musste er sich fortan bedeckt halten, was seine Vorliebe für Tantra anging. Laut Joyner sagten die Anwälte des Studios, er dürfe in seiner gesamten Zeit als Dinosaurier nicht über Tantra sprechen, es nicht lehren und es auch nicht praktizieren, sonst sei eine Klage vorprogrammiert. Während seines Jahrzehnts im lila Kostüm habe er trotzdem heimlich weitergemacht und nur wenigen Crew-Mitgliedern von seiner Leidenschaft erzählt.

Stephen White war von 1992 bis 2005 Chef-Autor der Barney-Reihe. Er hat erst vor wenigen Jahren von Joyners Liebe zu Tantra erfahren, sagt er. "Ich kannte David als sehr spirituell und positiv – er hat Energie verströmt", sagt er. "Man fühlte sich in seiner Gegenwart wohl." Die Sache mit dem Tantra habe ihn allerdings überrascht, als er sich genauer mit dem Phänomen befasste. "Ich urteile nicht oder so, aber das ist eine Seite von David, die mir neu war."

Leah Montes ist heute 39. Im Alter von 9 bis 15 spielte sie in Barney und seine Freunde die Rolle der Luci. "David war exzentrisch und wundervoll und interessierte sich für Dinge, von denen ich in dem Alter noch nichts verstand", sagt sie. "Er war normal, lustig, energiegeladen und gut gelaunt."

Joyner sagt, er wolle die Botschaft des Tantra und der Macht der Göttinnen-Energie verbreiten. Er sieht dabei durchaus Parallelen zwischen seinen Tätigkeiten als tantrischer Erotikmasseur und als Kinder-Entertainer. "Ich war mir immer sicher, dass ich für diese Figur bestimmt war", sagt er. "Denn viele Elemente bei Barney waren genau die Dinge, die ich im Tantra trainiert habe."

* Name geändert

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