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Beruf

Zwischen Ekel und menschlichen Tragödien: der Alltag einer Tatortreinigerin

Wir haben mit zwei Tatortreinigerinnen gesprochen, die uns erklärt haben, wie es ist, täglich mit dem Tod konfrontiert zu werden und warum sie trotz allem etwas Positives aus ihrem Beruf ziehen können.
Forensic cleaner Donna Nayler in her respirator mask. Photo courtesy of subject

Putzen ist nicht jedermanns Sache. Ich persönlich muss allerdings sagen, dass ich ziemlich gern putze. Ich bin einer dieser neurotischen Menschen, die eine spürbare Befriedigung daraus ziehen, wenn sie hören, wie der Staubsauger Schmutz einzieht oder wenn sie klebrige Flecken vom Küchentresen wischen.

Das Ganze hat eine sonderbar therapeutische Wirkung auf mich, was vermutlich auch der Grund dafür ist, warum ich mir so gerne Spotless angesehen habe—eine Fernsehserie, in der es um einen gutaussehenden Franzosen geht, der sein eigenes Tatortreinigungsunternehmen leitet. In vielen Szenen sieht man ihn, wie er sorgfältig mit Wattestäbchen Blutflecken von Oberflächen scheuert, sanft Türklinken abwischt und den Raum mit einem Schwarzlicht systematisch nach Spuren von Körpermaterial absucht. Die Aufgabe seines Teams ist es aufzuräumen—ein erregender Anblick für einen Sauberkeitsfanatiker wie mich.

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Trotzdem drängte sich mir eine wichtige Frage auf: wie viel das Ganze mit der Realität zu tun hat. Wie ist es, Blut aus dem Teppich zu schrubben? Wie riecht eine zwei Wochen alte Leiche? Ich habe mit zwei Tatortreinigerinnen gesprochen, um es herauszufinden.

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Leanne Elliot ist das weibliche Oberhaupt eines ganzen Familienunternehmens von Tatortreinigern. Gemeinsam mit ihrem Mann leitet die 46-Jährige seit nunmehr zwei Jahren das gemeinsame Unternehmen mit dem bezeichnenden Namen „Traumativ Clean Ups". Neben ihrem Sohn, Stiefsohn und ihrem Neffen erledigen sie Aufräumarbeiten, vor denen sich viele Menschen scheuen—sei es bei Selbstmorden, Verkehrsunfällen oder in Messiewohnungen.

„Bei der ersten Messieswohnung, in der ich war, wurde mir trotz meiner Maske schlecht", erzählt sie mir während unseres Telefonats. „Dieser Typ hat über 18 Monate lang Milch gehortet und es hat vier Tage gedauert, bis wir das Haus sauber hatten. Es war unglaublich eklig. Die Milch sah aus wie schwarzer Rübensirup."

Leanne Elliott in ihrer persönlichen Schutzausrüstung, die sie als forensische Tatortreinigerin zu tragen hat. Foto: Leanne Elliott

Doch obwohl es ganz offensichtlich ziemlich unangenehm ist, sich um abgelaufene Milch zu kümmern, sind das nicht die Aufträge, die ihr im Gedächtnis bleiben. Die Arbeit bei Verkehrsunfällen bringt eine ganz besondere Form der Belastung mit sich. Meist sind schon mehrere Leute vor Ort, wenn die Tatortreiniger eintreffen. Da ist es oft schwer, nicht unter Druck zu geraten. „Man muss sich wirklich konzentrieren und genau hinschauen, damit man keinen Fetzen Körperfett übersieht, der irgendwo auf dem Asphalt klebt", sagt Elliott. „Man muss herausfinden, um was für eine Art Unfall es sich handelt: ein Aufprall oder ein Sturz oder ein Aufprall mit Sturz oder eine Dekapitation. Wenn es sich um eine Enthauptung handelt, muss man herausfinden, ob der Kopf irgendwo aufgeprallt ist und wenn das der Fall ist, kann man davon ausgehen, dass das Blut an mehreren Stellen verteilt ist."

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Elliott sagt allerdings auch, dass sie selbst nicht mehr zu solchen Aufträgen fährt. „Ich bin nicht mehr zu Verkehrsunfällen gefahren, seit diesem Fall, bei dem ein Kind von einem LKW angefahren wurde, als es den Zebrastreifen überqueren wollte. Als wir fertig waren, habe ich den Fehler gemacht und mit die Nachrichten angesehen, um mehr über den Unfall zu erfahren. Dabei habe ich herausgefunden, wie das Kind hieß, mit wem es unterwegs war, als der Unfall passierte und was die Leute getan haben, um sein Leben zu retten. Das war zu viel für mich. Danach konnte ich es einfach nicht mehr machen. Man muss versuchen, das Ganze einfach nur als Job zu sehen, aber manchmal ist das einfach unmöglich."

Ich frage Elliott, ob sie in letzter Zeit irgendwelche Aufträge hatte, die ihr im Gedächtnis geblieben sind. „Da war ein Auftrag, zu dem ich meinen Sohn mitgenommen habe", erinnert sie sich. „Man hat nach 18 Wochen diesen Mann gefunden, der gestorben war und die Heizung war die ganze Zeit über an. Es waren schon vier andere Unternehmen vor uns da, die das gesamte Anwesen auseinandergenommen haben, aber der Geruch war noch immer da. Sie waren komplett ratlos."

Donna Nayler in ihrer Arbeitskleidung. Foto: Donna Nayler

Elliott kann den Geruch kaum beschreiben, meint aber, das Verstörendste an diesem Geruch sei, dass er den gesamten Körper durchdringt. „Ein stechender Geruch trifft dich sofort und man reagiert schon fast körperlich darauf. Doch dieser Geruch brennt sich langsam ein. Du spürst, wie er langsam deinen Hals hoch wandert und deinen Mund überzieht."

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Haben sie es geschafft, die Herkunft des mysteriösen Geruchs doch noch ausfindig zu machen? „Ja, der Boden war aus Beton—ein sehr poröses Material. Wir haben festgestellt, dass die Körperflüssigkeiten in den Boden eingesickert sein mussten und haben ihnen geraten, den ganzen Boden einfach rauszureißen." Ein ganz normaler Tag bei der Arbeit.

Die 1,50 Meter große Teilzeitfriseurin Donna Nayler ist 30 Jahre alt und kommt aus Australien. Sie arbeitet seit sieben Jahren als forensische Tatortreinigerin. Sie wurde durch die amerikanische Reality-Show How Clean is Your Crime Scene? auf den Beruf aufmerksam. Donna hat bei einer Firma angefangen, dessen Team vorwiegend aus Männern mittleren Alters besteht. Das heißt allerdings keineswegs, dass sie nur die leichten Fälle bekommt.

„Ich kann mich an jeden einzelnen Tatort erinnern, an dem ich war, aber einer ist mir besonders deutlich im Gedächtnis geblieben. Ich wurde an einen Tatort in Brisbane gerufen. Ein Mann war von der Arbeit heimgekommen und hatte etwas Öl auf seiner Küchenbank gefunden, hat es weggewischt und ist ins Bett gegangen. Als er am nächsten Morgen wieder in die Küche kam, war die gesamte Bank mit Blut bedeckt, das von oben durch die Decke tropfte."

Ich konnte es schon riechen, bevor ich nach oben kam und als ich die Tür geöffnet habe, konnte ich es kaum fassen—so etwas habe ich in meinem ganzen Leben noch nicht gesehen

„Ich konnte es schon riechen, bevor ich nach oben kam und als ich die Tür geöffnet habe, konnte ich es kaum fassen—so etwas habe ich in meinem ganzen Leben noch nicht gesehen. Da war ein Lache aus Körperflüssigkeiten mit einem Durchmesser von 20 Metern, die sich vom Sofa aus bis in die Küche und den Flur hinunter zog und in die Ritzen im Boden eingesickert war, weshalb es durch den Boden in die untere Wohnung tropfte. Der Typ hatte eine Überdosis Crack genommen und lag seit mehr als zwei Wochen da."

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Wie genau riecht so etwas? „Das kann man nicht in Worte fassen. Das geht einem direkt ins Mark und wenn man den Geruch erst einmal in der Nase hat, wird man ihn nicht mehr los—und man vergisst ihn auch nicht."

Es gibt auch Fälle, die Nayler nicht nur wegen den Reinigungsarbeiten selbst erschüttert haben, sondern wegen der Umstände, mit denen sie sich auseinandersetzen musste. „Ich wurde mal zu einem Tatort gerufen, bei dem sich eine Frau mit der Schrotflinte umgebracht hat. Sie war eine zweifache Mutter und hat sich selbst im Schlafzimmer im Obergeschoss des Hauses in den Kopf geschossen, während ihre beiden Kinder, vier und sechs Jahre alt, unten waren. Das Blut tropfte durch die Dielen auf den Boden im Erdgeschoss. Die beiden Mädchen haben sie gefunden und das Blut mit Papier abgedeckt. Das war das mit Abstand Traurigste, was ich jemals erlebt habe."

Foto: Donna Nayler

Nayler erzählt auch, dass es eine Mordszene gab, die sie nachhaltig beeinflusst hat. „Eine junge Frau wurde von ihrem Freund tot geprügelt. Er hat die Wand mit ihrem Kopf eingeschlagen. Ich habe noch nie in meinem Leben so viel Blut gesehen. Das Opfer war genauso alt wie ich und hatte dieselbe Größe und Statur. Es hat, um ehrlich zu sein, ziemlich lange gedauert, bis ich aufhören konnte, daran zu denken."

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Beide Frauen sagen, dass ihre Sicht auf die Welt durch ihre Arbeit beeinflusst wurde—doch nicht unbedingt zum Schlechteren. Sie sind sich beide sehr viel bewusster, wie weit verbreitet und lähmend Einsamkeit sein kann und versuchen, aktiv etwas dagegen zu tun. „Es gab schon Fälle, bei denen Menschen in ihrer Wohngemeinschaft gestorben sind und erst nach einer Woche von ihren Mitbewohnern gefunden wurden", sagt Nayler. „Ich stelle immer sicher, dass ich Menschen auf der Straße zulächle und mich regelmäßig bei meinen Freunden melde, weil es nicht viel Zeit in Anspruch nimmt, kurz Hallo zu sagen."

Elliott hat eine Fortbildung über neuro-linguistisches Programmieren gemacht, um mit den Messies, die sie trifft, in einem persönlichen Gespräch arbeiten zu können und zur Wurzel ihrer Probleme zu gelangen. Außerdem trainiert sie im Moment für eine gesponserte Fahrradtour, um Geld für ein Hospiz zu sammeln. „Ich will einfach nur sicherstellen, dass Menschen die Unterstützung bekommen, die sie brauchen. Ich will nicht, dass Menschen auf sich allein gestellt sind und einfach zu Hause bleiben und sterben."