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Es gibt eine wissenschaftliche Erklärung für die Winterdepression

Ein paar unglückliche Prozesse mit dem Neurotransmitter Serotonin lassen in der dunklen Jahreszeit unzählige Menschen unter depressiver Stimmung leiden. Doch diesem Zustand kann entgegengewirkt werden.

Selbst jemand, der Regen, Hagel, Sturm und Schneeschauer wegen ihrer rauen Gemütlichkeit zu schätzen weiß, bekommt bei solch einer Wettervorhersage einen leeren Blick und eine sanfte Decke der Aussichtslosigkeit senkt sich über sein Haupt.

So sieht auch oftmals der Winter hierzulande aus. Keine weiße Wunderwelt, statt dessen nasser Matsch und eisige Böen im rot gefrorenen Gesicht. Was mit dieser saisonalen kalten Erfrischung einher geht ist oftmals auch eine gepfefferte Winterdepression mit Symptomen, die sich vor einer klassischen Depression nicht zu verstecken brauchen.

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Wie sich diese endlosen Tage voller nasskalter Trostlosigkeit auf das Gehirn auswirken war bisher ein ungelöstes Rätsel. Als allgemeingültige Erklärung wird gerne ein Zusammenhang zwischen der Stimmung und dem Licht hergestellt. Die Erklärung dazu ist, dass unser Tagesrhythmus mit den verschwindenden Sonnenstunden durcheinander gerät und wir uns im Zuge dessen schlecht fühlen.

Nun stellte ein Forschungsteam beim European College of Neuropsychopharmacology Congress eine aktuelle Studie zu diesem saisonalen Stimmungsproblem vor. In ihren Ergebnissen beschreiben die Wissenschaftler eine „Skala" nach der das Gehirn sein Serotoninlevel an die Jahreszeiten anpasst. Sie fanden heraus, dass mit dem geringen Sonnenlicht in den Wintermonaten auch die Serotoninproduktion abnahm. Manche Menschen erleben diesen Prozess intensiver als andere.

Unter der Leitung der dänischen Neurobiologin Brenda McMahon untersuchten die Wissenschaftler die Hirnaktivitäten der Probanden mittels Positronen-Emissions-Tomographie (PET). Elf der Patienten wurden als SAD (traurig) diagnostiziert, 23 nicht. Im Vergleich der Untersuchungen zu Sommer- und Winterzeit stellten die Forscher signifikante Ergebnisse des im Gehirn vorkommenden Proteins SERT fest, welches für den Transport des Neurotransmitters Serotonin zuständig ist.

„SAD-Patienten erleben im Vergleich zu den gesunden Personen eine signifikant stärkere SERT-Fluktuation", so das Fazit der Studie. „In gesunden Subjekten ließen sich keine ähnlichen Anzeichen feststellen, so dass wir annehmen können, dass Menschen ohne Winterdepression nicht von dem Phänomen saisonaler SERT-Schwankungen betroffen sind."

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Der Neurotransmitter steht in enger Verbindung mit unserer Stimmung. Viele Antidepressiva hemmen die Prozesse im Gehirn, die Serotonin aus den Synapsen beseitigen. Denn: je mehr Serotonin, desto besser das Befinden.

Die Aufgabe von SERT besteht hauptsächlich darin, das Serotonin von einem Ort zum nächsten zu befördern. Je mehr SERT also, desto weniger Serotonin kann sich in einer Synapse festsetzen. McMahon und Kollegen fanden heraus, dass die SERT-Level bei SAD-Patienten mit dem schwindenden Tageslicht einen Höchststand erreichten. Während bei den gesunden Personen keine Veränderungen in der SERT-Menge zu beobachten war, variierte die durchschnittliche Fluktuation bei SAD-Patienten um fünf Prozent.

Das ist eine geringe Summe in einer kleinen Stichprobe, doch Serotonin wurde bereits in anderen Forschungen mit SAD in Verbindung gebracht. In einer klassischen Studie beschreiben die Wissenschaftler einen Anstieg der Aminosäure Tryptophan, eine Vorstufe von Serotonin, bei SAD-Patienten im Mai und Juni sowie einen Abfall der Werte im Spätsommer und Frühherbst.

Es gibt noch weitere Unmengen an Untersuchungen zu SAD und Serotonin. Eine Review-Studie (eine Studie über andere Studien) aus dem Jahr 2013 zum Beispiel, zieht schlicht das Fazit: „Beruhend auf den Ergebnissen der Studien kann gesagt werden, dass Serotonin, eine wichtige Rolle bei SAD spielt." Lichttherapie und spezielle Serotonin-Medikationen stellen also eine erfolgreiche Methode für die SAD-Behandlung dar.

„Die natürlichste und am besten untersuchte Behandlungsmethode von SAD ist die Lichttherapie", fasst die Review von 2013 zusammen. „Die ursprüngliche Theorie hinter der Lichttherapie war eine Normalisierung der verzögerten Phasenverschiebung bei SAD. Der Idee war, die Photoperiode, also die Tageslänge, bei SAD-Patienten zu verlängern. Ebenso sollte die Produktion des Schlafhormons Melatonin in der Zirbeldrüse gesenkt werden."

In der dunklen Jahreszeit produziert die Zirbeldrüse auf Grund der wenigen Sonnenstunden mehr Melatonin, was dann leider zu Lasten des Serotonins geht. Alles wird grau. Nicht nur draußen, sondern auch in deiner Stimmung.

Allerdings ist es wichtig zu betonen, dass SAD kein Zustand ist, mit dem du irgendwie klar kommen musst. Schon mit ein wenig Sonnenlichtimitation oder einem 6-monatigen Ausflug nach Südafrika ist das Leben wieder schön.

PSYCHOMANIA ist eine neue Motherboard-Kolumnne über Neurosen des Alltags, die zeigt, dass es keinen Wahnsinn gibt, den es nicht gibt—und wie fließend die Grenzen zwischen gesund und pathologisiert sind.