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Wir haben mit der spanischen EU-Abgeordneten gesprochen, die ihren sexistischen Kollegen öffentlich abgewatscht hat

Iratxe García hat uns erklärt, wie sie mit geschlechtlicher Benachteiligung im europäischen Parlament umgeht und wie sich der Kampf um Gleichberechtigung gewinnen lässt.

"Frauen müssen weniger verdienen als Männer, denn sie sind schwächer, kleiner und dümmer." Als der polnische Abgeordnete Janusz Korwin-Mikke vergangene Woche diesen Satz vor dem europäischen Parlament von sich gab, fühlte man sich direkt in die 50er Jahre zurückversetzt. Aber nicht nur das viral gegangene Video zog einen Sturm der Entrüstung nach sich. Nein, auch direkt im Parlament musste Korwin-Mikke für seine Aussage ordentlich einstecken. Vor allem die spanische Abgeordnete Iratxe García machte ihrem Ärger über eine solch inakzeptable Einstellung lauthals Luft. So ließ sie ihren Kollegen wissen, dass sie vor allem deswegen im EU-Parlament sitzt, um die europäischen Frauen vor Männern wie ihm zu schützen.

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Seit der Veröffentlichung des Videos hat García laut eigener Aussage viel Lob und unterstützende Worte von Seiten der europäischen Bürger erhalten – vornehmlich von polnischen Männern und Frauen, die sich für Korwin-Mikke schämen. Wir haben uns mit García unterhalten und dabei erfahren, wie sie mit Sexismus im europäischen Parlament umgeht und wie sich der Kampf um Gleichberechtigung gewinnen lässt.

VICE: Wie hat es sich angefühlt, ein solches Statement von einem Mitglied des Europäischen Parlaments zu hören – eigentlich ja ein Ort, der alle europäischen Bürger repräsentieren soll?
Iratxe García: Ich war richtig wütend und dachte nicht, dass er so etwas wirklich sagen würde. Dabei waren wir Provokationen von Korwin-Mikke eigentlich schon gewohnt. Er hat nämlich schon ähnliche Aussagen zu Immigranten und Flüchtlingen gebracht – und dafür auch Sanktionen erhalten.

Als Sie ihn angegangen haben, lachte er bloß. Er macht sich wegen weiterer Sanktionen scheinbar keine große Sorgen.
Das Europäische Parlament kann zwar noch weitere wirtschaftliche oder administrative Sanktionen gegen Korwin-Mikke verhängen, aber eine Entlassung oder ein erzwungener Rücktritt ist leider nicht möglich. Ob er seinen Sitz aufgibt, ist alleine seine Entscheidung. Natürlich könnten wir auf der Straße gegen sein Handeln im Europäischen Parlament demonstrieren, aber rein rechtlich kann man ihn zu nichts zwingen.

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Korwin-Mikke traf die Aussage, als Sie sich für die Lohngleichheit zwischen Mann und Frau stark machten. Was muss getan werden, um diese Lohngleichheit zu erreichen?
Es gibt noch kein europaweites Gesetz zur Gleichberechtigung – das muss sich ändern. Wir brauchen diese Gleichberechtigung aber nicht nur beim Thema Lohn. In jedem europäischen Land existieren andere Definitionen von häuslicher Gewalt und deswegen wird dieses Verbrechen überall anders eingestuft. Wir benötigen eine einheitliche Gesetzgebung beim Thema Vaterschaftsurlaub. Und in Bezug auf das Gehalt müssen wir uns konkrete Ziele setzen: Jedes Jahr muss der Lohnunterschied um zwei Prozent zurückgehen. Wenn es hier kein Gesetz gibt, dann wird bis 2086 keine Lohngleichheit herrschen. Und das ist doch ein bisschen spät.

Sind alle europäischen Länder in Sachen Frauenrechte ungefähr auf dem gleichen Level?
Meiner Meinung nach schon. Ich glaube, es wird oft unterschätzt, wie sehr sich die südeuropäischen Länger hier engagieren. Spanien ist beispielsweise wegweisend, wenn es darum geht, häusliche Gewalt zu kriminalisieren. Und die nordeuropäischen Länder sind ein Paradebeispiel dafür, wie sich arbeitende Pärchen zu Hause die Pflichten teilen. Diese Länder sind aber auch Wohlfahrtsstaaten, in denen Gleichberechtigung garantiert wird – und zwar nicht nur zwischen Männern und Frauen, sondern zwischen allen Menschen.

Was würden Sie Leuten sagen, die gegen Frauenquoten sind und die Meinung vertreten, dass mehr Männer einflussreiche Stellen innehaben, weil sie dafür besser qualifiziert sind?
Ich würde sagen, dass Frauenquoten derzeit leider ein Muss sind. Wir arbeiten jedoch darauf hin, dass sie nicht mehr sein müssen. Frauen haben mit unsichtbaren Grenzen zu kämpfen, die verhindern, dass sie hochrangige Positionen einnehmen. Es ist einfach nur lächerlich, davon auszugehen, dass Frauen im Allgemeinen keine einflussreichen Jobs haben, nur weil sie dafür nicht geeignet sind.

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Hat Ihr Geschlecht Ihnen jemals irgendwelche Türen verschlossen?
Natürlich. Das ist bei allen Frauen so. Ich habe es jedoch schon besser als die Frauen früherer Generationen oder Frauen aus anderen Schichten. Unsere Gesellschaft ist von Gleichberechtigung aber noch sehr weit entfernt. Und dieser Umstand wirkt sich natürlich auf mich als Frau aus.

Können Sie mir ein Beispiel dafür nennen, wie genau Frauen keinen Einfluss haben?
Das grundlegende Problem besteht darin, dass die meisten Beispiele nicht offensichtlich sind. Viele wichtige politische Entscheidungen werden etwa bei einem Feierabend-Drink oder nach wichtigen Abendessen getroffen. Frauen sind in solchen Momenten jedoch oft nicht mit dabei, weil sie entweder nicht wirklich willkommen sind oder sich zu Hause um die Familie kümmern müssen.

Was müssen Frauen tun, damit es so schnell wie möglich zur Gleichberechtigung kommt?
Frauen aus allen möglichen Gesellschaftsschichten sollten sich in der politischen Sache vereinen und ihre Rechte einfordern. Davon sollte sich vieles im EU-Parlament abspielen. Gleichzeitig ist es eine Schande, dass unsere Überzeugungen einen Keil zwischen uns treiben – zum Beispiel, wenn es um das Thema Abtreibung geht.

Welche Rolle spielen Männer im Kampf um die Gleichberechtigung?
Wir müssen der Männerwelt erklären, dass das unser aller Kampf ist. Gleichberechtigung lässt sich nur zusammen erreichen.

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